Matthäus StreblCDU/CSU - Sozial- und Erziehungsdienste
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten den Antrag der Fraktion Die Linke „Aufwertung der Sozial- und Erziehungsberufe jetzt“. Die Antragsteller greifen damit eine vor allem durch die Medien weitverbreitete Stimmung auf,
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Das ist eine Kampagne!)
nach der Sozial- und Erziehungsberufe nicht ihrer Bedeutung entsprechend entlohnt werden. Um es vorweg zu sagen: Wenn der Antrag in erster Linie höhere Entgelte für die Beschäftigten in den genannten Berufen zum Ziel haben sollte, wäre der Deutsche Bundestag der falsche Ort, um das zu diskutieren.
Lassen Sie mich zu Beginn folgende Feststellung treffen: Deutschland ist ein Sozialstaat wie kaum ein anderes Land. Dennoch gibt es natürlich Probleme, um die wir uns als Legislative kümmern müssen. In dem vorliegenden Antrag werden bessere Bezahlung, höhere Eingruppierung und zeitgemäße Tätigkeitsmerkmale gefordert. Sicherlich hätten vor allem die betroffenen Personen gegen die Umsetzung nichts einzuwenden. Die Beschäftigten, um die es geht, arbeiten in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, der Familienhilfe, der frühkindlichen Betreuung und in anderen sozialen Berufen. Rund 722 000 Menschen sind heute in den Sozial- und Erziehungsdiensten beschäftigt, und der Bedarf wird auch in den nächsten Jahren weiter ansteigen.
Einige weitere Zahlen möchte ich nennen, um die Dimensionen deutlich zu machen: 527 000 Menschen arbeiten in Kindertagesstätten, davon 180 000 in Einrichtungen öffentlicher Träger. Fast 355 000 von ihnen sind Erzieherinnen, die ihre Aufgaben unter teils schwierigen Bedingungen erfüllen. Allein hier gab es laut Statistischem Bundesamt seit 2008 einen Anstieg von 29 Prozent. Nicht immer im Blickfeld stehen die 37 000 Beschäftigten in der außerschulischen Jugendarbeit und die 65 000 im Heimbereich.
Angesichts der demografischen Entwicklung dürfte der Personalaufwuchs hier erst am Anfang stehen. Träger der Einrichtungen sind in der weitaus größten Zahl Kommunen und kirchliche Einrichtungen. Sie müssten die Kosten, die durch eine Umsetzung des Antrags entstehen würden, tragen. Das aber können sich angesichts der ohnehin angespannten Kassenlage viele nicht leisten. Der Bund scheidet als Finanzier aus, und die Zusatzkosten auf die Eltern abzuwälzen, wäre höchst unsozial.
Ungeachtet der zunehmenden Bedeutung der Sozial- und Erziehungsberufe und ihrer noch mangelnden gesellschaftlichen Anerkennung ist es nach meiner festen Überzeugung die Angelegenheit der Tarifpartner, für eine angemessene Bezahlung zu sorgen. Die Fraktion Die Linke entpuppt sich mit ihrem Antrag in gewisser Weise als „Trittbrettfahrer“ bei den laufenden Tarifverhandlungen.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Niemals!)
Im konkreten Fall mag das zulässig sein; denn bei den Tarifgesprächen geht es um eine deutliche Aufwertung der in den Sozial- und Erziehungsberufen geleisteten Arbeit. Aber wie gewohnt enthält auch dieser Antrag die bekannten Forderungen nach neuen Gesetzen und Verordnungen.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, nach weniger Gesetzen! Wir wollen die sachgrundlose Befristung doch abschaffen!)
Werte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte einen Blick zurück in die Geschichte des Parlaments werfen, weil das zu dieser Debatte passt. Ich habe nachgelesen: Der frühere Bundesratspräsident Kai-Uwe von Hassel – ja, so weit gehe ich zurück – hat 1955 seine Forderung nach Entbürokratisierung damit begründet, dass im Jahr zuvor 240 Gesetzentwürfe eingegangen waren.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das soll gestrichen werden!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine solche Zahl schafft die Fraktion Die Linke heute spielend allein.
(Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE]: Und das bei 64 Abgeordneten!)
Der Antrag spiegelt erneut das Denken wider, dass der Staat alles regeln müsse.
Ich bleibe bei meiner Überzeugung, dass die Aufwertung der Sozial- und Erziehungsdienste eine Angelegenheit der Tarifpartner ist.
(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Aber die haben noch nichts gegen Befristungen gemacht! Nichts!)
Bei den derzeitigen Verhandlungen geht es um eine Anhebung um durchschnittlich 10 Prozent. Das wird insbesondere durch die öffentlichen Träger nicht finanzierbar sein. Aber das ist eine Angelegenheit – darauf möchte ich zum Schluss noch einmal hinweisen –, die die Tarifpartner unter sich ausmachen müssen und die nicht in den Deutschen Bundestag gehört. Das muss und wird so bleiben. Deswegen lehnen wir diesen Antrag ab.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Dr. Matthias Bartke, SPD- Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4810073 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 97 |
Tagesordnungspunkt | Sozial- und Erziehungsdienste |