26.03.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 97 / Tagesordnungspunkt 7

Matthias BartkeSPD - Sozial- und Erziehungsdienste

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei Erziehungsberufen fällt den allermeisten von uns zuerst die eigene Kindergärtnerin ein oder, wie bei Frau Hiller- Ohm, die erste Lehrerin, Fräulein Peters – sehr schön. Bezeichnend ist, dass die meisten von uns dabei eine Frau vor Augen haben. Sozial- und Erziehungsberufe werden ganz überwiegend von Frauen ausgeübt. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Und ehrlich: Die wenigsten davon haben ihre Berechtigung.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Fakt ist aber: In Sozial- und Erziehungsberufen wird wertvolle Arbeit geleistet. Es geht uns allen besser, weil es diese Berufe gibt. Wir profitieren in den verschiedensten Lebensphasen von ihnen. Das können kurze und lange Phasen sein, zu Beginn, mittendrin oder am Ende unseres Lebens; manche sind vielleicht sogar ein Leben lang auf Hilfe angewiesen. Wenn wir uns diese Bedeutung vor Augen führen, wird schnell klar: Es kommt nicht darauf an, ob Mann oder Frau. Viel wichtiger sind gute Arbeitsbedingungen in diesen Jobs.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)

Nur gute Arbeitsbedingungen erlauben auch eine hohe Qualität. Wie gut kann ich meinen Job machen, wenn ich allein für zu viele Kinder verantwortlich bin? Wenn ich eine zweite Stelle annehmen muss, weil das Geld am Ende des Monats nicht reicht? Wenn ich immer wieder neu beginne, weil ich keinen unbefristeten Vertrag bekomme? Gute Arbeitsbedingungen in Sozial- und Erziehungsberufen liegen in Wahrheit in unser aller Interesse, damit wir bestmöglich davon profitieren können.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)

Gute Arbeitsbedingungen sind wir den vielen Frauen und den wenigen Männern in diesen Berufen auch schuldig, weil sie tagtäglich einen wertvollen Beitrag leisten. Leider sind die Arbeitsverhältnisse in der Erziehungs- und Sozialarbeit oft nicht gut. Viele Erzieherinnen arbeiten in Teilzeit, und das meist unfreiwillig. Frau Krellmann, ich stimme Ihnen ausdrücklich zu

(Beifall des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

in diesem Bereich: Wäre Erzieher wirklich ein Männerberuf, die Arbeitsbedingungen und die Löhne wären bestimmt viel besser.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Dann müssen Sie eine Männerquote anheben!)

Meine Damen und Herren von der Linken, Sie sehen: Sympathie für Ihren Antrag ist durchaus vorhanden. Wenn Sie aber gleich als Erstes eine Veränderung im Bereich der Leiharbeit und der Werkverträge fordern, so hat mich das dann doch einigermaßen irritiert. Ich sage Ihnen etwas: Die Sozial- und Erziehungsberufe haben wirklich viele Probleme; dass dort zu viele Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer eingesetzt würden, ist aber gerade nicht das Problem.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Pia Zimmermann [DIE LINKE]: Für Sie nicht!)

Aber sei’s drum: Im Koalitionsvertrag hat sich die GroKo ganz grundsätzlich darauf geeinigt, dass wir den Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen verhindern wollen.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann mal los!)

Das ist auch richtig und wichtig. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die bestehenden Regelungen nicht ausreichen. Leiharbeit wird immer wieder missbraucht, um Arbeitskosten zu senken oder Mitbestimmungsrechte zu umgehen. Wir werden daher einen besseren gesetzlichen Schutz für die Leiharbeitnehmer durchsetzen. Wir haben deswegen im Koalitionsvertrag vereinbart: Spätestens nach neun Monaten müssen Leiharbeitnehmer wie das Stammpersonal bezahlt werden. Und: Leiharbeit soll vor allem wieder auf das beschränkt werden, wofür sie gedacht war: Auftragsspitzen zu bewältigen.

(Beifall der Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Herr Kollege Bartke, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Krellmann?

Ja, gerne.

Zu dem Thema „Leiharbeit und Werkverträge“: Der Antrag wurde geschrieben, als wir noch nicht die Antwort der Bundesregierung hatten, wie das an dieser Stelle aussieht. Auch weil wir einer Verlängerung der Zeit für die Beantwortung durch das Ministerium zugestimmt haben, haben wir natürlich erst jetzt erfahren, dass Leiharbeit und Werkverträge hier nicht das Ausmaß haben, wie wir ursprünglich angenommen haben. Akzeptieren Sie in diesem Zusammenhang, dass das der Teil unseres Antrages ist, der am wenigsten wichtig ist?

(Beifall bei der LINKEN)

Ich akzeptiere das, selbstverständlich. Aber das ist natürlich die erste Forderung, die Sie stellen; gestatten Sie mir, dass ich dann auch auf diese Forderung eingehe. Im Grundsatz ist die Forderung, Werkverträge und Leiharbeit vernünftig zu regulieren, natürlich richtig. Dass es im Bereich der Sozial- und Erziehungsberufe nun gerade nicht so ist, das nehme ich gerne zur Kenntnis.

Ich möchte fortfahren: Die Höchstüberlassungsdauer wird 18 Monate betragen. Leiharbeitnehmer sollen künftig auch nicht mehr als Streikbrecher eingesetzt werden können. Bei den Schwellenwerten des Betriebsverfassungsgesetzes sollen sie aber mitgezählt werden. Auf diese Weise werden wir ihre Rechte deutlich stärken.

Im Bereich der Leiharbeit – nicht bei den Sozial- und Erziehungsberufen – hat es am Ende der vergangenen Legislaturperiode schon einen tariflichen Mindestlohn gegeben. Dies führte in der Vergangenheit zu einem immer stärkeren Ausweichen auf die Rechtskonstruktion Werkvertragsarbeitnehmer. Diese Konstruktion wird jetzt verschärft genutzt, um den Mindestlohn zu umgehen. Die Beschäftigten bleiben unterbezahlt und ohne soziale Absicherung zurück. Unternehmen gelingt es viel zu häufig, die Arbeitsumstände so zu gestalten, dass der Missbrauch nur schwer feststellbar ist. Die Kriterien zur Unterscheidung zwischen Leiharbeit und Werkverträgen sind kompliziert. Für manche Unternehmen scheint das attraktiv: Lohneinsparungen winken, und das Risiko der Aufdeckung ist gering. Die Folgen davon tragen vor allem die Beschäftigten: Ihnen werden ihr Lohn und ihre Rechte vorenthalten.

Aber auch hier steuern wir gegen. Im Kampf gegen den Missbrauch von Werkverträgen werden wir die Mitwirkungs- und Informationsrechte der Betriebsräte ausweiten. Wir werden die Kontrolle von Scheinselbstständigkeit genauer regeln und bessere Prüfmöglichkeiten schaffen. Verdeckte Arbeitnehmerüberlassung wird künftig sanktioniert. Außerdem wollen wir den gesetzlichen Arbeitsschutz für Werkvertragsarbeitnehmer sicherstellen.

Meine Damen und Herren, noch in diesem Jahr werden wir das in Angriff nehmen. Diese Gesetze werden ein Meilenstein in der Stärkung der Arbeitnehmerrechte sein.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4810074
Wahlperiode 18
Sitzung 97
Tagesordnungspunkt Sozial- und Erziehungsdienste
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