27.03.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 98 / Tagesordnungspunkt 23

Wilhelm PriesmeierSPD - Milchviehhaltung

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Zuhörer auf den Tribünen! Ich freue mich, dass kurz vor Ostern das Interesse an dem Thema Milch noch so groß ist. Mich hat das Thema begleitet, seit ich im Deutschen Bundestag bin und auch schon die vielen Jahre davor in meinem beruflichen Leben. Ich komme aus einem Betrieb, in dem immer gemolken worden ist. Ende der 60er-Jahre gab es plötzlich Abschlachtprämien und Investitionsprämien, und irgendwann war mit dem Gesamtkonzept der europäischen Agrarpolitik die Produktion so weit gestiegen, dass wir aufgrund der sprichwörtlich gewordenen Milchseen und Butterberge in den 80er-Jahren handeln mussten. In dieser Zeit wurde auch die Quote eingeführt.

Damals war ich schon in meiner eigenen tierärztlichen Praxis von den Folgewirkungen dieser Quotenregelung betroffen. Wir haben eine ganze Reihe gerichtlicher Auseinandersetzungen geführt. Es ging dabei um Härtefallregelungen und Härtefallklauseln. All das haben wir hier dann auch kennengelernt: Die Folgen der damaligen Regelungen mussten wir auch politisch beseitigen.

Wir haben Anpassungen vorgenommen. Wir haben das damalige Quotensystem stetig verändern müssen und dazu beigetragen, dass wir das Quotensystem nächste Woche endgültig abschaffen können. Das war ein kontinuierlicher Prozess, an dem die Bauern beteiligt gewesen sind; sie hatten hohe Ausgaben, die nicht dem Sektor zugutegekommen sind, sondern für Quotenrechte aufgewendet werden mussten.

Die SPD hat daraus relativ frühzeitig ihre Konsequenzen gezogen und schon im Jahr 2000 die Abschaffung der Quote gefordert. Ich glaube, dass diese Forderung damals richtig war; und die Entscheidung heute zeigt, dass wir auch in der Ausgestaltung der Politik dazu beigetragen haben, die Voraussetzungen dafür zu schaffen.

Wir dürfen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht jammern, sondern wir sollten die Chancen im Sinne unserer Landwirte und unserer Betriebe nutzen. Wir sollten die politischen Rahmenbedingungen so setzen, dass wir auch an den Standorten, wo es nicht einfach ist, Milch zu produzieren, eine vernünftige Bewirtschaftung von ökologisch wertvollem Grünland erhalten. Dazu kann die zweite Säule in erheblichem Umfang beitragen. Davon bin ich überzeugt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Ich glaube, mit Blick auf den Sektor kann man durchaus optimistisch in die Zukunft schauen. Der Sektor hat eine Wertschöpfung von mehr als 25 Milliarden Euro. Wir produzieren und verarbeiten mehr als 32 Millionen Tonnen Milch, und wir sichern allein rund um den Bereich Molkerei die Arbeitsplätze von über 30 000 Mitarbeitern. Ich finde, auch das sollte man klar und deutlich sagen. Das sind wichtige Arbeitsplätze, die vor allen Dingen im ländlichen Raum Wertschöpfung sichern und dem ländlichen Raum eine Zukunft geben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Es ist wichtig, dass man das im Blick behält und sich darauf konzentriert, statt die Milchwirtschaft schlechtzureden.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Staatliche Milchmengenregelungen oder sich selbst regulierende Systeme sind angesichts der desaströsen Erfahrungen mit regulierten Systemen in diesem Bereich an sich obsolet geworden. Darum kann ich es nicht verstehen, dass man immer noch über diese Systeme spekuliert und diskutiert und versucht, ein bisschen von dem zu retten, was bei der Quote nie funktioniert hat. Ich glaube, das ist der falsche Weg. Da sind, glaube ich, die Möglichkeiten, die der Markt zur Steuerung des Sektors bietet, wesentlich besser.

Der Markt muss aber natürlich funktionsfähig bleiben. Wenn ich mir die Preisbildung ansehe, ist es, glaube ich, noch nicht an der Zeit, die Sektoruntersuchung des Kartellamtes einfach beiseitezulegen. Wir sollten uns das, glaube ich, noch einmal ansehen – auch bei unseren weiteren Entscheidungen beispielsweise zur Feinsteuerung. Wir sollten uns auch anschauen, ob wir das, was auf der europäischen Ebene als Milchpaket mit einer entsprechenden Perspektive verabschiedet worden ist, in Zukunft vielleicht gebrauchen können, wenn es die eine oder andere Marktkrise gibt. Die muss es aber nicht geben.

Vielleicht ist es angezeigt, auch danach zu fragen, inwieweit wir zum Beispiel politisch unterstützen können, wenn es darum geht, die Interessen der Milcherzeuger besser zu bündeln, ihre Marktmacht zu stärken und vor allen Dingen die Preisbildung zu verbessern. Denn wir brauchen entsprechende Instrumente, an denen sich Landwirte langfristig orientieren können, um ihre Risiken im Markt abzusichern. Das geht aber nicht so einfach.

Wenn an der Eurex pro Tag 146 Kontrakte gehandelt werden, ist das kein Grund zum Jubeln. Das zeigt, dass dieses System bislang nicht funktionsfähig ist. Darum mache ich mir, politisch gesehen, Sorgen, dass wir bisher nicht ausreichend viel getan haben, um dieses System funktionsfähig zu machen.

Markt braucht auch Absicherung von Risiken. Das muss nicht unbedingt – wie auf europäischer Ebene auch diskutiert wird – in Form von Versicherungen geschehen. Es wird dann aber das klare Bekenntnis von Politik benötigt, diese Maßnahmen zu begleiten – auch im Sinne vor allen Dingen derer, die uns als Landwirte bzw. Erzeuger am Herzen liegen, weil sie mit ihrer täglichen Arbeit dazu beitragen, dass ganz wichtige Kulturlandschaften in Deutschland und Europa gesichert werden. Was wir als Sozialdemokraten dazu tun können, tun wir gerne. Ich kann nur jeden auffordern, dabei mitzumachen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Das Wort hat jetzt Friedrich Ostendorff, Bündnis 90/ Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4817383
Wahlperiode 18
Sitzung 98
Tagesordnungspunkt Milchviehhaltung
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