Alexander NeuDIE LINKE - Bundeswehreinsatz EUTM Somalia
Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Erlauben Sie mir zwei Anmerkungen, einmal zu Somalia und dann generell zum westlichen Antiterrorkampf und Staatsaufbaukonzept.
Erste Anmerkung. Das herrschende Regime in Mogadischu, soweit es überhaupt herrscht, ist autoritär und islamistisch geprägt. Die Scharia ist die erste Norm in der Verfassung. Sie steht also über den normalen staatlichen Gesetzen. Das ist weit entfernt von dem, was gerade gesagt wurde: Demokratisierung und Rechtsstaatlichkeit.
(Beifall bei der LINKEN)
Faktisch ist das Ziel der EUTM, ein islamistisches Regime gegen ein anderes, nämlich al-Schabab, in Stellung zu bringen und zu halten, gemäß dem Motto von Kissinger: Hauptsache es sind unsere Schweinehunde. Dieser unausgesprochene Ansatz ist nicht zielführend und kann nicht zielführend sein.
(Beifall bei der LINKEN)
Zweite Anmerkung. Das sicherheitspolitische Konzept des Westens bezüglich Antiterrorkampf und Staatsaufbau ist und bleibt zum Scheitern verurteilt, da lediglich Symptome bekämpft werden, häufig sogar neue Ursachen für Terrorismus durch die Symptombekämpfung geschaffen werden.
Ein Beispiel ist Somalia. Somalia ist ein Land, das mit am meisten unter dem US-Drohnenkrieg – ich sage auch: US-Drohnenterror – zu leiden hat. Nicht nur potenzielle Terroristen werden ohne juristische Grundlagen getötet, nein, die meisten Getöteten sind Zivilisten, das heißt Frauen, Kinder und Männer, die nichts mit Terrorismus zu tun haben. Die Menschenrechtsorganisation Reprieve hat kürzlich berechnet, dass weltweit auf einen getöteten Terroristen im Rahmen des US-Drohnenkrieges 28 getötete Zivilisten kommen, 1 : 28.
Die Vereinigung der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, IPPNW, veröffentlichte vor wenigen Tagen eine Studie mit dem Titel „Body Count“, frei übersetzt: Zahl der Getöteten. Demnach habe der US-geführte Antiterrorkrieg bereits über 1 Million Tote – das heißt, Kriegstote und Kriegsfolgetote – zu verantworten. Über 1 Million! Das, meine Damen und Herren, ist der Humus, auf dem weltweit neuer Terrorismus wächst. So kann man ihn aber nicht bekämpfen. Da können Sie so viele Staatsaufbauprojekte suggerieren, wie Sie wollen. Das wird nicht funktionieren.
(Beifall bei der LINKEN – Charles M. Huber [CDU/CSU]: Es bleibt die Frage nach den Alternativen!)
Was sagt die Bundesregierung dazu? Nun, sie könnte ja sagen, sie hätte keinen Einfluss auf den US-Antiterrorkrieg. Das ist falsch, zumindest mit Blick auf den Drohnenkrieg. Die US-Drohneneinsätze in asiatischen und afrikanischen Ländern laufen über US-Stützpunkte in Deutschland. Oder – um es anders, klarer auszudrücken –: Die USA könnten ihren Drohnenterror in afrikanischen und asiatischen Ländern nicht praktizieren, wenn die Bundesregierung endlich dafür Sorge tragen würde, dass die USA das deutsche Staatsgebiet nicht für ihre Kriegsführung missbrauchen.
(Beifall bei der LINKEN)
Wie reagiert die Bundesregierung auf den öffentlichen Druck, der derzeit wächst? Wie reagiert die Bundesregierung im Spagat zwischen Vasallentreue einerseits und Rechtsstaatlichkeitsgedanken andererseits?
(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Sie reagiert ähnlich wie im NSA-Skandal, den Edward Snowden aufgedeckt hat: Erst will sie davon nichts wissen. Dann entscheidet sie sich angesichts des wachsenden öffentlichen Drucks dazu, die USA doch einmal sanft zu fragen, ob an den Vorwürfen etwas dran sein könnte. Die USA antworten natürlich ebenso sanft, wie man es sich in Berlin erhofft: Nein, da ist nichts dran; das stimmt nicht. – In Berlin ist man mit dieser Aussage glücklich und zufrieden. Darauf, dass die USA es nicht immer ganz genau mit der Wahrheit nehmen, wenn es um Kriegspolitik geht, kommt die Bundesregierung nicht.
(Niels Annen [SPD]: Ist Ihnen das Thema dieser Debatte mitgeteilt worden?)
– Mir ist das Thema bekannt, und ich habe den Rahmen weit ausgedehnt.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Dementsprechend werden die Zusagen der USA, dass deutsches Territorium für den Drohnenkrieg nicht missbraucht wird, nicht weiter geprüft.
Fazit: Die deutsche Staatsräson ist: sich lieber mit US-Kriegsverbrechen gemein machen – unter der Decke natürlich –, als die internationale Rechtsordnung und Menschenrechte zu respektieren, wenn es um deutsch-amerikanische Beziehungen und deutsch-amerikanische Interessen geht. Das, sehr geehrte Damen und Herren, ist das Gegenteil einer verantwortungsvollen Außen- und Sicherheitspolitik. Das ist feige und heuchlerisch.
(Beifall bei der LINKEN – Henning Otte [CDU/CSU]: Oje, oje! – Stefan Rebmann [SPD]: Eine sehr selektive Wahrnehmung!)
Daher lehnt die Linke den Antrag auf Verlängerung von EUTM Somalia ebenso ab wie den Entschließungsantrag der Grünen, weil er ein falsches Konzept nur optimieren möchte.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der LINKEN – Henning Otte [CDU/CSU]: Wofür danken Sie denn? – Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Das war eine Rede für den Parteitag!)
Der Kollege Roderich Kiesewetter hat für die CDU/ CSU-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4809885 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 97 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz EUTM Somalia |