Uwe FeilerCDU/CSU - Eigenmittelsystem der Europäischen Union
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste auf den Besuchertribünen! Der Eigenmittelbeschluss, über den wir heute abschließend beraten und dem wir heute zustimmen sollten, bestimmt die Finanzierungsquellen der EU und legt die Verteilung der finanziellen Lasten für den mehrjährigen Finanzrahmen 2014 bis 2020 auf die einzelnen Mitgliedstaaten fest. Die EU verfügt anders als die Mitgliedstaaten nicht über eigene Steuereinnahmen und ist daher auf die Mittelzuweisungen ihrer 28 Mitglieder angewiesen.
Die Eigenmittel sind Einnahmen, die zur Finanzierung des Gesamthaushaltes der EU bestimmt sind und ihr von Rechts wegen zustehen. Eine darüber hinausgehende Finanzierung, beispielsweise durch Anleihen oder gar eine Verschuldung, ist nicht vorgesehen. So ist es zwischen den Mitgliedstaaten vertraglich vereinbart.
Der EU stehen drei Kategorien von Eigenmitteln zur Verfügung, die ich nachfolgend als „Säulen“ bezeichnen möchte.
Die erste Säule mit circa 15 Prozent Anteil bilden die traditionellen Eigenmittel. Darunter verstehen wir die Zölle und Agrarabgaben. Diese Quelle bleibt in ihrer Struktur unverändert bestehen. Lediglich die Erhebungspauschale, die die Mitgliedstaaten für ihren Verwaltungsaufwand einbehalten können, verringert sich von 25 auf 20 Prozent.
Die zweite Säule in einer Höhe von circa 11 Prozent besteht aus einem Anteil an den Mehrwertsteuereinnahmen der Mitgliedstaaten. Die Berechnung erfolgt nach einem selbst für einen Finanzwissenschaftler komplizierten und wenig transparenten Verfahren. Deutschland, die Niederlande und Schweden als große Nettozahler erhalten hier einen Rabatt. Dieser beträgt für Deutschland rund 1 Milliarde Euro jährlich.
Die dritte Säule mit einem Anteil von circa 74 Prozent richtet sich nach dem Bruttonationaleinkommen der Mitgliedstaaten. Auch hier gibt es nach einem komplizierten Berechnungsverfahren Ausgleichsmechanismen für die Niederlande und Schweden und neu hinzugekommen auch für Dänemark und Österreich. Der Rabatt für das Vereinigte Königreich, der sogenannte Britenrabatt, bleibt unverändert bestehen.
Auch bei den Eigenmittelobergrenzen ergeben sich keine Veränderungen, sodass, in der Summe betrachtet, das bisherige Eigenmittelsystem – mit kleinen Modifizierungen – weiter Anwendung findet.
Deutschland wird im Jahr 2015 rund 32,3 Milliarden Euro und für die gesamte Finanzperiode 2014 bis 2020 rund 234 Milliarden Euro an den EU-Haushalt abführen.
Meine Damen und Herren, diese Zahlungen werden ausschließlich aus dem Bundeshaushalt bestritten. Bundesländer und Kommunen beteiligen sich hieran nicht, obwohl sie gleichermaßen vom Mittelrückfluss, der circa 50 Prozent der geleisteten Zahlungen beträgt, für von der EU geförderte Projekte profitieren. Das ist so gewollt; das ist auch gut so und hat sich in der Vergangenheit, wie vielerorts in Deutschland zu sehen ist, bewährt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Bei den immer lauter werdenden Rufen der Bundesländer nach mehr finanzieller Unterstützung seitens des Bundes sei dieser Hinweis jedoch gestattet, da unsere Länderkollegen diese Art der mittelbaren Finanzierung gerne unter den Tisch fallen lassen.
Das Eigenmittelsystem ist geprägt durch den Grundsatz der Einstimmigkeit. Das hat auf der einen Seite eine Vielzahl von Kompromissen in Form von Ausgleichsmechanismen und Rabatten zur Folge. Auf der anderen Seite steht aber ein von allen Mitgliedstaaten getragener Vorschlag, eine von allen getragene Lösung.
Seit Bestehen des Eigenmittelsystems gibt es Diskussionen über die Reformbedürftigkeit des Verfahrens. Aus diesen Diskussionen heraus hat sich das System aber stetig weiterentwickelt. So lässt sich für die Periode 2014 bis 2020 positiv anmerken, dass auf der Ausgabenseite eine stärkere Ausrichtung an der Europa-2020- Strategie erfolgte. Letztlich hat sich das System auch in Zeiten von Krisen bewährt. Ich verweise hier auf die vergangene Periode 2007 bis 2013, in der wir eine Finanz- und Wirtschaftskrise zu bewältigen hatten.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Dennoch wird seitens der europäischen Institutionen und vieler Experten ein weiterer Reformbedarf gesehen. Die nunmehr eingesetzte hochrangige Gruppe „Eigenmittel“ soll geeignete Reformvorschläge erarbeiten und entsprechend zur Diskussion stellen.
Meine Damen und Herren, die Frage nach der Reformbedürftigkeit des Systems lässt sich durchaus bejahen. Aber wie reformfähig ist es tatsächlich? Reformen und Änderungen jeder Art sind auch hier nur nach dem Prinzip der Einstimmigkeit möglich. Für mich lassen sich derartige Vorschläge nur in kleinen Schritten verwirklichen. Wenn ich am Ufer eines Sees stehe und an das gegenüberliegende Ufer möchte, mir aber das nötige Werkzeug für den Bau einer Brücke oder eines Floßes fehlt, muss ich den See umwandern. Der Weg ist zwar länger, ich benötige mehr Schritte, erreiche dennoch mein Ziel. Ähnlich verhält es sich in meinen Augen mit der Reformfähigkeit des Eigenmittelsystems.
Es herrscht weitgehend Einigkeit darüber – für mich gibt es hierzu keine Alternative –: Es kann keine Reform der Einnahmeseite ohne eine Reform der Ausgabenseite geben.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Dabei gilt es, die Juste-retour-Denkweise – also, was bekomme ich von meinen eingezahlten Mitteln wieder zurück – zu verlassen
(Beifall der Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE] und Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])
und den Fokus auf eine Politik zu richten, die die gesamteuropäischen Interessen vertritt. Beispiele können hier eine gemeinsame Flüchtlings- und Asylpolitik oder eine noch stärkere gemeinsame Sicherheitspolitik bis hin zur Aufstellung einer europäischen Armee sein. Diese Liste lässt sich beliebig weiterführen.
Meine Damen und Herren, bei allen Reformen muss aber der europäische Mehrwert auf der Ausgabenseite deutlich im Vordergrund stehen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fragen Sie einmal den Landwirtschaftsminister!)
Haben wir letztlich dieses Mehr an Mehrwert, können wir auch über ein Mehr an Finanzautonomie bis hin zur Einführung einer EU-Steuer nachdenken und diskutieren.
Aber auch für eine EU-Steuer sehe ich nur das Prinzip der kleinen Schritte als erfolgversprechend an. Wünschenswert wäre sicherlich eine einheitliche Unternehmensteuer
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
mit einheitlichen Steuersätzen und einer einheitlichen Bemessungsgrundlage. Das würde Steuerdumping in den Mitgliedstaaten sicherlich verhindern. Aber für viele unserer Mitgliedstaaten wäre dieser Schritt zu groß.
Ich würde als ersten Schritt vielmehr eine Reform des Mehrwertsteuereigenmittelsystems ins Auge fassen. Mehr Transparenz, eine einfachere Berechnungsmethode und ein höherer Anteil zulasten der Mittel aus dem Bruttonationaleinkommen könnten hier eine Diskussionsgrundlage sein.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Dann fallen aber die Rabatte weg!)
Meine Damen und Herren, die große Herausforderung besteht aber darin, einerseits dem europäischen Gedanken gerecht zu werden, das Eigenmittelsystem optimal zu reformieren, und andererseits dafür zu sorgen, dass die Interessen der deutschen Steuerzahler, denen gegenüber wir verantwortlich sind, bei der gerechten Lastenverteilung angemessen berücksichtigt werden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Meine Fraktion begrüßt die vorliegende Beschlussempfehlung und wird dem Gesetzentwurf zustimmen. Das Eigenmittelsystem hat sich bewährt. Es ist effektiv und stabil. Es geht vorwiegend um die Verteilung der finanziellen Lasten zwischen 28 Mitgliedstaaten. Es ist deswegen nicht einfach, das ganze System von heute auf morgen zu verändern. Eine Veränderung kann deswegen nur in kleinen Schritten vorangetrieben werden.
Ich freue mich auf die Debatten dazu und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vielen Dank. – Der Kollege Dr. Diether Dehm spricht jetzt für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4810147 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 97 |
Tagesordnungspunkt | Eigenmittelsystem der Europäischen Union |