Petra Pau - Aktuelle Stunde zu Vorschlägen zur CO2-Reduzierung und Kraft-Wärme-Kopplung
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Debatte nimmt erstaunlicherweise eine ganz neue Wendung, wenn Sie, Frau Höhn, sagen, man soll nicht immer die ökologische Karte ziehen. Das haben Ihre Vorredner aber in extremer Weise getan.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Lämmel, Sie haben überhaupt nichts kapiert! Wie immer!)
Sie haben einfach deutlich gemacht, dass bei den Grünen der ökonomische Sachverstand im Vergleich zum ökologischen Sachverstand eben nicht so groß ist.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich muss einmal deutlich sagen: Sie haben nicht ganz unrecht, wenn Sie sagen, dass die langfristigen Subventionen, die in Nordrhein-Westfalen in die Steinkohle geflossen sind, den Strukturwandel aufgehalten haben; das ist unbestritten. Wenn Sie sich aber einmal den Haushalt des Bundeswirtschaftsministeriums anschauen, sehen Sie, dass der größte Posten nicht die Förderung von Innovationen, sondern die Abarbeitung der Steinkohlealtlasten ist. Das geht bis 2018, und das hat Rot-Grün damals in vollem Umfang mit ausgehandelt.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da hat die CDU aber mitgemacht!)
Sie müssen sich also überhaupt nicht darüber aufregen. Denn auch Sie sind Mitverursacher dieses Problems gewesen.
(Lachen des Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wenn Sie dies nun auf die Braunkohle übertragen wollen, Frau Höhn, dann sind Sie auf dem Holzweg. Die Braunkohle ist subventionsfrei.
(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt doch gar nicht! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie ist subventionsfrei? Kommen Sie mal zu mir! Ich zeige Ihnen die Subventionen für die Braunkohle!)
Nicht ein Cent aus dem Bundeshaushalt fließt in die Braunkohle. Die Braunkohle ist der einzige heimische Energieträger, der in vielen Revieren subventionsfrei abgebaut wird. Das ist der Unterschied zur Steinkohle.
(Zuruf der Abg. Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Dass jetzt die Restlasten, die 22 Millionen Tonnen CO 2 , die noch einzusparen sind, sozusagen auf einen Industriezweig abgeladen werden sollen, empfinden viele Abgeordnete, die aus diesen Regionen kommen, als falsch. Die Diskussion, die Ihre Kollegin Baerbock geführt hat, ist einseitig. Sie hat sich hier unheimlich aufgeplustert und gesagt: Wegen der paar Arbeitsplätze bricht doch die Welt nicht zusammen, und der Strukturwandel läuft doch schon. – Natürlich läuft der.
(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)
Das ist doch unbestritten; denn auch die Kohlereserven und die Bergbauplanungen sind endlich.
Was Sie wollen, ist sozusagen eine bruchartige Entwicklung. Ich kann Ihnen nur sagen: Wir haben so einen Bruch 1990 erlebt. Es gibt noch 21 000 direkte Arbeitsplätze in der Braunkohle. Das war einmal das Dreifache. Das sollten Sie wissen, wenn Sie über Strukturwandel reden. Sie haben es nicht erlebt; denn Sie sind ja erst ein paar Jahre später dahin gekommen.
Meine Damen und Herren, das ist einmal für einen Kraftwerksblock ausgerechnet worden, nämlich am Beispiel des Kraftwerks Jänschwalde – das sind nicht meine Zahlen; das sind die Zahlen der Gewerkschaft –: In Jänschwalde gibt es sechs 500-Megawatt-Blöcke. Bei 20 Euro pro Tonne CO 2 würde das eine finanzielle Mehrbelastung von 400 Millionen Euro pro Jahr bedeuten. Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass ein Kraftwerksbetreiber dieses Geld erwirtschaften kann.
Nun sagen Sie: Um die paar Arbeitsplätze ist es nicht so schade. Da finden sich neue.
(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sage ich überhaupt nicht!)
Aber Sie müssen natürlich sehen: Im Unterschied zur Steinkohle, die zumeist aus allen Teilen der Welt importiert wird, wird die Braunkohle überwiegend in Deutschland gefördert. Das ist der große Unterschied zur Steinkohle.
(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wirklich?)
Das heißt also: Wenn ein Kraftwerksblock oder ein Großkraftwerk geschlossen wird, weil dieses Geld am Markt nicht zu verdienen ist, dann schließt nicht bloß das Kraftwerk, sondern natürlich auch die Grube, weil sie gar keine Abnehmer mehr für ihre Kohle hat.
(Beifall der Abg. Dr. Herlind Gundelach [CDU/CSU] – Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/ CSU]: Genau das ist das Problem!)
An dieser Kohle, an dieser Grube und an diesem Kraftwerk hängen natürlich Hunderte von Mittelständlern, Hunderte von Lieferanten aus der Region, die jedes Jahr Produkte und Dienstleistungen im Umfang von mehreren 100 Millionen Euro an das Kraftwerk und die Grube liefern. Insofern: Strukturwandel ist okay. Es darf aber kein Bruch erfolgen. Er muss vielmehr gezielt angegangen werden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich werde Ihre Rede gerne einmal den Gewerkschaftern in der Region zur Verfügung stellen, damit sie wissen, wie Grüne denken.
(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wissen die! Da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen!)
Ihnen ist es scheißegal, was aus der Region wird; Hauptsache, Sie können Ihre große ökologische Karte ziehen.
Ich möchte noch einmal sagen: Bei dem Ziel, die 22 Millionen Tonnen CO 2 einzusparen – das ist ja offensichtlich –, spielt das Thema Wärme überhaupt keine Rolle mehr, weil man im Bundesrat bei der CO 2 -Gebäudesanierung einfach nicht weiterkommt. Morgen wird ja wieder ein Tag sein, an dem die Bundesländer bei der Abstimmung, die das Land Bayern beantragt hat, beweisen können, dass sie bei der CO 2 -Gebäudesanierung mitmachen. Klimaschutz ist nicht alleine eine Aufgabe der Bundesregierung, sondern Klimaschutz ist auch eine Aufgabe des gesamten Landes. Deswegen kann man nur sagen: Die Bundesländer können sich hier nicht überall herausziehen und sagen: Der Bund muss das bezahlen. – Insofern werden wir sehen, wie die morgige Abstimmung ausgeht – da können wir ja auch sehen, wie Herr Kretschmann als grüner Ministerpräsident reagiert –,und dann die Diskussion weiterführen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der hat keine Braunkohle!)
Die Kollegin Eva Bulling-Schröter hat für die Fraktion Die Linke das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4813736 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 97 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu Vorschlägen zur CO2-Reduzierung und Kraft-Wärme-Kopplung |