Harald PetzoldDIE LINKE - Förderung der Medienkompetenz
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf den Besuchertribünen! Nach dieser Rede von Herrn Staatssekretär Müller bin ich fast schon glücklich darüber, dass die Koalition überhaupt den Mut aufgebracht hat, hier einen solchen Antrag vorzulegen und wenigstens den Eindruck zu erwecken, dass sie mit dieser lahmen Schnecke von Bundesregierung unzufrieden ist. Die Koalition tut jetzt zumindest so, als wolle sie signalisieren, dass es ihr nicht schnell genug geht, nachdem wir schon wieder drei Jahre verschlafen haben, seitdem die Enquete-Kommission ihren Zwischenbericht vorgelegt hat.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich finde, Herr Staatssekretär Müller, es ist schon einigermaßen
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Dreist!)
dreist – sagt gerade meine Kollegin Lötzsch; ich kann mich dem nur anschließen –, wenn Sie dem Kollegen Mutlu und der Kollegin Hein vorwerfen, dass sie hier konkrete Beispiele und Vorschläge schuldig geblieben sind. Gleichzeitig haben Sie nicht mehr anzubieten als neue Arbeitskreise, neue Untersuchungen und neue Verhandlungsgruppen, mit denen Sie im Gespräch sein wollen. Wenn Sie das als konkrete Maßnahmen verkaufen wollen, werden mindestens weitere drei Jahre vergehen, in denen nichts passiert im Bereich digitaler Bildung, bei der Medienkompetenz und der Überwindung der digitalen Spaltung der Gesellschaft.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wenn ich mir den Inhalt des Antrags anschaue, verehrte Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsfraktionen, sehe ich, dass es sich mit dem Mut allerdings auch schon erledigt hat.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)
Das ist ein Antrag für die Schrankwand zu Hause. Den können Sie sich golden einrahmen, über das Bett hängen und weiterschlafen.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sie haben bereits in der Darstellung der Ausgangssituation, mit der wir es zu tun haben, deutlich gemacht, dass Sie die Dimension des gesellschaftlichen Wandels, um die es hier geht, nicht einmal ansatzweise verstanden haben. Denn es geht natürlich nicht nur um Fachkräftemangel und Verwertbarkeit in der Wirtschaft, sondern auch um Selbstbestimmung, Freiheit, Emanzipation, Kritikfähigkeit, Urteilsvermögen
(Beifall bei der LINKEN – Sven Volmering [CDU/CSU]: Alles im Antrag drin!)
und natürlich auch um das Verhältnis von Wahrheit und Täuschung in der virtuellen und in der analogen Welt zugleich. Wer das aus den letzten Wochen und den Ereignissen rund um den Stinkefinger und unser Verhältnis zu Wirklichkeit und Fake nicht gelernt hat, dem kann ich nur sagen, er soll sich wieder schlafen legen.
(Beifall bei der LINKEN – Sven Volmering [CDU/CSU]: Lesen Sie erst mal den Antrag genau!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Koalition beruft sich in ihrem Antrag auf die Empfehlungen der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“. Ich kann Sie nur ermutigen: Machen Sie das aber konsequent! Gestehen Sie sich ein – der Kollege Mutlu hat es gesagt –: Ohne Überwindung des Kooperationsverbots wird das alles nichts werden. Sie reden hier von einem Länderstaatsvertrag. Wie lange soll das alles noch dauern? Ohne die Überwindung der feudalen, Entschuldigung, föderalen Kleinstaaterei im Bildungswesen
(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
können wir uns bundesweite, gemeinsame, länderübergreifende Programme – und mit welchen Adjektiven Sie die ganzen Programme noch belegen wollen – abschminken. Ohne die Sicherstellung einer flächendeckenden Breitbandversorgung wird ein Großteil Ihrer Vorschläge technisch gar nicht funktionieren. Ohne eine umfassende Netzneutralität sind auch Ihre ganzen wohlklingenden Vorstellungen von der Förderung von freien Lern- und Lehrmaterialien, Schul-Clouds und dergleichen etwas für die Schrankwand.
(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sie immer mit Ihrer Schrankwand! Gehen Sie doch zu Ikea mit Ihrer Schrankwand!)
Sie können froh sein, dass meine Redezeit schon zu Ende ist.
(Sven Volmering [CDU/CSU]: Sind wir!)
Ja, daran wollte ich Sie gerade erinnern.
(Heiterkeit)
Frau Präsidentin, ich habe Ihr Signal gesehen. – Ich sage nur: Die Empfehlungen der Enquete-Kommission sind es wirklich wert, sie als Richtschnur dafür zu nehmen, welche Maßnahmen umgesetzt werden könnten. Sie waren schon damals Bundestagsabgeordneter, Herr Kollege Müller. Sie wissen, dass Sie die Hand gehoben haben, als es hieß, dass jeder Schüler einen Computer bekommen soll. Jeder! Das ist der Maßstab. Daran gilt es anzuknüpfen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)
Vielen Dank, Herr Kollege Petzold. – Nächster Redner ist für die SPD-Fraktion Oliver Kaczmarek.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4809443 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 97 |
Tagesordnungspunkt | Förderung der Medienkompetenz |