Saskia EskenSPD - Förderung der Medienkompetenz
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gleich zu Beginn möchte ich gerne das Lob und den Dank des Kollegen Volmering zurückgeben. Wir haben wirklich sehr gut zusammengearbeitet, und wir sind zu einem guten Antrag gekommen, wie ich meine.
Im Privaten wie bei der Arbeit – dieses Internet und die digitalen Medien spielen eine immer größere Rolle. Doch sind alle Menschen in Deutschland gleich gut vorbereitet, an dieser digitalisierten Welt teilzuhaben? Eine Studie der Initiative D21 zur Entwicklung der digitalen Kompetenz der Bevölkerung kommt zu einem ernüchternden Ergebnis. Entlang der sozioökonomischen Verhältnisse und dem Bildungsstand der Menschen verläuft in Deutschland, so die Studie, eine stabile digitale Spaltung. Da gibt es diejenigen, die schon wie selbstverständlich und sehr kompetent an den Potenzialen der Digitalisierung teilhaben, und es gibt eben sehr viele, denen nicht nur der schnelle Breitbandanschluss fehlt. Ihnen fehlt vor allem der sichere und souveräne Umgang mit dem, was wir mit dem Breitbandanschluss zu den Menschen bringen wollen. Auch in der Arbeitswelt werden digitale Kompetenzen immer wichtiger. Es deutet sich schon heute ein immenser Bedarf an IKT-Fachkräften an – in der Wirtschaft, aber auch in der öffentlichen Verwaltung. Schon in sehr naher Zukunft wird es kaum noch ein Berufsfeld geben, das ohne eine zumindest grundständige IT-Bildung auskommt.
Die Bundesregierung hat sich mit ihrer Digitalen Agenda ein Pflichtenheft zur Gestaltung der digitalisierten Welt vorgenommen. Auch das heute hier vorgestellte Forschungsrahmenprogramm der Bundesregierung zur IT-Sicherheit ist einer solch wichtigen Aufgabe geschuldet: der Förderung der digitalen Souveränität des deutschen und europäischen Wirtschaftsraums in Bezug auf IT-Sicherheitstechnik und Sicherheitsverfahren, die wir für die Abwehr von Überwachung und Cyberkriminalität brauchen. Daneben steht – nicht minder wichtig – die digitale Souveränität der Bürgerinnen und Bürger, die durch einfach anwendbare Verschlüsselungsverfahren und andere Schutzmaßnahmen wieder in die Lage versetzt werden sollen, Herr ihrer eigenen Daten zu sein. Zum Thema „digitale Bildung“ – das ist ein weiterer Beitrag zur digitalen Souveränität der Bürgerinnen und Bürger – findet sich in der Digitalen Agenda ein ehrgeiziges, aber bislang wenig konkret ausgearbeitetes Vorhaben. Man will, so steht es dort geschrieben, mit den Bundesländern und anderen Akteuren des Bildungssystems eine gemeinsame Strategie „Digitales Lernen“ erarbeiten. Mit dem Antrag von SPD und Union wollen wir diesem Vorhaben einen weiteren Anstoß geben und konkreter beschreiben, welche Maßnahmen im Rahmen dieser Strategie umgesetzt werden sollen.
(Dr. Daniela De Ridder [SPD]: Das ist gut so! – Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu wenig!)
Vor wenigen Tagen hat der stellvertretende SPD- Fraktionsvorsitzende Hubertus Heil angekündigt, dass die SPD-Fraktion auf der Grundlage des Investitionsprogramms des Bundes ab dem Haushaltsjahr 2016 60 Millionen Euro für die digitale Bildung zur Verfügung stellen will. Ich finde, das ist eine ausgezeichnete Investition in die Zukunft unseres Landes.
(Beifall bei der SPD)
Ich möchte auf drei der wichtigsten Voraussetzungen eingehen, die erfüllt sein müssen, damit Schulen sich für die Stärkung der digitalen Bildung auf den Weg machen können. Sicher könnte man hier auch über die technische Infrastruktur oder über die Finanzierung digitaler Endgeräte sprechen. Ich bin aber der Überzeugung, dass es in der Bildung zuerst auf kompetente Lehrkräfte, auf klar definierte und im Konsens vereinbarte Bildungsziele und nicht zuletzt auf gute didaktische Konzepte und Lerngegenstände ankommt. Deshalb möchte ich genau darüber sprechen.
Erstens. Digitale Bildung braucht Lehrerbildung. Lehrkräfte wollen, dass sich Schülerinnen und Schüler fit machen für die Mediengesellschaft, in der sie bereits heute leben, und für die Schule arbeiten, wie wir gestern vom BITKOM erfahren haben. In der Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte fehlt es aber an Modulen für Mediendidaktik, sodass sich viele dieser Aufgabe nicht gewachsen fühlen. Mit dem Antrag wollen wir deshalb die verpflichtende Aufnahme mediendidaktischer Inhalte in die Studien- und Prüfungsordnungen von Lehrkräften und anderem pädagogischen Personal erreichen. Dazu müssen Fortbildungsangebote kommen, die sich niederschwellig und effektiv am Bedarf der Bildungseinrichtungen und ihrer Lehrkräfte orientieren.
Zweitens. Digitale Bildung muss in die Bildungspläne. Wir wollen, dass Schülerinnen und Schüler Kompetenzen im Umgang mit digitalen Medien erwerben und dass sie ein grundlegendes Verständnis für die Sprache der Digitalisierung, die Logik der Algorithmen erhalten. Gerade bildungsbenachteiligte Kinder und Jugendliche sollen so besser für eine Teilhabe an der digitalisierten Welt befähigt werden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir empfehlen deshalb in unserem Antrag die fächerübergreifende Verankerung der Medienkompetenz in den Bildungsplänen ebenso wie einen zeitgemäßen und jeweils entwicklungsgerechten Informatikunterricht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Drittens. Digitale Bildung braucht freie und offene Lehr- und Lernmaterialien. Der gute Umgang mit der Diversität, der gemeinsame Unterricht für behinderte und nicht behinderte Schülerinnen und Schüler – diese Ansätze brauchen differenzierte, barrierefreie und individuell anpassbare Konzepte und Materialien. Mit digitalen Medien sind solche Anpassungen ein Kinderspiel, wenn sie in den richtigen Formaten vorliegen und wenn das Bearbeiten, Speichern und Weitergeben der Materialien erlaubt ist. Schülerinnen und Schüler wiederum lassen sich dann von einem Thema packen, wenn sie ihre Lerngegenstände selbst erstellen, verändern, weitergeben und sich dazu austauschen können. Sie können dabei ihre Stärken und ihre kreativen Potenziale ausbauen und Selbstwirksamkeit erleben. Beides sind wichtige Faktoren für einen nachhaltigen Lernerfolg.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Lehr- und Lernmaterialien müssen dazu unter Lizenzen vorliegen, die die Veränderung und Weitergabe erlauben. Solche Materialien werden als Open Educational Resources, kurz OER, bezeichnet. In Deutschland spielen OER in den Schulen bisher keine große Rolle, während europäische Nachbarn wie beispielsweise Polen, aber auch die USA schon viel weiter sind.
In der Koalition sind wir gewillt, hier aufzuholen. Im laufenden Haushaltsjahr haben wir erstmals 2 Millionen Euro für OER eingeplant, und wir sind als SPD-Fraktion entschlossen, diesen Titel weiter auszubauen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Thomas Jarzombek [CDU/CSU])
Dazu kommt die Forderung, dass wir das in die Jahre gekommene Urheberrecht endlich an die Erfordernisse des digitalen Zeitalters anpassen und die Verwendung geschützter Werke für Bildung und Wissenschaft weiter öffnen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr verehrte Damen und Herren, natürlich gibt es Schulen, die schon heute gute Medienbildungskonzepte umsetzen. Natürlich gibt es Bundesländer, die sich schon auf einen richtigen Weg begeben. In Baden-Württemberg beispielsweise, woher ich komme – das hören Sie –, definieren Kultusminister Andreas Stoch und sein Haus im neuen Bildungsplan die Medienbildung als eine fächerübergreifende Leitperspektive. Über alle Altersstufen und Schulformen hinweg soll die Medienbildung eine starke Rolle spielen. Auch Bildungsministerin Britta Ernst hat sich für ihre Amtszeit vorgenommen, die Schulen in Schleswig-Holstein fit zu machen für das digitale Zeitalter.
(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])
Der Schulwettbewerb „Digitales Lernen“ soll nun in einem ersten Schritt besonders nachhaltige und ganzheitliche Medienbildungskonzepte auszeichnen und fördern, die dann als nachahmenswerte Beispiele ins Land ausstrahlen.
Ich habe in unseren Vorgesprächen zu diesem Antrag, die wir mit den Ländern geführt haben, noch von einer Vielzahl guter Ansätze und Vorhaben gehört. Dennoch hat uns das unterdurchschnittliche Abschneiden Deutschlands in der ICILS-Studie zu den Computer- und Informationskompetenzen von Schülerinnen und Schülern vor Augen geführt: Um in der Fläche des Landes zu wirken, braucht es ein konzertiertes, verpflichtendes und damit verlässliches Gesamtkonzept für die Stärkung der digitalen Souveränität von Schülerinnen und Schülern.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir schlagen deshalb in unserem Antrag neben zahlreichen Forderungen an die Adresse des Bundes eine verbindliche Vereinbarung der Bundesländer über gemeinsame Bildungsziele, Standards und Maßnahmen vor, beispielsweise in einem Länderstaatsvertrag. Verbindliche Ziele, gemeinsame und konzertierte Maßnahmen – die Strategie „Digitales Lernen“ kann davon nur profitieren. Bund und Länder, Schulträger und weitere Akteure müssen sich jetzt gemeinsam auf den Weg machen, die Chancen und Herausforderungen der digitalen Bildung in Angriff zu nehmen, um die digitale Spaltung zu überwinden.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Nächster Redner für Bündnis 90/Die Grünen ist der Kollege Özcan Mutlu.
(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Die Platte mit Sprung wird das jetzt wieder! Kooperationsverbot, Kooperationsverbot, Kooperationsverbot! Da muss mal was Neues kommen!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4809423 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 97 |
Tagesordnungspunkt | Förderung der Medienkompetenz |