Sylvia Kotting-UhlDIE GRÜNEN - Subventionen für Atomkraftwerke in der EU
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir müssen die Debatte natürlich im Kontext der EU-Energieunion führen. Ein wesentlicher Bestandteil dieser vorgelegten Strategie ist ja die Nutzung der Atomenergie. Der zuständige Kommissar hat schon angekündigt, dass er noch in diesem Jahr einen – ich zitiere – „illustrativen Ausbauplan“ für AKWs in Europa vorlegen will. Das heißt, schon heute ist klar, dass die Bewilligung dieser höchst umstrittenen Beihilfen für das AKW-Projekt in Großbritannien der Wegweiser für weitere Atomprojekte in anderen Mitgliedstaaten sein wird, wenn dieser energie- und wettbewerbspolitische Irrsinn nicht noch gestoppt wird.
Die Beihilfebewilligung ist der Einstieg in eine europäische Subventionspolitik für Atomenergie. Schauen wir uns die Subvention noch einmal kurz an. Der Contract for Difference legt fest: 12,8 Cent pro Kilowattstunde inklusive Inflationsausgleich. Die Financial Times hat übrigens inzwischen errechnet, dass das heißt, dass diese Umlage bis zu den 2050er-Jahren auf 35 Cent pro Kilowattstunde ansteigen wird, also dann, wenn die erneuerbaren Energien längst unschlagbar billig geworden sind.
Dazu kommen eine Kreditbürgschaft der britischen Regierung und eine großzügige Bewertung späterer Rückbaukosten. Dazu kommt, dass es keine Ausschreibung gab. Es kommt auch noch eine Garantie für den Fall eines politisch begründeten sogenannten Shutdown dazu. Das heißt, auch ein Atomausstieg muss – das wird schon festgelegt – entschädigt werden. Das mag zukünftige Regierungen in Großbritannien durchaus von einem Atomausstiegsbeschluss abhalten.
Der Erzeugermarkt wird durch Subventionen von Atomstrom geschädigt. Denn anders als beim EEG, das degressiv angelegt ist und dazu da war, eine neue Technologie in den Markt einzuführen, geht es hier um eine Technologie die sechs Jahrzehnte alt ist und offensichtlich immer noch nicht oder nicht mehr in der Lage ist, sich selbst finanziell zu tragen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Welches Bild gibt Deutschland ab? Das energiepolitische Gesicht Deutschlands in der EU: Man stimmt zu; die Bundesregierung nimmt hin, keine Klage, keine öffentliche Äußerung, die das entschieden mit dem Ausdruck höchster Empörung – so würde ich das erwarten – zurückweist. – Das heißt, Sie drücken sich. Das Ausstiegsland Deutschland drückt sich. Die Frage ist: Warum? Vielleicht glauben Sie, dass Sie zu Dankbarkeit verpflichtet sind, weil die EU-Kommission bei den übersteigerten Ausnahmen für die Industrie bei der EEG- Umlage die Füße stillgehalten hat. Vielleicht denken Sie, dass Sie als Gegenleistung jetzt besser hier die Füße stillhalten.
(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So sieht der Deal aus!)
Oder Sie drücken sich, weil, wie Sie selbst sagen, eine Klage nicht hinreichend erfolgreich wäre. Da kann ich nur sagen: So what? Lohnt das den Kampf nicht?
Aber es stellt sich auch die Frage, ob Sie mit dieser Begründung recht haben. Das Wirtschaftsministerium kommt zu der Einsicht, die Erfolgsaussichten einer Klage seien nach vorliegenden Erkenntnissen eher gering, da die Tatbestandsmerkmale einer Beihilfe gemäß Artikel 107 AEUV von der Europäischen Kommission geprüft wurden. Darauf haben ja auch Sie, Frau Lanzinger, Bezug genommen. Schauen wir uns den Artikel einmal genau an. Bezug genommen hat die Kommission auf Artikel 107 des Vertrages über die Arbeitsweise der EU. In Absatz 3 b steht wörtlich:
Ja, hallo! Hier liegt kein gemeinschaftliches Interesse vor. Ein AKW-Bau in der EU liegt nicht im Interesse Österreichs, er liegt nicht im Interesse Luxemburgs, und er sollte nicht im Interesse Deutschlands liegen. Es liegt auch keine Marktstörung vor. Sie wird durch diese Subventionierung ja erst herbeigeführt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Frage ist, was das Wirtschaftsministerium da geprüft hat!)
Das Fazit lautet: Beihilfen sollen Marktversagen korrigieren und nicht produzieren. Deutschland sollte für einen europäischen Atomausstieg arbeiten und nicht mit Schweigen und Stillhalten den Einstieg in eine EU-Subventionspolitik für die Atomkraft unterstützen. Unser Antrag gibt Ihnen dazu die Chance.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Als letzter Rednerin in dieser Aussprache erteile ich das Wort der Abgeordneten Dr. Nina Scheer, SPD- Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4810568 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 97 |
Tagesordnungspunkt | Subventionen für Atomkraftwerke in der EU |