Sebastian HartmannSPD - Bundesfernstraßenmautgesetz
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich nehme einmal an, Herr Kollege, dass sich das Angebot auf das heutige Mautgesetz bezogen hat und nicht auf das morgige.
(Heiterkeit bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Okay, gut.
Wir konzentrieren uns jetzt heute auf heute; morgen ist ja auch noch ein Tag. Tatsächlich ist das verkehrspolitisch eine bewegende Woche, wenn wir an den Ausschuss denken und an das, was in Europa passiert ist; das ist für uns Verkehrspolitikerinnen und Verkehrspolitiker und alle hier im Hause auch nicht einfach.
Aber heute Abend sprechen wir über die Lkw-Maut, und ich möchte mich bei den Ausführungen auch wirklich auf das Gesetz und unsere Perspektive, die wir in dieses Gesetz hineinbringen, konzentrieren. Tatsächlich – Sie haben es ausgeführt, Frau Staatssekretärin –: Es geht um die Vertiefung und die Verbreiterung der Bemautung unserer Straßen. Das ist im Koalitionsvertrag ausgeführt, wir haben es vereinbart. Auf der anderen Seite gleichen wir auch Mindereinnahmen aus, die daher kommen, dass wir den europäischen Rechtsrahmen ausschöpfen müssen. Da geht es auch um Kapitalkosten und Zinskosten. Wir müssen in einer Wegekostenrechnung auch die Kosten entsprechend nachweisen.
Wir gehen heute Abend einen Schritt, um insgesamt die Finanzierung unserer Verkehrsinfrastruktur mit 380 Millionen Euro – das ist nicht wenig Geld – an jährlichen Mehreinnahmen zu verstärken. Mehr Einnahmen bedeutet: eine bessere und leistungsfähigere Infrastruktur. Wir gehen einen weiteren Schritt weg von der Haushaltsfinanzierung hin zu einer stärkeren Nutzerfinanzierung, folgen damit einem europäischen Trend.
Aber lassen Sie uns doch einen Ausblick wagen. Wir gehen als Große Koalition weit über das hinaus, was wir heute Abend beschließen. Wir haben deutlich gemacht, wie die Perspektive des zukünftigen Mautsystems aussehen soll. Wir werden uns verabschieden müssen von bestimmten Systematiken, die wir bislang zur Grundlage der Bemautung gemacht haben. Das simple Zählen von Achsen wird nicht mehr ausreichen, um Gewichte ausreichend abzubilden. Man muss sich vor Augen führen, dass die Achsklasse der Vierachser im Moment Gespanne von 7,5 Tonnen bis zu 38 Tonnen unfasst; da fehlt nicht mehr viel zu Fünfachsern mit bis zu 40 Tonnen.
(Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Steht davon etwas im Gesetzentwurf? Nichts!)
Die Staatssekretärin ist auf die Anhörung eingegangen. Wir nehmen die Hinweise des Gewerbes ernst. Wir nehmen die Hinweise der Speditionen ernst. Wir danken auch für die wichtigen Hinweise, die wir von den Sachverständigen erhalten haben, auch durch die Stellungnahmen. Es ist wichtig, dass wir anerkennen, dass es eine Achsklassenproblematik gibt, und dass wir Ergebnisse aus der bisherigen Bemautung und ihrer Kontrolle in die zukünftige Fortentwicklung des Systems einfließen lassen und dieses System erweitern und ihm eine Perspektive geben, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Die Härten, dass wir nach der bisherigen Systematik das Gewicht anhand der Achsen nicht eindeutig abbilden können, erkennen wir an. Wir zeigen mit unserem Entschließungsantrag auf, dass wir uns bei der Anlastung der Infrastrukturkosten zukünftig viel deutlicher am tatsächlich auf die Straße gebrachten Gewicht orientieren wollen; denn wir müssen den tatsächlichen Verschleiß, den Verbrauch unserer Infrastruktur abbilden und genau das bemauten.
Weil wir das in der bisherigen Systematik nicht so einfach können – wir können nicht eine Vollbremsung einlegen und das System von jetzt auf gleich umschalten –, ist es wichtig, dass wir dem Gewerbe ausreichend früh die Perspektiven aufzeigen. Damit erreichen wir zwei Dinge: Einerseits vermeiden wir eine kurzfristige Umstellung des Fuhrparks, wie sie drohte, wenn jetzt ein falscher Anreiz geschaffen würde, beispielsweise von fünf auf vier Achsen umzustellen; denn es wird sich nicht lohnen, den Fuhrpark für eine Übergangszeit umzustellen. Andererseits zeigen wir auf, dass wir uns näher am Gewicht orientieren wollen.
Eine zweite Erkenntnis konnten wir ebenso aus der Anhörung der Sachverständigen entnehmen. Wir blicken auf eine erfolgreiche Bemautung unserer Bundesfernstraßen, der Bundesautobahnen und der Bundesstraßen zurück. Für die Freunde der Statistik: Wenn zu 1 200 Kilometern Bundesstraße, die bemautet werden, weitere 1 100 Kilometer Bundesstraße hinzukommen, was wir heute beschließen, dann zeigt das die Perspektive auf: dass wir demnächst alle Bundesstraßen einbeziehen müssen. Das ist ein Vielfaches der jetzt angestrebten Verdopplung der bemauteten Kilometer Bundesstraßen. Das ist ein Ziel, das wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben, und wir zeigen auch den Weg auf: dass wir zur Mitte des nächsten Jahres mit einem eigenen Gesetzentwurf klarmachen werden, wie es mit der Bemautung unserer Straßen weitergeht. Der verbindliche Zeitplan wird erweitert.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Und nicht nur das: Wir haben in der Sachverständigenanhörung auch die Erfahrung gesammelt, dass die Trennung in Mautkontrolldienst und Straßenkontrolldienst eine willkürliche Trennung ist, die aber aus haushalterischen Gründen notwendig ist. Wir wollen den Personaleinsatz zukünftig flexibilisieren, wenn das Geld im Mautkreislauf rechtssicher angelastet werden kann. Das eröffnet nicht nur eine effizientere Kontrolle unserer Straßen, sondern eröffnet auch den Kolleginnen und Kollegen im BAG – das ist für sie sehr wichtig – ganz neue Perspektiven. Wir nehmen die Hinweise des Präsidenten des BAG, für die ich mich ausdrücklich bedanken möchte, sehr ernst und sagen ihm zu, dass wir diesen Weg weitergehen wollen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Ein weiterer Gedanke ist: Wenn wir das System erweitern, dann wollen wir das auch durch die Verknüpfung des einen Verkehrsträgers mit den digitalisierten Möglichkeiten der Zukunft tun. Wenn wir über intelligente Netze sprechen, dann müssen wir die Daten, die wir durch das Lkw-Mautsystem gewinnen, nutzbar machen, und zwar anonym, nicht einer Person zuordbar, nicht für andere Zwecke, sondern gemäß dem Gedanken, dass wir mit intelligenten Netzen das System insgesamt effizienter machen.
(Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und den gläsernen Lkw-Fahrer schaffen! Viel Spaß!)
Frau Kollegin Dr. Wilms, wir schätzen den Austausch immer. Aber bedenken Sie: Wenn wir die Netze intelligent machen und auf die Daten der Telematik zugreifen, dann lassen sich Staukosten und unnötige Umweltbelastungen vermeiden sowie die Fahrzeuge sicherer machen. Auch diese Perspektive zeigen wir auf. Wir machen die Daten dabei entsprechend den Vorgaben des härtesten europäischen Datenschutzes verfügbar. Frau Kollegin Dr. Wilms, machen Sie doch einfach mit! Erkennen Sie doch an, dass wir als Große Koalition sagen:
(Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Große Koalition des Stillstands!)
Ja, wir können bei der dritten Änderung des Bundesfernstraßenmautgesetzes nicht alle Wege auf einmal gehen. Aber im Gegensatz zu Ihnen zeigen wir sehr deutlich einen Weg auf, wie es gehen kann und wohin wir wollen.
(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo?)
Das lädt doch zur Zustimmung ein, liebe Frau Kollegin.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir zeigen auch auf, wohin wir wollen!)
Angesichts meiner Redezeit, die abläuft, fasse ich zusammen: Wir stellen das System um. Wir verlagern die Bemautung weg von den reinen Achszahlen hin zu der tatsächlichen Belastung unserer Infrastruktur durch Gewicht.
Ein letzter Gedanke. Wir unterstützen die Bundesregierung auf ihrem Weg in Europa. Sie will dafür sorgen, dass der europäische Rechtsrahmen weiterentwickelt und die entsprechende Richtlinie angepasst wird. Zukünftig werden die externen Kosten der tatsächlichen Belastungen durch Luftschadstoffe und Lärm im Rahmen eines entsprechenden Katasters den Infrastrukturkosten hinzugefügt, um eine faire Bemautung aller Verkehrsträger organisieren zu können.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Als Nächste hat die Kollegin Dr. Valerie Wilms, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4812665 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 97 |
Tagesordnungspunkt | Bundesfernstraßenmautgesetz |