Bettina HagedornSPD - Pkw-Maut
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Lieber Herr Kauder, „koalitionstreu“ haben Sie mir gerade zugerufen. Na klar, die Koalitionstreue beweisen wir doch heute.
(Beifall des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU] – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das wird eine tolle Rede!)
Dass der Fanblock für die Pkw-Maut in der SPD nicht nur überschaubar, sondern in Wahrheit gar nicht vorhanden ist, ist kein Geheimnis.
(Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann zeigt es doch heute!)
Das will ich hier noch einmal zu Protokoll geben.
(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Die Abstimmung geht auch ins Protokoll!)
Aber nichtsdestotrotz – das ist das Entscheidende – ist es Ihnen genauso gegangen bei der Einführung der Mietpreisbremse, bei der Einführung des Mindestlohns und bei der Einführung der Frauenquote.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Mindestlohn nicht!)
Wir sind eine Koalition, die einen Vertrag geschlossen hat, der solide ist, bei dem alle Partner vorkommen. Eine gute Koalition lebt davon, dass man sich gegenseitig Respekt entgegenbringt und den Vertrag eins zu eins umsetzt. Genau das tun wir heute. Darum stimmen wir Sozialdemokraten auch zu.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich will eingangs etwas dazu sagen, dass die Kollegin Haßelmann in der Debatte zur Geschäftsordnung von einer Entparlamentarisierung gesprochen hat
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)
und von dem Skandal, dass alles im Hauruckverfahren gemacht wurde. Gerade zur Aufklärung der Öffentlichkeit will ich hier noch einmal sagen:
(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Anhörung wurde blockiert!)
Wir haben drei Anhörungen in acht Tagen durchgeführt. Ich weiß, ehrlich gesagt, gar nicht, wann wir das als Parlament das letzte Mal gemacht haben. Der federführende Verkehrsausschuss hatte fast vier Stunden eine Anhörung, der Finanz- und der Haushaltsausschuss, beide mitberatend, hatten jeweils zwei Stunden Anhörung. Wir hatten 15 Sachverständige.
(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Mehrheit war gegen die Maut!)
Allerdings ist auch der Wahrheit geschuldet – ich habe mir das noch einmal genau angesehen –: Von den 15 geladenen Sachverständigen waren nur 4 von dem Gesetzentwurf zur Pkw-Maut ganz eindeutig begeistert, der hier auf dem Tisch liegt, weil es dazu viele Fragen gibt. Aber wir haben uns intensiv mit diesen Fragen beschäftigt. An manchen Stellen steht – ich sage einmal – Aussage gegen Aussage. Es gibt immer auf beiden Seiten Experten. Wir vertrauen dem Verkehrsminister, dass er mit seiner Prognose recht behält, dass diese Pkw-Maut europarechtskonform ist, Einnahmen in erheblichem Umfang generieren wird und dass kein deutscher Autofahrer mehr bezahlen wird als bisher. Das sind Ihre Prognosen, Herr Dobrindt. Daran messen wir Sie, und dafür drücken wir Ihnen die Daumen.
(Beifall des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU])
Frau Kollegin Hagedorn, der Kollege Kindler möchte eine Zwischenfrage stellen. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass wir schon viele Zwischenfragen in dieser Debatte hatten.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ja, finde ich auch!)
Also, ich will ihn gern zu Wort kommen lassen.
Vielen lieben Dank, Frau Kollegin Hagedorn. Wir arbeiten im Haushaltsausschuss gut zusammen. Sie sind eine sehr geschätzte Kollegin der SPD-Fraktion im Haushaltsausschuss.
(Beifall bei der SPD – Gustav Herzog [SPD]: Nicht nur im Haushaltsausschuss!)
– Nicht nur im Haushaltsausschuss. – Das muss ich vorab sagen, weil es mich umso erstaunter zurücklässt, dass Sie, wenn Sie auf die Anhörung im Haushaltsausschuss zurückblicken, davon ausgehen, dass es deutliche Mehreinnahmen geben wird und der Koalitionsvertrag eins zu eins erfüllt wird, in dem es heißt, dass die Pkw-Maut der Finanzierung zusätzlicher Ausgaben für das Autobahnnetz dienen soll. Auch die Kollegen Hartmann und Bartol von der SPD-Fraktion haben an den Koalitionsvertrag erinnert.
Bettina Hagedorn, auch Sie waren in der Anhörung und haben es mitbekommen: Drei von vier Gutachtern haben gesagt, dass maximal die Hälfte der Bruttoeinnahmen zu erwarten ist, wenn man die Verwaltungskosten einrechnet, die auch noch in die Höhe gehen können. Es wird demnach also keine oder kaum Mehreinnahmen geben. Das hat Herr Professor Eisenkopf von der Zeppelin-Universität in Friedrichshafen gesagt,
(Zurufe von der CDU/CSU: Frage! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Warum heißt das „Zwischenfrage“?)
das hat der Sachverständige des Auto Clubs Europa gesagt, das hat auch Frank Schmid gesagt, den die SPD als Sachverständigen in dieser Anhörung benannt hat. Ihr eigener Sachverständiger hat in dieser Anhörung gesagt, dass es kaum Mehreinnahmen geben wird.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Irgendwann mal eine Frage wäre gut! – Gegenruf des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Muss er nicht!)
Dann will ich auf den Sachverständigen des Bundesverkehrsministeriums zu sprechen kommen, der das Gutachten erstellt hat.
(Zurufe von der CDU/CSU: Frage!)
– Ich muss keine Frage stellen; ich kann laut Geschäftsordnung auch eine Zwischenbemerkung machen. Das wissen Sie.
Es ist nicht notwendig, eine Frage zu stellen; es kann auch ein Statement sein. Allerdings ist das Ganze auf drei Minuten limitiert.
Ich komme jetzt zur Frage. – Sehr geehrte Kollegin Hagedorn, Professor Schulz ist einerseits für einen Mautdienstleister tätig, der auch die E-Vignette im Angebot hat, die bei der Pkw-Maut vorgesehen ist, und wurde vom Bundesverkehrsministerium für sein Gutachten bezahlt. Es ist das einzige Gutachten, das die Einnahmeprognose stützt. Er hat selber in der Anhörung gesagt, dass die größte Schwäche bei diesem Gutachten die Tagesgeschäftsreisenden ohne Übernachtung sind, die die Hälfte des Einnahmenblocks in der Berechnung ausmachen, die er dargestellt hat. Er hat gesagt, das ist die größte Schwäche – da zitiere ich ihn jetzt. Es ist gut und richtig und nett, dass man mit dieser Schwäche offen umgeht, dass man sie nicht kaschieren will. Das heißt, selbst der eigene Gutachter hat gesagt,
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ich glaube, das waren jetzt drei Minuten!)
dass es eine große Schwäche im Gutachten des Bundesverkehrsministeriums gibt. Dann frage ich mich:
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wenn er sich schon selbst fragt!)
Wenn drei von vier Gutachtern sagen, dass es kaum Einnahmen bringt, wenn der eigene SPD-Gutachter sagt, es reicht nicht, wie können Sie dann jetzt glauben, dass es Mehreinnahmen gibt? Das stimmt doch alles nicht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Kollege Kindler, die drei Minuten sind jetzt erreicht. Ich würde Sie jetzt bitten, Herr Kindler, der Kollegin Hagedorn die Möglichkeit der Beantwortung zu geben.
Lieber Kollege Kindler, Sie können ja nachher im Protokoll genau nachlesen, was ich hier vorhin gesagt habe. Ich habe vorhin gesagt, dass bei den Experten Aussage gegen Aussage stand,
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das ist bei jeder Anhörung im Bundestag so! Das ist nicht spektakulär!)
dass es bei den Experten beide Sichtweisen gab.
(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
– Hören Sie mir doch mal zu! – Ich habe hier ausdrücklich gesagt, dass in einer Anhörung von 15 geladenen Sachverständigen 4 die Regierungssichtweise unterstützt haben und 11 es kritischer gesehen haben, und zwar in allen Punkten: bei der Frage der Einnahmen, bei der Frage der Europarechtskonformität und auch bei der Frage der Steuern. Das habe ich hier vorhin so gesagt.
Dann habe ich gesagt, dass wir, auch ich, dem Verkehrsministerium zutrauen, die eigenen Prognosen einzuhalten. Das heißt, wir drücken ihm dafür die Daumen. Er ist der Verkehrsminister.
(Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Noch!)
Es gibt zum jetzigen Zeitpunkt keine Veranlassung, zu sagen: Wir wissen, dass er nicht recht haben wird. – Weil das so ist, haben wir miteinander eine Evaluierung ins Gesetz geschrieben. Wenn wir dann gemeinsam evaluieren, Herr Dobrindt, dann sind wir am Ende alle schlauer.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Ja, wunderbar! Weiter!)
– Ich habe noch Zeit zur Antwort.
Richtig ist aber – das will ich Ihnen gerne zugestehen –, dass im Haushaltsausschuss von den vier Sachverständigen drei Sachverständige, unter anderem auch Herr Schmid, der Einnahmenprognose widersprochen haben. Alle Sachverständigen haben ihren Prognosen unterschiedliche Kalkulationsmuster zugrunde gelegt. Sie waren sich also mitnichten einig. Aber in einem Punkt haben sie übereingestimmt: Sie gingen davon aus, dass die Nettoeinnahmen statt der 500 Millionen Euro roundabout bei maximal 150 Millionen Euro liegen werden. Es sind dann allerdings immer noch Nettomehreinnahmen – jedoch sehr viel weniger, als Herr Dobrindt einkalkuliert; sie leisten da nicht mehr einen so großen Beitrag für die Infrastruktur. Da sind wir uns sicherlich einig. Aber die Experten haben nicht von Verlusten gesprochen, wie es Kollegen von Ihnen vorhin getan haben.
So, nun will ich weitermachen. Meine Ausführungen zu den Prognosen und zur Einnahmeseite kann ich mir ja jetzt sparen. – Herr Dobrindt, Sie haben – wie auch andere Kollegen – ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht – dies will ich dick unterstreichen –, dass es sich um einen Systemwechsel, einen Paradigmenwechsel, den Einstieg von der Steuerfinanzierung in die Nutzerfinanzierung handelt. Ich will ebenfalls betonen, dass es in diesem Hause eigentlich eine ganz große Mehrheit dafür gibt; denn begonnen haben wir diesen Systemwechsel während der rot-grünen Koalition 2003 mit der Einführung der Lkw-Maut.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das stimmt sogar!)
Mit dieser Lkw-Maut nehmen wir inzwischen roundabout 4,4 Milliarden Euro pro Jahr ein. Das ist Geld, das Investitionen in die Infrastruktur zugutekommt. Wir sind uns im Prinzip alle einig, dass diese nutzerfinanzierten Einnahmen gestärkt werden müssen.
Es ist richtig – was hier vorhin auch schon gesagt worden ist –, dass die große Schwester der Pkw-Maut, die Lkw-Maut, in diesem Hause gerade in dieser Woche gestärkt worden ist, indem ihre Geltung ausgeweitet wurde und indem wir jetzt auch Lkw mit einem Gesamtgewicht von 7,5 Tonnen heranziehen. Uns Sozialdemokraten ist besonders wichtig:
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sozialdemokratinnen!)
Wir haben in dem Entschließungsantrag, den wir mit den Kollegen der Union auf den Weg gebracht haben, festgelegt, dass Sie, Herr Dobrindt, bis Mitte 2016 dem Kabinett einen Gesetzentwurf auf den Tisch legen werden, mit dem die Lkw-Maut so, wie es in unserem Koalitionsvertrag steht, auf alle 40 000 Kilometer Bundesfernstraßen in Deutschland ausgedehnt werden kann. Jetzt gilt die Mautpflicht auf ungefähr 14 000 Kilometern Bundesfernstraßen, sodass mit dieser Steigerung ein ganz erheblicher Beitrag erzielt werden kann. Ich glaube, es besteht Einigkeit in diesem Haus darüber, dass in erster Linie die Lkw und der Schwerlastverkehr den schlechten Zustand von Straßen und Brücken verursachen. Darum dient es dem Verursacherprinzip, wenn wir die Lkw-Maut stärken.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Nichtsdestotrotz: Die kleine Schwester der Lkw- Maut, die Pkw-Maut, steht im Koalitionsvertrag. Wir Sozialdemokraten sind koalitionstreu. Wir haben in den zweieinhalb Jahren, die uns miteinander bis zur nächsten Wahl bleiben, noch eine Menge vor. Darauf freuen wir uns.
In diesem Sinne: Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Steffen Bilger, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielleicht noch ein kleiner Hinweis: Jeder Redner darf seine Redezeit voll ausnutzen, aber er muss es nicht. Das gilt nicht nur für Sie, sondern für alle.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Aber die Zwischenfragen müssen auch nicht sein!)
– Nein, es ist alles in Ordnung. – Also, Steffen Bilger hat das Wort und spricht jetzt im Rahmen seiner Redezeit so lange, wie er es für richtig hält. – itte.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4816464 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 98 |
Tagesordnungspunkt | Pkw-Maut |