Bärbel HöhnDIE GRÜNEN - Aktuelle Stunde zu Vorschlägen zur CO2-Reduzierung und Kraft-Wärme-Kopplung
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Gabriel, ich möchte diese Diskussion zu dem nutzen, zu dem Sie uns verholfen haben. Dadurch, dass Sie länger geredet haben, haben wir die Möglichkeit, spontan zu reagieren. Ich finde, diese Möglichkeit sollten wir auch nutzen; denn wir bleiben bei den Debatten hier im Bundestag immer noch zu oft fest am Blatt. Deshalb möchte ich gern genau die Punkte aufgreifen, die Sie hier angesprochen haben.
Sie haben gesagt: Wir müssen uns ehrlich machen, und zwar in einer wichtigen Frage, nämlich der Frage: Wie gehen wir mit einem Strukturwandel um, von dem ganz bestimmte Regionen besonders betroffen sind? – Ich lebe seit über 35 Jahren im Ruhrgebiet, und damit habe ich den Strukturwandel in der Steinkohle extrem und sehr intensiv miterlebt. Ich habe circa 20 Jahre in einem Bergarbeiterviertel gewohnt, und ich kenne die Situation. Ich finde, sich ehrlich zu machen, das heißt auch, dass wir uns genau überlegen müssen: Wie ist der Strukturwandel in der Steinkohle gelaufen? War er so, wie er gelaufen ist, wirklich gut? War er gut für die Region? Ich sage: Er war nicht gut. Er war deshalb nicht gut, weil die Große Koalition – das waren die IG BCE und die SPD; das waren der Wirtschaftsrat der Union und die CDU – viel zu lange an der Steinkohle festgehalten hat, falsche Subventionen in die Region gegeben hat. Sie ist damit Verursacher der Krise, die wir heute noch im Ruhrgebiet haben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Bernd Westphal [SPD]: Unsinn!)
Solche Fehler sollten wir nicht noch einmal machen. Sich ehrlich zu machen, heißt auch, aus Krisen und aus der Bewältigung von Krisen in der Vergangenheit zu lernen und es in Zukunft anders zu machen.
Wenn wir die Energiewende erreichen wollen, dann müssen wir sie in Nordrhein-Westfalen erreichen. Wenn wir es da schaffen, dann sind wir durch. Das heißt aber andersherum, dass wir das auch bei der Kohle angehen müssen. Ich finde gut, dass der Minister darauf hingewiesen hat, dass die Reduktion um 22 Millionen Tonnen CO 2 , die er im Kohlebereich angesprochen hat, nicht der Ausstieg aus der Kohle ist. Es ist ein wichtiger Punkt, zu sagen: Man kann nicht von heute auf morgen aus der Kohle aussteigen. Aber man muss anfangen, aus der Kohle auszusteigen. Man muss ein Konzept machen
(Florian Post [SPD]: Genau das tun wir!)
und den Leuten die Wahrheit dazu sagen, wie sich das Ganze entwickelt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Dirk Becker [SPD]: Genau das machen wir!)
Dazu gehört, dass wir gerade in Nordrhein-Westfalen sozusagen das Festhängen an der Kohle angehen müssen. Es gibt noch zu viel fossiles Denken in Nordrhein- Westfalen, und das müssen wir überwinden; denn wir wollen doch, dass in dieser Region, Nordrhein-Westfalen, wo die meiste Energie Europas erzeugt wird, in Zukunft weiterhin die meiste Energie Europas erzeugt wird. Das kann nur im Bereich der erneuerbaren Energien geschehen. Deshalb müssen wir gerade in Nordrhein-Westfalen auf die erneuerbaren Energien setzen. Wir müssen den Bürgerinnen und Bürgern eine Alternative zur Steinkohle und zur Braunkohle bieten; ansonsten werden wir diese Krise nicht überwinden und werden in den Krisenregionen genau dieselben Probleme bekommen, wie wir sie im Ruhrgebiet haben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wenn in den Regionen Zehntausende Menschen betroffen sind, ist das natürlich ein großes politisches Problem; ich weiß das selber. Da kann man nicht einfach nur die ökologische Karte ziehen. Da muss man natürlich auch die wirtschaftliche und die soziale Karte ziehen. Ich hätte mir aber gewünscht, dass wir damals das ganze Geld nicht immer nur in die Steinkohle gesteckt und die Subventionen immer weiter verlängert hätten, sondern in Alternativen, die den Menschen in der Zukunft zugutekommen, investiert und nicht am Alten, was sowieso eines Tages kaputtgeht, festgehalten hätten.
Die Finanzkrise von Nordrhein-Westfalen hat auch mit dem langen Festhalten an der Steinkohle zu tun. Man hat immer Gelder für die Steinkohle zur Verfügung gestellt und dafür weniger Geld in die Infrastruktur gesteckt. Genau da haben wir jetzt, im Vergleich zu den anderen Bundesländern, ein noch größeres Problem. Das ist eine Spätfolge der falsch behandelten Krise des Steinkohlebergbaus. Das darf sich nicht wiederholen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Nordrhein-Westfalen sollte viel stärker von den Arbeitsplätzen profitieren, die die erneuerbaren Energien bieten. Wir reden hier über 370 000 Arbeitsplätze. In Nordrhein-Westfalen verfügen wir über enormes Know- how. Wir müssen diese Chance ergreifen. Das heißt: Klimaschutz muss ein wichtiger Bereich sein. Wir werden insgesamt 200 Millionen Tonnen CO 2 einsparen müssen. Die Kohle muss einen enormen Beitrag dazu leisten; das weiß der Minister Gabriel auch. Im gesamten Energiesektor sind das von 2013 bis 2020 90 bis 100 Millionen Tonnen, um die reduziert werden muss. Die 22 Millionen Tonnen sind nur ein kleiner Anteil. Das heißt: Wir müssen an die alten Kohlekraftwerke rangehen. Wir müssen, gerade im Bereich der Braunkohle, an die Klimakiller rangehen, um die Klimaziele zu erreichen und um Nordrhein-Westfalen und Brandenburg sowie weiteren Braunkohleregionen in den neuen Bundesländern eine Zukunft zu geben. Es wäre gut, wenn diese Debatte im Bundestag dazu führen würde, diesen Weg ein Stück gemeinsam zu gehen.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat der Kollege Andreas Lämmel für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4813735 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 97 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu Vorschlägen zur CO2-Reduzierung und Kraft-Wärme-Kopplung |