26.03.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 97 / Tagesordnungspunkt 13

Karl-Heinz BrunnerSPD - Nukleare Abrüstung

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Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Ich sage ganz klar: Atomwaffen braucht kein Mensch. Sie schaffen weder Vertrauen noch Sicherheit.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

– Schön, dass die Linken klatschen. – Frank-Walter Steinmeier hat es auf den Punkt gebracht: Global Zero ist mehr als eine Vision; das ist eine Notwendigkeit. Eine Welt frei von Atomwaffen darf verdammt noch einmal keine wolkenhafte Utopie bleiben; sie ist Verpflichtung für uns und für alle Unterzeichner des Nichtverbreitungsvertrags. Gerade deswegen muss die kommende Überprüfungskonferenz in New York gelingen. Ein Scheitern hätte schwerwiegende Folgen, nicht nur für den nuklearen Abrüstungs- und Rüstungskontrollprozess selbst; es geht auch um die Glaubwürdigkeit der Atommächte.

Wissen Sie, meine Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren: Wir haben zwar ein Netz von vertrauensbildenden, stabilisierenden Abrüstungsverträgen; das ist jedoch ein Netz, dessen Maschen immer weiter und durchlässiger werden. Manchmal möchte ich gar meinen, dass dieses Netz sogar in Vergessenheit geraten ist. Daher gilt an dieser Stelle besonderer Dank Frank-Walter Steinmeier für seinen unermüdlichen Einsatz; denn er und das Auswärtige Amt unterstützen die Bemühungen des Finnen Jaakko Laajava, doch noch die Konferenz über eine massenvernichtungswaffenfreie Zone im Mittleren Osten zustande zu bringen. Gerade jetzt, bei all den Krisen, wäre es nämlich verantwortungslos, Sicherheit allein zu sehen und dabei Abrüstung und Rüstungskontrolle zu vernachlässigen.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Julia Obermeier [CDU/CSU])

Um allerdings neue Dynamik in die Sache zu bringen, bedürfte es einer Fülle von Maßnahmen. Würde ich jedoch den gesamten Handlungsbedarf und alle Probleme aufzählen, könnte manch einer vielleicht vor Angst blass werden. Daher heute nur einige Punkte, Hinweise und Anmerkungen, welche mir persönlich wichtig erscheinen.

Erstens. Wir brauchen eine Erweiterung der Rüstungskontrolle für Kleinwaffen.

(Beifall bei der SPD)

Sie ist ein wesentliches Element von Krisenprävention und Terrorbekämpfung. Kleinwaffen und leichte Waffen verursachen mehr Opfer als jede andere Waffenart. Man schätzt, dass durch die rund 875 Millionen Stück im Umlauf jedes Jahr eine halbe Million Menschen getötet werden. Ehrlich gesagt: Ich empfand es letztes Jahr, als Kleinwaffen deutscher Hersteller in Südamerika ohne Exportgenehmigung auftauchten, als Schande.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie kann es sein, dass vertragliche Zusagen zur Endverbleibskontrolle unterlaufen werden, sodass nicht mehr genutzte Waffen relativ leicht von den USA nach Kolumbien gelangen? Ja, mit dem ATT-Vertrag wurde Transparenz geschaffen, und die Exportkontrollen wurden verbessert. Aber es braucht auch ein weiterführendes Gesamtkonzept der vielen Einzelmaßnahmen. Ja, es macht mich persönlich wütend, wenn ich in der deutschen Rüstungsindustrie immer nur Jammern höre, weil bei Exportgenehmigungen durch Sigmar Gabriel endlich hingeschaut wird.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Zweitens. Wann, wenn nicht jetzt, brauchen wir eine reibungslose Umsetzung der Vertrags über den Offenen Himmel von 1992? Open Skies ermöglicht ungehinderte Beobachtungsflüge in den Hoheitsgebieten der Vertragsstaaten. Dies erfolgt, dies funktioniert, dies ist ein Erfolgsprojekt. Open Skies ist der einzige multilaterale Vertrag, der wirklich funktioniert. Er ist die Plattform, um auch und gerade mit Russland weiter kommunizieren zu können. Er kann aber auch die Brücke sein, die zu beschreiten wir Russland anbieten wollen. Deshalb, meine Damen und Herren, sind wir mehr als optimistisch, dass wir bald, so wie im Koalitionsvertrag vereinbart, wieder mit einem eigenen, einem modernen Flugzeug dabei sind, wenn es darum geht, Open Skies zu unterstützen.

(Beifall bei der SPD)

Daran mit Vorrang zu arbeiten, das ist unsere Aufgabe, und das ist gut so.

Drittens: die verbale Aufrüstung. Ich war in der Vergangenheit nie Teil einer sich an Schienengleise ankettenden Friedensbewegung; das Engagement der Menschen in Ehren. Ich glaube auch nicht, dass sich die Lehren und die Rhetorik des Kalten Krieges im Guten und im Schlechten auf heutige Situationen anwenden lassen. Wir haben es mit einer Vielzahl von Krisen zu tun, und dies unter ganz anderen Vorzeichen. Für mich heißt „Abrüstung“ übersetzt nicht banal „weniger Militär“. Die Formel muss vielmehr heißen: Das Richtige wollen, und dies richtig tun. – Das heißt: infrage stellen, Rüstungsexporte von Fall zu Fall prüfen. Das heißt: ehrlich und beharrlich die Chancen suchen, diese Welt sicherer zu machen. Zusammen mit der Rüstungskontrolle heißt das: Vertrauen schaffen.

Was mich in letzter Zeit besonders beunruhigt, hat vielleicht nicht unmittelbar mit Abrüstungspolitik oder Rüstungskontrolle zu tun. Es ist die verbale Aufrüstung, die viel Vertrauen im Keim zerstört. Feindbilder in der Gesellschaft werden geschürt. Empörungen gegen einzelne Menschen wachsen. Verschwörungstheorien gegen die Politik werden beliebt.

Da ist Russland, das ohne erkennbare Not Dänemark einen Atomschlag androht – Dänemark, ein Land, das neben Island für mich und sicherlich für alle eines der friedliebendsten Länder dieser Welt ist. Da ist Russland, das den Konflikt sucht, um von eigenen Problemen abzulenken. Es konstruiert Bedrohungen, beschäftigt ganze Behörden in Moskau und Sankt Petersburg, die das öffentliche Bild des Landes schönreden und den vermeintlichen Feind scharfzeichnen. Aber da ist zum anderen auch das US-Repräsentantenhaus, das Waffenlieferungen in die Ukraine fordert. Sie sagen, sie wollten Frieden schaffen. Ich sage: Wenn sie das tun, kommt Putin und schafft noch mehr von seinem Frieden. – Aber da ist auch unser enger Freund Frankreich, der seine Atomwaffen weiterhin öffentlich als geeignete Abschreckungswaffe preist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es geht um internationale Verantwortung. Dieses verbale Wettrüsten muss ein Ende haben. Frank-Walter Steinmeier macht diesen Dialog vor: beharrlich in der Sache, auf Augenhöhe und vor allen Dingen mit viel Geduld. Wir werden damit nicht Putin auf den Boden zurückholen – der ist in seiner eigenen Welt –; aber wir und unsere Bündnispartner müssen in unserem eigenen Interesse den sachlichen Dialog suchen.

Eigentlich bräuchten wir alle eine Zeit der Ruhe, der Besinnung, eine Zeit des Denkens, weniger des Redens; denn wenn wir es nicht schaffen, die Rhetorik herunterzufahren, wächst die Gefahr, dass aus diesen wilden Visionen eine neue Realität wird. Daher fordere ich: Aus, Schluss und vorbei mit verbaler Aufrüstung! Mehr Dialog, mehr internationale Verantwortung, mehr Pflichtbewusstsein gegenüber Verträgen und mehr Gelassenheit in öffentlichen Debatten!

Vielen herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit und vielen Dank, dass ich kurz überziehen durfte, Herr Präsident.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Inge Höger, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4812516
Wahlperiode 18
Sitzung 97
Tagesordnungspunkt Nukleare Abrüstung
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