26.03.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 97 / Tagesordnungspunkt 13

Jürgen TrittinDIE GRÜNEN - Nukleare Abrüstung

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir waren in diesem Haus schon einmal weiter. Vor fünf Jahren haben CDU/CSU, SPD, die damals noch existierende FDP, die sich heute gefallen lassen muss, von Frau Höger gelobt zu werden,

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

und die Grünen einen Antrag für eine Welt frei von Atomwaffen verabschiedet. Damals war es möglich, einen parteiübergreifenden Konsens in dieser Frage zu erzielen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun stellen wir fest: Das ist vorbei; den Konsens für die atomwaffenfreie Welt gibt es nicht mehr. Sie haben sich – Herr Müller hat das gerade gezeigt – von diesem Konsens verabschiedet. Was das Handeln angeht – nicht Ihre Rede, Herr Brunner –, gilt das auch für die SPD.

Wir wollen an diesem Konsens festhalten, auch in schwierigen Zeiten. Damals war es einfach, zu diesem Konsens zu stehen. Es war der Zeitpunkt, wo Barack Obama einen Neustart der US-russischen Beziehungen wollte – übrigens das Gegenteil der von Putin behaupteten Einkreisungspolitik. Es gab eine neue Vereinbarung zur Begrenzung strategischer Waffen. Aber diese ist unter die Räder gekommen, weil wir auf der Basis des Bruchs international gültiger Abrüstungsabkommen – das ist das Budapester Memorandum gewesen – in Europa in eine neue Situation geschlittert sind. Die Frage ist doch nur: Reagieren wir wie sie und vergelten Gleiches mit Gleichem? Bewegen wir uns also in der Spirale der gegenseitigen Aufrüstung? Oder zerstören wir die Erzählung, das Narrativ, von Putin? Was hindert uns zum Beispiel daran, nach erfolgten Verhandlungen mit dem Iran zu sagen: „Wir brauchen keinen Raketenabwehrschirm“?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Was hindert uns daran, zu sagen: „Sie mögen mit absurden Äußerungen gegenüber Dänemark das Klima in Europa versauen, lieber Herr Putin, aber wir verabschieden uns von der Lüge der Sicherheit durch Abschreckung“? Das wäre doch eine vernünftige Reaktion, zumal wir alle wissen, dass zur Bewältigung moderner Gefahren, der Kriege und Krisen, Atomwaffen überhaupt nicht beitragen können. Die meisten Kriege sind asymmetrisch: zerfallende Staaten und Terrornetzwerke, Ungleichheit, Korruption, Klimawandel, Dürre. Gegen all das hilft kein einziger nuklearer Sprengkopf. Ein einziger würde ausreichen, die Region von Norditalien bis Tschechien und Österreich komplett zu verwüsten. Es hilft also nicht, daran festzuhalten.

Interessanterweise teilt auch die Bundesregierung die Einschätzung von den fatalen ökologischen und humanitären Folgen vom Einsatz von Atomwaffen; sie hat an der Konferenz in Wien teilgenommen. Dennoch lagern bis heute in der Vulkaneifel 20 einsatzfähige Bomben. Jeden Morgen steigen deutsche Piloten auf und üben, diese Atombomben abzuwerfen. Als die SPD noch in der Opposition war, wollte sie die abziehen. Jetzt hat die Große Koalition, die Bundesregierung, nicht einmal mehr den Mut, die Erklärung der Humanitären Initiative zu unterschreiben, wonach der Einsatz von Atomwaffen – ich zitiere – „under any circumstances“, also unter allen möglichen Umständen, auszuschließen ist. 155 Staaten haben das unterschrieben. Aber Sie behaupten, das sei mit der NATO-Mitgliedschaft nicht vereinbar. Tatsache ist: Norwegen, Dänemark und Island, alles NATO- Mitglieder, haben diese Erklärung unterschrieben. Was hindert Sie, Herr Roth, was hindert die Bundesregierung daran, diese Erklärung zu unterschreiben? Ich finde, das kann nur politische Feigheit sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Hier sollen die Atomwaffen nicht nur nicht abgezogen, sondern sogar modernisiert werden. Das ist absurd; das ist feige.

Ich zitiere: Das Ziel von Global Zero ist keine Spielwiese für Utopisten; denn diese Waffen sind heute militärisch obsolet. – So Frank-Walter Steinmeier. Herr Steinmeier hat recht; aber dann handeln Sie auch danach. Machen Sie den Weg frei für ein atomwaffenfreies Deutschland! Sorgen Sie für den Abzug der nuklearen Teilhabe! Sorgen Sie dafür, dass diese Waffen nicht modernisiert werden!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Die Bitte kommt etwas spät; aber es wäre gut, wenn die Redner bei der Äußerung ihrer wichtigen Gedanken zwischendurch auch auf die Uhr schauen würden und nicht nur auf das Redemanuskript. Wir haben das jetzt akzeptiert. Aber prinzipiell diente dies der allgemeinen Fairness. Die meisten nehmen sich den Höhepunkt für den Schluss vor und verlegen den Schluss an das Ende der Redezeit, genauer gesagt: dahinter. Dann sind wir bei der Gewissensfrage, ob wir den schönen Gedankengang unterbrechen. Wir haben ihn jetzt fließen lassen; aber es wäre trotzdem fair, beim nächsten Mal die Redezeit einzuhalten.

Als letzter Rednerin in dieser Aussprache gebe ich das Wort der Abgeordneten Julia Obermeier, CDU/CSU- Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4812605
Wahlperiode 18
Sitzung 97
Tagesordnungspunkt Nukleare Abrüstung
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