27.03.2015 | Deutscher Bundestag / 18. EP / Session 98 / Zusatzpunkt 4

Anton HofreiterDIE GRÜNEN - Pkw-Maut

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der heutige Tag ist ein richtig peinlicher Tag für die – zumindest zahlenmäßig – Große Koalition.

(Volker Kauder [CDU/CSU], zum Bündnis 90/ Die Grünen gewandt: Los, Beifall! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

Denn was geschieht am heutigen Tag? Eine Stammtischparole der CSU wird in Gesetzesform gegossen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Gustav Herzog [SPD]: Dieser Teil der Rede war schon peinlich!)

Gegen jede Vernunft haben Horst Seehofer und Herr Dobrindt ein europarechtswidriges, ausländerfeindliches und bürokratisches Machwerk durchgesetzt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wie bitte?)

Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und SPD, lassen sich von dieser CSU am Nasenring durch das Parlament führen. Schämen Sie sich eigentlich nicht?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Durch diese Entscheidung ist das CSU-Ausländermaut-Projekt inzwischen auch zum Projekt der SPD

(Christine Lambrecht [SPD]: Nein!)

und zum Projekt der CDU geworden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Stellen wir uns einmal fiktiv vor, ein anderes europäisches Land würde einen solch bürokratischen Unsinn beschließen. Stellen wir uns mal vor, Griechenland würde ein Gesetz beschließen, wo zwei Drittel – im Minimum – der Einnahmen in unsinniger Bürokratie verschwinden würden! Wie sehr würde die CDU schreien, wie sehr würde die CSU schreien! Jetzt lästern Sie still und heimlich auf den Hinterbänken; aber Sie beschließen es. Schämen Sie sich eigentlich nicht, was für ein Vorbild Sie hier für Europa abgeben?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Ihre Maut ist antieuropäisch, verkehrspolitisch unsinnig, bürokratisch und bringt nicht einmal Einnahmen. Ich meine, wir haben ja schon verschiedene Gesetze hier beschlossen, über die man streiten kann; aber wirklich selten, wirklich selten war ein Gesetz so offensichtlicher Unsinn.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Herr Dobrindt, Sie sind politisch, fiskalisch und rechtlich auf dem Holzweg. Wir hoffen sehr, dass dieses Gesetz noch irgendwo gestoppt wird, bevor es dann endgültig vor dem EuGH scheitert; denn es ist offensichtlich europarechtswidrig. Wie meine Kollegin bei der Einbringung bereits gesagt hat: Eine diskriminierungsfreie Diskriminierung gibt es halt nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es wäre ja schon viel, wenn Sie mit Ihrem Gesetz eine schwarze Null erreichen würden. Finanzminister Schäuble – wir vermuten, er hat häufiger mit Zahlen und Einnahmen und Ausgaben zu tun – hat im Herbst letzten Jahres noch gesagt: So wie das Gesetz sich darstellt, besteht die Gefahr, dass die Ausgaben sogar deutlich höher sind als die Einnahmen. – Glauben Sie doch einfach mal Ihrem Finanzminister!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE])

Ich glaube, er hat mehr mit Zahlen zu tun und versteht mehr von Finanzen als die gesamte CSU.

Aber was mich, ehrlich gesagt, wirklich am meisten verärgert, was mich als ehemaligen Verkehrspolitiker so richtig ärgert, ist, was dieser Minister aus dem Ministerium gemacht hat, was dieser Minister aus dem Thema gemacht hat. Das Ministerium ist wichtig, das Thema ist wichtig. Wir haben ganz entscheidende Aufgaben. Deutschland ist eine der größten Export- und Importnationen. Deutschland ist ein Land, das eine funktionierende Infrastruktur braucht. Deutschland ist ein Land, das allein aus ökologischen Gründen auch eine moderne Infrastruktur braucht. Und was haben Sie die ganze Zeit gemacht? Sie haben aus einem wichtigen Ministerium ein Ausländermautministerium gemacht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Herbert Behrens [DIE LINKE]: Skandal! – Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alles andere bleibt liegen!)

Sie haben nichts unternommen, um die DB AG endlich auf Vordermann zu bringen. Die verplempert weiter das Geld bei seltsamen Investitionen weltweit, und Herr Grube träumt weiter davon, dass sie irgendwann mal ein Global Player wird. Aber das kümmert den Ausländermautminister anscheinend nicht.

Beim BER erleben wir ein Desaster. Die Bundesrepublik hat am BER einen erheblichen Anteil: 26 Prozent. Da werden Monat für Monat im Minimum 30 Millionen Euro verplempert. Das heißt, in fünf Monaten verplempert der Bund da so viel Geld, wie die Ausländermaut im Maximum einbringen kann. Aber der Ausländermautminister scheint dafür nicht zuständig zu sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Wenn wir uns die Infrastruktur anschauen, müssen wir feststellen: Die Straßen bröckeln, und eine Brücke nach der anderen wird für den Lkw-Verkehr gesperrt.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: So ist das!)

Und was macht der Ausländermautminister? Der Ausländermautminister kümmert sich nicht darum. Er hat überhaupt kein vernünftiges Konzept zur Unterhaltung unserer Infrastruktur – weder der Straßen noch der Wasserstraßen noch der Schienen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Dieser Minister macht einfach da weiter, wo er als CSU-Generalsekretär angefangen hat: Mit ausländerfeindlichen Parolen macht er Stimmung. Aber er ist inzwischen Bundesminister und damit Mitglied des Kabinetts von Frau Merkel. Ich frage mich dann schon: Wann sorgt Frau Merkel endlich dafür, dass Herr Dobrindt begreift, dass er nicht mehr CSU-Generalsekretär, sondern Bundesminister ist

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

und damit für einen wichtigen Themenbereich eine ganz, ganz große Verantwortung trägt? Frau Merkel, sorgen Sie endlich dafür, dass dieser Minister versteht, dass er nicht mehr Generalsekretär ist, sondern Bundesminister!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will hier nicht alle Kritiker der Ausländermaut aufzählen;

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Dafür reicht die Redezeit auch nicht!)

aber eine Gruppe möchte ich besonders benennen: Das sind die Grenzregionen. Die Grenzregionen sorgen sich nämlich zu Recht, dass Ihr Gesetz dazu führt, dass die Ortsdurchfahrten mit Stau geflutet werden. Die Grenzregionen sind jedoch auf ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis angewiesen. Sie leben unter anderem davon. Sie begrüßen gern die Bürgerinnen und Bürger aus den anderen Grenzregionen. Sie sind auch ökonomisch auf ein gutes Nachbarschaftsverhältnis angewiesen. Die Grenzregionen müssen nun mit der Tatsache leben, dass an allen Autobahnen de facto ein Schild mit der Aufschrift „Für Ausländer gilt ab hier die Maut“ steht. Ist Ihnen das nicht selber peinlich? Schämen Sie sich dafür in einem vereinten Europa eigentlich nicht?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Zurufe von der CDU/CSU: Die Österreicher!)

– Da Sie schon wieder „Die Österreicher“ schreien: Hören Sie endlich auf, hier die Unwahrheit zu behaupten! Hören Sie endlich auf!

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Ulrich Lange [CDU/CSU]: Jetzt reg dich doch nicht so auf! – Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

In Österreich gibt es eine Maut. In Frankreich gibt es eine Maut. In Italien gibt es eine Maut. Aber da zahlen alle. Das ist der entscheidende Unterschied.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

In Österreich zahlen die Österreicher mit. In Italien zahlen die Italiener mit, und in Frankreich zahlen die Franzosen mit. Da gibt es keine Ausländermaut. Hören Sie also endlich auf, die Unwahrheit zu behaupten!

(Beifall des Abg. Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Zurufe von der CDU/CSU: Lächerlich!)

Ich will nicht nur von Herrn Dobrindt reden, sondern auch von den lieben Kolleginnen und Kollegen der Großen Koalition. Sie haben sich wirklich verdammt kleingemacht. Ich kann mich noch erinnern: Die SPD wollte grundsätzliche Änderungen durchsetzen.

(Christine Lambrecht [SPD]: Haben wir doch!)

Eigentlich wollte die SPD das ganze Gesetz überhaupt nicht. Sören Bartol, du hast davon gesprochen, dass man in Koalitionen Kompromisse eingehen muss.

(Sören Bartol [SPD]: Haben wir mit euch auch! – Christine Lambrecht [SPD]: Aus Hessen kennt ihr das ja!)

Das stimmt, aber normalerweise sieht ein Kompromiss so aus, dass man ein Projekt durchbringt, zum Beispiel den Mindestlohn – wenn auch etwas verhunzt –, und dafür einem anderen Projekt zustimmt. Koalitionen funktionieren nicht so, dass der eine Partner ein vielleicht inhaltlich umstrittenes, im Kern aber sinnvolles Projekt bekommt, während der andere Partner dafür offensichtlichen Unsinn erhält. So funktioniert das normalerweise nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Noch ein Wort an die CDU. Frau Merkel hat einmal gesagt: Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben. – Wo ist denn nun Frau Merkel, die gesagt hat, dass es mit ihr keine Pkw-Maut geben wird?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist die?)

Es gibt nun sogar Schlimmeres, nämlich eine Ausländer- Pkw-Maut. Offensichtlich führt hier die CSU die angeblich mächtigste Frau Europas vor. Ist Ihnen das nicht selber peinlich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU? Pro Legislaturperiode gestehen Sie der CSU offensichtlich ein Unsinnsprojekt zu. In der letzten Legislaturperiode war es das Betreuungsgeld. Nun ist es die Ausländermaut.

Herr Kollege.

Schämen Sie sich dafür eigentlich nicht selber?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Zurufe von der CDU/CSU)

Für die CSU langt es aber auch nicht für mehr. Die CSU macht sich selber klein. Sie beschämt damit Bayern im Rest der Bundesrepublik. Da ich aus Bayern komme, ärgert mich das am meisten. Hören Sie endlich auf, Bayern im Rest der Bundesrepublik mit solchen Maßnahmen lächerlich zu machen! Das ist wirklich peinlich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Nächster Redner ist der Kollege Arnold Vaatz, CDU/ CSU.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

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Electoral Period 18
Session 98
Agenda Item Pkw-Maut
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