Herlind GundelachCDU/CSU - Aktuelle Stunde zu Vorschlägen zur CO2-Reduzierung und Kraft-Wärme-Kopplung
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, in einem sind wir uns hier im Hause einig – das hat die Debatte bisher auch gezeigt –: Alle bekennen sich zu dem 40-Prozent-Ziel der CO 2 -Minderung.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Pfeiffer nicht mehr!)
– Doch. Da haben Sie ihn völlig falsch verstanden. Auch er bekennt sich dazu.
(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie wollen nichts dafür tun!)
Ich denke, das ist schon einmal ein positives Signal, das nach draußen geht. Auch wenn das 40-Prozent-Ziel damals unter anderen Rahmenbedingungen beschlossen wurde – das möchte ich betonen –, so halten wir dennoch an diesem Ziel fest. Das soll deutlich gesagt werden.
Seit dieser Zeit haben sich allerdings auch die Rahmenbedingungen unserer Energieversorgung drastisch verändert. Wir alle wissen, dass die erneuerbaren Energien in der Zwischenzeit mehr als 25 Prozent bei der Stromerzeugung ausmachen.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir brauchen schärfere Ziele!)
Kraftwerke auf fossiler Basis kämpfen deswegen ums Überleben. Das zeigt auch die Diskussion um das künftige Strommarktdesign. Lassen Sie mich eine weitere Zahl bringen: Deutschland hat im Jahr 2013 mehr als 34 Terawattstunden Strom netto exportiert.
(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)
Legt man den von der Kommission festgelegten Emissionsfaktor von 0,76 Tonnen CO 2 pro Megawattstunde an, dann wären das bereits fast 26 Millionen Tonnen CO 2 , die wir in Deutschland zwar produziert, aber nicht verbraucht haben. Auch das sollte man bei dieser Gelegenheit einmal betonen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Über noch eines müssen wir uns im Klaren sein: Aufgrund des weiteren Ausbaus der erneuerbaren Energien, den wir alle wollen, wird diese Zahl in den nächsten Jahren noch zunehmen.
Klimapolitik ist aber nicht nur Strompolitik, sondern sie umfasst auch die Bereiche Wärme und Kälte sowie Energieeffizienz. Deswegen hat die Bundesregierung den Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz vorgelegt. Deshalb müssen wir aus meiner Sicht neben dem Strommarkt, über den wir heute im Wesentlichen gesprochen haben, auch die anderen Sektoren in den Blick nehmen, wenn wir unsere Klimaschutzziele erreichen wollen. Um es noch einfacher zu formulieren: Wir müssen die Gelder, die zusätzliche Emissionsminderungen kosten, so optimal wie möglich einsetzen.
Deshalb muss diese Diskussion – das ist heute in der Debatte auch schon angeklungen – auch im Kontext der Überlegungen erfolgen, wie es zum Beispiel bei der KWK weitergeht; denn sie bietet noch immer die beste Ausbeute der fossilen Energieressourcen. Ich glaube, auch da besteht ein großer Konsens hier im Hause.
Allerdings werfen die jetzt vorliegenden Überlegungen des BMWi aus meiner Sicht mehr Fragen auf, als sie beantworten. Zunächst einmal – auch das ist festzuhalten – bedeuten die Vorschläge einen massiven Eingriff ins Eigentum, was überdies aus meiner Sicht von Anfang an eine Schwachstelle in der Energiewendepolitik war.
(Dirk Becker [SPD]: Was?)
Betreiber von Kraftwerken haben nämlich in der Regel eine Genehmigung zur Freisetzung von Treibhausgasen, meist aufgrund ihrer Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz. Ihre Emissionszertifikate haben sie übrigens nicht nur kostenlos erhalten, sondern sie haben sie zum Teil auch käuflich erworben. Nun sollen sie aufgrund einer neu berechneten Grundausstattung partiell stillgelegt werden, die eine nationale Berechnung ist.
Hier ist aus meiner Sicht ein Widerspruch zu Ihnen, Herr Minister Gabriel. Sie sagen: Wir wollen diese Zertifikate stilllegen. – Das ist richtig. Damit ist ein Teil des in Europa vorhandenen Potenzials stillgelegt. Nur, dem, was der Kollege Pfeiffer vorhin gesagt hat, haben Sie widersprochen. Er hat gesagt, man könnte rein theoretisch nationales Geld nehmen und Zertifikate aufkaufen;
(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das würden die Steuerzahler bezahlen!)
denn dem Klima ist es vergleichsweise egal, ob die Zertifikate in Deutschland oder sonst wo stillgelegt werden. Entscheidend ist die CO 2 -Minderung. Daher sehe ich darin keine hundertprozentige Logik.
(Dirk Becker [SPD]: Doch! Doch! – Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bezahlen durch die Steuerzahler! Interessant!)
Es sind aus meiner Sicht noch weitere Fragen nicht ganz geklärt. Ich hatte gerade das Thema Eigentum angesprochen. Ist damit nicht eventuell ein enteignungsgleicher Eingriff verbunden? Wird die nach Artikel 12 des Grundgesetzes garantierte Berufsfreiheit eingeschränkt? Im Übrigen gibt es aus meiner Sicht auch noch keinen hinreichenden Nachweis, ob die Vorschläge mit dem EU-Recht kompatibel sind, und zwar sowohl mit dem Wettbewerbsrecht als auch mit dem Emissionshandelsrecht.
Auch scheint mir der Vorschlag – das ist der letzte Punkt, auf den ich eingehen möchte – prima facie zu sehr auf eine einseitige Beeinträchtigung der Braunkohle zu setzen, die übrigens immer noch unser einziger heimischer Energieträger ist, und zwar sowohl was den nicht differenzierenden Freibetrag pro installierter Gigawattkapazität als auch was das Alter der Kraftwerke angeht.
In Ihrem Vorschlag heißt es, dass 90 Prozent der Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen nicht betroffen seien. Bei den Braunkohlekraftwerken stellt sich das aber etwas anders dar; denn hier ist das Verhältnis ungefähr 28 : 16. 28 dieser Kraftwerke sind schon deutlich älter als 20 Jahre und sind daher sofort betroffen.
Auch haben die Vorschläge massive Auswirkungen auf die regionale Wirtschaft, ihre Struktur und die damit verbundenen Arbeitsplätze; das ist ebenfalls schon angeklungen. Erste Schätzungen gehen von bis zu 20 000 Arbeitsplätzen aus. Ich habe auch schon höhere Zahlen gehört; ganz genau weiß das vermutlich keiner von uns.
Unsere Klimaschützer bringen immer wieder zum Ausdruck, dass Kohlekraftwerke, insbesondere Braunkohlekraftwerke, das Klima schädigen und deswegen aus Gründen der Nachhaltigkeit am besten sofort stillgelegt werden müssten. Diesen Klimaschützern kann ich nur sagen: Nachhaltigkeit umfasst drei Dimensionen, nämlich die Ökonomie, die Ökologie und das Soziale, und das müssen wir bei unseren Entscheidungen, denke ich, immer bedenken.
Die neuen Länder – das ist, glaube ich, auch klar – sind von diesem Vorschlag ganz besonders betroffen.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die ältesten Kraftwerke stehen in NRW!)
Das spiegelt auch die Betroffenheit wider, die in den öffentlichen Diskussionen dort zum Ausdruck kommt. Auch das ist ein Punkt, den wir beachten müssen.
Frau Kollegin.
Ich komme zum Schluss. – Noch einmal: Das Ziel „40 Prozent“ ist aus meiner Sicht in Ordnung. Der Weg dahin muss aber gründlich durchdacht werden. Schnellschüsse und Ideologie sind hier aus meiner Sicht fehl am Platz.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die Kollegin Bärbel Höhn hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4813734 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 97 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu Vorschlägen zur CO2-Reduzierung und Kraft-Wärme-Kopplung |