Antje TillmannCDU/CSU - Kleinanlegerschutzgesetz
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Das Kleinanlegerschutzgesetz fügt sich ein in eine Reihe von Maßnahmen, mit denen wir neue Sicherheitsnetze um die Finanzmärkte spannen wollen, um Sparer und Steuerzahler zu schützen.
Was haben wir bisher getan? Spätestens seit der Bankenkrise im Jahr 2008 sind wir gesetzgeberisch unterwegs, diese Sicherheitsnetze zu spannen. Wir haben angefangen mit höheren Eigenkapitalanforderungen an Banken, wir haben Ratingagenturen reguliert, wir haben die Finanzaufsicht gestärkt. Mit der Bankenunion, sowohl mit der gemeinsamen europäischen Aufsicht als auch mit der gemeinsamen europäischen Bankenabwicklung, sind wir einen Schritt weiter bei der Frage, wie viel Sicherheit es auf dem europäischen Bankensektor gibt. Weiterhin haben wir die Versicherungsunternehmen gestärkt, indem wir auch bei ihnen die Eigenkapitalanforderungen erhöht haben. Gleichzeitig haben wir sichergestellt, dass es ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Risiken und Chancen für alle Gruppen innerhalb der Versicherungen gibt.
Zuletzt haben wir mit der Einlagensicherung den europäischen Sparer geschützt. Bei Schwierigkeiten einer Bank sind in ganz Europa bis zu 100 000 Euro auf einem Konto sicher. Wir haben auch die Auszahlungsfristen verkürzt. In Sonderfällen – zum Beispiel nach Zahlung einer Abfindung oder nach dem Verkauf einer Immobilie – erhöht sich die garantierte Summe auf 500 000 Euro, und das für sechs Monate.
Heute beraten wir über das Kleinanlegerschutzgesetz. Das Kleinanlegerschutzgesetz hat ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Verbraucherschutz und der Ermöglichung alternativer Finanzierungsformen nicht nur für Unternehmen, sondern auch für bürgerschaftliche Projekte zum Ziel. Diese Grundidee einte die Koalition von Anfang an. Und das bezieht sich auch auf die zuständigen Häuser: das Bundesfinanzministerium und das Bundesjustizministerium. Ich danke ausdrücklich den beiden Berichterstattern der Koalition, Carsten Sieling und Frank Steffel, dass sie auf der Strecke vom Entwurf bis zum heutigen Gesetzentwurf sehr konsensorientiert Kompromisse im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher gefunden haben. Den Dank kann ich auch der Opposition zuteilwerden lassen, aber ich glaube, das machen gleich die beiden Berichterstatter.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
– Ja, bei dem Dank darf man gerne auch klatschen. Die beiden haben es verdient, natürlich auch alle anderen, die mitgewirkt haben.
Ich glaube, das, was heute vorliegt, ist ein gutes Gesetz, sowohl für Verbraucher als auch im Hinblick auf Sozialprojekte und Crowdfunding. Es steht unter dem Schutz der BaFin; denn erstmalig haben wir der BaFin auch den kollektiven Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher als Aufsichtsziel zugewiesen. Die BaFin muss jetzt nicht nur auf die Finanzmärkte, sondern auch auf die Verbraucherinteressen achten. Wir haben ihr dazu Instrumente an die Hand gegeben: Die BaFin hat jederzeit die Möglichkeit, den Verkauf einer Vermögensanlage bei Verstoß gegen die Transparenzvorschriften, die wir den Anbietern und Vermittlern auferlegen, komplett zu verbieten.
Verbieten ist aber eigentlich nicht unser Hauptziel, sondern wir wollen, dass der Verbraucher und die Verbraucherin eigenständig erkennen können, welche Risiken mit einer Anlage verbunden sind. Ich nenne da beispielhaft das Crowdinvesting. Wir wollen innovative Ideen, und wir wollen Menschen, die diese innovativen Ideen umsetzen. Häufig ist da der klassische Finanzierungsweg über die Banken versperrt, sodass die Möglichkeiten des Crowdinvesting genutzt werden, um Gelder einzusammeln. Der Entwurf hatte dem schon Rechnung getragen und bis zu einem Investitionsvolumen von 1 Million Euro eine Freistellung von der Prospektpflicht vorgesehen. Wir sind weiter gegangen und haben gesagt: Investitionen von bis zu 2,5 Millionen Euro sollen von der Prospektpflicht freigestellt werden. Das ist deswegen wichtig, weil die Erstellung eines Prospekts geschätzte 50 000 Euro einschließlich des Genehmigungsverfahrens kostet. Das ist bei kleineren Projekten natürlich schon eine große Summe.
Wir haben aber auch den Anleger geschützt, indem wir gesagt haben: Bis zu 1 000 Euro kann er ohne weitere Voraussetzungen anlegen; wenn er über diese Summe hinausgehen will und 10 000 Euro anlegen will, muss er zumindest über eine Selbstauskunft zeigen, dass er sich mit den Risiken beschäftigt hat. Auch das ist für Verbraucherinnen und Verbraucher ein großer Schutz.
Der Gesetzentwurf sah dann vor, dass Werbung für Vermögensanlagen nach Möglichkeit nur in Printmedien erfolgen soll. Ich kann dies insofern verstehen, als Werbung in einer Straßenbahn vielleicht auch Verbraucher ansprechen könnte, die sich nicht so intensiv mit der Anlageform beschäftigen. Ich bin dankbar, dass wir einen Kompromiss gefunden haben: Werbung wird auch weiterhin zum Beispiel im Internet zulässig sein, aber sie muss mit einem deutlichen Warnhinweis versehen werden, der ausdrücklich besagt, dass man bei einer Anlage das gesamte Vermögen verlieren kann. Wer diesen Warnhinweis liest – das ist ein Appell an die Verbraucherinnen und Verbraucher –, möge ihn bitte auch ernst nehmen. Denn es ist tatsächlich so, dass Investitionen manchmal eben nicht zum Erfolg führen. Derjenige, der Geld anlegt, muss wissen, dass er dieses Geld auch verlieren kann.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Nun zu den privaten und sozialen Projekten. Gott sei Dank gibt es engagierte Menschen in unserer Gesellschaft. Wir sind froh über Eltern, die sich zusammentun, um einen Kindergarten zu finanzieren. Wir freuen uns über Gleichgesinnte, die sich zusammentun, um ein gemeinsames, soziales Wohnprojekt zu verwirklichen. Wir wollen dieses Engagement. Aber natürlich sind auch in solchen Projekten nicht nur seriöse und leider auch nicht nur erfolgreiche Menschen unterwegs, sodass es eines Schutzes derjenigen bedarf, die sich da engagieren. Aber gleichzeitig sollen diese Projekte weiter möglich sein. Deshalb haben wir bei sozialen Projekten die Prospektpflicht bis zu einer Schwelle von 2,5 Millionen Euro ausgesetzt. Das macht einschließlich des Fremdkapitals Investitionen von bis zu 10 Millionen Euro möglich. Das ist eine Größenordnung, mit der diese Projekte in der Regel auskommen. Wir stellen aber sicher, dass niemand innerhalb eines solchen Projektes mit dem Vertrieb der Anleihen durch Provisionen Geld verdienen kann. Es soll tatsächlich der soziale, gemeinnützige Aspekt im Vordergrund stehen. Das werden wir mit diesem Gesetz erreichen.
Das Gleiche gilt für Projekte von Religionsgemeinschaften und andere gemeinnützige Projekte, wo ebenfalls die Schwelle zur Prospektpflicht auf 2,5 Millionen Euro erhöht wurde. Allerdings wird hier das Investitionsvolumen in den Bilanzen mit keinerlei Höchstgrenze versehen.
Für die Bereiche des Crowdinvesting und der sozialen und gemeinnützigen Projekte – hier geht es um eher neuere Finanzierungsformen – haben wir ein Widerrufsrecht eingeführt. Derjenige, der da investieren möchte, kann diese Entscheidung innerhalb von 14 Tagen widerrufen. Das heißt, dass man spontane Entscheidungen, die man trifft, weil man vielleicht gerade vom Nachbarn besonders beeindruckt war, widerrufen kann. Das führt zu Sicherheit für den Verbraucher. Innerhalb von 14 Tagen kann man die Entscheidung überdenken und sein Vermögen im Zweifel zurückziehen.
Weil es sich hier um neuere Investitionsformen handelt, die auch auf europäischer Ebene diskutiert werden, haben wir uns für 2016 eine Evaluierung vorgenommen. Denn eine Gruppe sagt: Ihr geht gar nicht weit genug; wir brauchen beim Crowdinvesting hinsichtlich der Prospektpflicht eine Grenze von 5 Millionen Euro. – Die andere Gruppe sagt: Bei den gemeinnützigen Projekten seid ihr mit der Festlegung der Schwelle für die Prospektpflicht bei 2,5 Millionen Euro viel zu großzügig, da drohen neue Probleme. – Wir werden Ende 2016 die Ausnahmen von der Prospektpflicht evaluieren und prüfen, ob Nachbesserungsbedarf besteht.
Eine letzte Bemerkung zum vorliegenden Gesetzentwurf. Wir als Finanzausschuss haben uns erstmalig getraut, einen Gesetzentwurf gemeinsam mit der Gesellschaft für deutsche Sprache zu erarbeiten. Ich danke Lothar Binding, dass er dafür die Initiative ergriffen hat.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten und des Abg. Richard Pitterle [DIE LINKE])
Es ist uns an vielen Stellen gelungen, den Text lesbarer zu machen. Insbesondere der Warnhinweis – vielleicht geht Frank Steffel gleich noch einmal darauf ein – ist deutlich und normal verständlich formuliert. Es mag sein, dass es uns nicht in jedem Einzelfall gelungen ist, eine verbraucherfreundliche Formulierung zu finden. Vielleicht müssen wir künftig früher einsteigen. Ich kann die Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Ausschüssen nur ermutigen, es auch einmal zu versuchen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gesellschaft für deutsche Sprache sind sehr kooperativ. Sie nehmen auch Rücksicht darauf, dass Gesetzgebung häufig sehr zügig vonstattengeht.
Ich bin sicher: Deutsche Sprache kann auch in Gesetzen eine schöne Sprache sein. Daran sollten wir auch in diesem Parlament, das sich der deutschen Sprache gewidmet hat, arbeiten. Ich wünsche dabei viel Erfolg. Herzlichen Dank für die Zustimmung und die Unterstützung bzw. für die kritischen Anregungen der Opposition.
Danke.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vielen Dank. – Jetzt hat die Kollegin Caren Lay, Fraktion Die Linke, das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4962565 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 100 |
Tagesordnungspunkt | Kleinanlegerschutzgesetz |