26.03.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 97 / Tagesordnungspunkt 8

Christian PetrySPD - Eigenmittelsystem der Europäischen Union

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Europa braucht Visionen. Europa braucht keine technokratische Diskussion, Europa braucht Visionen auf dem Weg in ein soziales Europa, in ein Europa des Miteinanders, in ein Europa des Austausches. Dafür braucht Europa natürlich ausreichend Geld.

Wir reden heute über den Beschluss des Rates der EU über die Eigenmittel vom Mai 2014 und über den Planungszeitraum von 2014 bis 2020. Die EU-Eigenmittel speisen sich aus Zoll- und Mehrwertsteuereinnahmen sowie anteilig aus den Bruttonationaleinkommen der Mitgliedstaaten. Dazu gibt es eine sehr komplizierte Berechnung. Ein Blick in das Gesetz ist wirklich sehr interessant. Die Formeln, die dort aufgeführt sind, sind nachvollziehbar, aber wirklich nicht einfach. Ich sage das als jemand, der einmal Mathematik studiert hat. Ich kenne das aus Lehrbüchern. So kompliziert müsste es eigentlich nicht sein. Deutschland hat 31 Milliarden Euro für 2014 und nach den Berechnungen des BMF 35 Milliarden Euro im Jahr 2020 zu zahlen.

Wichtig ist auch, dass die Überschrift über dem EU- Haushalt nun „Intelligentes und integratives Wachstum“ lautet und die Mittel für die Schwerpunkte früherer Jahre – ich nenne zum Beispiel die Agrarförderung, den Ausgleich und die Austerität – etwas zurückgehen, es hin zu mehr Investitionen und zur Angleichung der Lebensverhältnisse in Europa geht. Die Eigenmittelausstattung – das ist schon ein paarmal genannt worden – ist für viele Regionen in Europa natürlich segensreich, was die Förderung der Projekte angeht. Sie muss grundsätzlich diskutiert werden; das ist hier schon genannt worden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist richtig, dass das System zu kompliziert ist, dass das Einstimmigkeitsprinzip etwas hinderlich sein kann und dass quasi eine Unabhängigkeit der Finanzierung nicht gewährleistet ist. Vorschläge werden schon lange diskutiert. Bereits 2005 hat der Europäische Rat eine Evaluierung dieses Systems beschlossen. Die sogenannte Monti-Gruppe hat ihre Arbeit aufgenommen, einen Zwischenbericht vorgelegt und bekannte Schwachstellen des Eigenmittelsystems angesprochen. Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass wir hierüber auch in unseren parlamentarischen Gremien sehr ausführlich diskutieren.

Das ist wichtig; denn Europa braucht Visionen. Wir brauchen einen stärkeren Konsens der Staats- und Regierungschefs – dies wird immer schwieriger –, und wir brauchen positive Signale für Europa, auch aus dem Parlament heraus. Ich will einmal ein Beispiel dafür nennen, was kein positives Signal wird. Die morgige Debatte um die Maut wird mit Sicherheit kein positives Signal für Europa werden. Viele Sozialdemokraten werden zustimmen, obwohl sie eigentlich nicht viel davon halten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich wünsche mir, dass es im Parlament viel mehr positive Diskussionen über Europa gibt.

Eine Vision ist die Erweiterung Europas. Eine Vision ist, dass wir Europa größer machen. Es gibt weiße Flecken im mittleren Balkan. Die Staaten dort müssen den Weg nach Europa finden. Da müssen wir helfen und unterstützen. Ich nenne Moldau und Georgien. Es gibt dort beitrittswillige Länder. Die Türkei ist weiterhin ein Thema, auch wenn der Beitritt heute – vermeintlich – noch in weiter Ferne liegt. Diese Visionen brauchen wir.

Dafür braucht Europa eine ausreichende und vor allem unabhängigere Ausstattung mit finanziellen Mitteln. Kollege Dehm hat es gesagt: Natürlich muss man auch über das Miteinander und die Konstruktion Europas reden dürfen und das weiterentwickeln dürfen. Das Ziel der Vereinigten Staaten von Europa, eine echte Sozialunion, eine Europäische Union, die die Menschen mitnimmt, das ist der Anspruch, den wir an uns selber haben müssen. Es geht um ein friedenschaffendes Europa, eine Konstruktion, die wir hier aufbauen und mit unterstützen können. In diesem Sinne sind die positiven Visionen in Europa zu sehen.

Zum Gesetzentwurf. Ich persönlich würde mich natürlich sehr freuen, wenn wir bereits beim nächsten Finanzrahmen eine unabhängige Finanzierungsquelle hätten, eigene Steuern der EU zum Beispiel, und die Anpassung der Steuersysteme. Herr Kollege Radwan, ich habe es nicht so verstanden, dass wir unsere Steuerhoheit abschaffen wollen; die soll es weiterhin geben. Es geht darum, dass wir eine zusätzliche Finanzierungsmöglichkeit, eine neue Steuerhoheit bei der EU kreieren wollen, die allgemein akzeptiert ist. Das sollte man nicht vermengen und nicht gegeneinander ausspielen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Vision eines sozialen Europas soll uns treiben. Die Eigenmittelausstattung werden wir beschließen. Bis 2020 ist das in trockenen Tüchern. Wir sollten uns sehr rasch daranmachen, das System zu modernisieren und letztlich für ein modernes, soziales und friedliches Europa zu sichern.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Glück auf!


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4810214
Wahlperiode 18
Sitzung 97
Tagesordnungspunkt Eigenmittelsystem der Europäischen Union
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