Özcan MutluDIE GRÜNEN - Förderung der Medienkompetenz
Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
So lautet die Überschrift eines Kommentars einer Tageszeitung vom November 2014 in Reaktion auf die erste ICILS-Studie, eine internationale Bildungsstudie, die ähnlich wie die PISA-Studie die Internet- und Medienkompetenz von Achtklässlern untersucht hat. Im Gegensatz zum damaligen PISA-Schock blieb der ICILS-Schock aus. Dabei gibt es genügend Gründe dafür: überalterte Hardware, mangelhafte Internetanbindung, unzureichende IT-Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer, ein Drittel der getesteten Schülerinnen und Schüler in der Gruppe der digitalen Analphabeten. Damit nicht genug: Die digitale Schere geht auseinander, die digitale Spaltung der Gesellschaft schreitet leider voran. Das können und dürfen wir nicht akzeptieren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Willi Brase [SPD]: Das Abendland geht unter! – Sven Volmering [CDU/CSU]: Von Ihnen kommt ja gar nichts! – Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Haben Sie einen Antrag vorgelegt?)
Liebe Koalition, Ihr gutgemeinter Antrag ist nicht geeignet, dieser Misere ein Ende zu setzen. Industrie 4.0, digitale Technologien, Digitale Agenda etc. verkommen zu Floskeln, wenn wir unsere Schülerinnen und Schüler nicht für die Anforderungen der neuen Medien wappnen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir Grünen haben Anfang dieses Jahres die Bundesregierung gefragt, welche Konsequenzen sie aus den schlechten Ergebnissen der ICILS-Studie ziehe. Die Antworten der Bundesregierung auf unsere 19 Fragen kann man in einem Satz zusammenfassen: Wir sind nicht zuständig; das ist Aufgabe der Länder. – Ich sage: Das ist mehr als peinlich.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Ihr Antrag zur digitalen Bildung bleibt hinter dem, was dringend notwendig ist, und hinter dem, was Sie in Ihrem Koalitionsvertrag vollmundig ankündigten, weit zurück. Er listet auf, was die Bundesregierung in Gesprächen „mit den Ländern und Akteuren aus allen Bildungsbereichen“ vor allem beraten soll. Daraus kann man schließen, dass die notwendigen Gespräche in den letzten 15 Monaten noch nicht einmal begonnen haben. Sie begrüßen in Ihrem Antrag Selbstverständlichkeiten und fordern die Bundesregierung auf, diverse bereits bestehende Programme weiter zu unterstützen. Ich sage: So wird das nichts mit der Stärkung von digitaler Bildung und Medienkompetenz und erst recht nichts mit der Überwindung der digitalen Spaltung der Gesellschaft.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE])
An der entscheidenden Stelle fordern Sie die Bundesregierung auf, sich lediglich bei den Bundesländern und der KMK für einen Länderstaatsvertrag einzusetzen. Wenn Sie – da schaue ich in die Reihen der SPD – das Kooperationsverbot abgeschafft hätten, dann bräuchten wir heute so etwas nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Jetzt kommt Ihre Platte! Mein Gott! Haben Sie keine anderen Vorschläge? Ist das alles, was Sie zu sagen haben?)
Die digitale Gesellschaft stellt uns vor große Herausforderungen, vor allem in der Bildung, wie wir hier gehört haben. Deshalb empfehle ich, einen Blick in den Schlussbericht der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ zu werfen,
(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Wo ist Ihr konkreter Vorschlag?)
die in den Projektgruppen „Bildung und Forschung“ sowie „Medienkompetenz“ sehr konkrete Handlungsempfehlungen vorgelegt hat,
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
und zwar mit den Stimmen aller Fraktionen.
Meine Damen und Herren, egal ob bei den Themen Aus- und Fortbildung der Lehrerinnen und Lehrer, OER, Hardwareausstattung, Vernetzung, Lizenzen, Datenschutz usw. usf. – wir werden nicht umhinkommen, mehr Geld in die Hand zu nehmen, um die Handlungsempfehlungen umzusetzen und die Herausforderungen zu meistern. Deshalb ist Ihr Antrag zu kurz gesprungen.
(René Röspel [SPD]: Besser als stehen geblieben! – Gegenruf des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind in der Luft stehen geblieben!)
An dieser Stelle kann ich nur hoffen, dass sich der Kollege Heil durchsetzt und die Bereitstellung der Mittel mit dem Koalitionspartner vereinbart wird.
Digitale Bildung, Inklusion, Ganztagsschulausbau oder Bildungsgerechtigkeit insgesamt – all das sind Themen, die regelrecht nach der Abschaffung des Kooperationsverbotes schreien. Ich appelliere an Sie: Hören Sie diese Schreie, und handeln Sie jetzt!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Keinen einzigen konkreten Vorschlag!)
Für die Bundesregierung spricht jetzt der Parlamentarische Staatssekretär Stefan Müller.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4809438 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 97 |
Tagesordnungspunkt | Förderung der Medienkompetenz |