23.04.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 100 / Tagesordnungspunkt 4

Gerhard SchickDIE GRÜNEN - Kleinanlegerschutzgesetz

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörinnen und Zuhörer! In den letzten Wochen konnte man bei den Beratungen zu diesem Gesetzentwurf manchmal den Eindruck haben, als sei gute Politik für Verbraucherinnen und Verbraucher etwas, das im Gegensatz steht zu der Förderung von gemeinnütziger Wirtschaft, von sozialen Initiativen, von bürgerschaftlichem Engagement im wirtschaftlichen Bereich. Wir Grünen meinen: Das ist nicht so. Vielmehr sind wir davon überzeugt, dass gute Verbraucherpolitik für die verschiedenen Lebensbereiche passgenau sein muss, dass Verbraucherinnen und Verbraucher, dass Anlegerinnen und Anleger immer wissen müssen, um was es geht, und dass man hier zu einem sinnvollen Ausgleich kommen kann. Genauso wie es bei der Bankenregulierung wenig sinnvoll ist, für die kleine Volksbank dieselben Regeln wie für die große Deutsche Bank zu treffen, ist es wenig sinnvoll, für große Fonds und kleine soziale Projekte vor Ort dieselben Regeln zu haben. Wir sind froh, dass es uns gemeinsam mit vielen sozialen Initiativen gelungen ist, in diesem Gesetzgebungsverfahren an vielen Stellen einen guten Ausgleich hinzubekommen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Diese Gesetzgebungsinitiative wurde nach dem Prokon-Skandal ergriffen. Erlauben Sie mir daher einen kurzen Rückblick. Es ist gut, dass die BaFin jetzt endlich die Zuständigkeit für den kollektiven Verbraucherschutz bekommt und sich darum kümmern soll. Es ist richtig, dass sie auch einzelne Produkte aus dem Verkehr ziehen kann. Aber die Frage ist: Warum braucht es immer erst einen neuen Skandal? Wir waren eigentlich schon in der letzten Legislaturperiode an dieser Stelle der Debatte. Damals war eine Lösung aber leider noch nicht möglich.

(Dr. Carsten Sieling [SPD]: Aber wir haben es jetzt gemacht!)

Es ist gut, dass dies jetzt gelungen ist. Ich hoffe, dass wir die bestehenden Lücken noch schließen können.

Ich möchte für meine Fraktion ausdrücklich begrüßen, dass das Verbot von Nachschusspflichten aufgenommen und die Verjährungsfristen angepasst worden sind; das ist richtig und sinnvoll. Auch der Warnhinweis ist gut formuliert. Wir müssen jetzt hoffen, dass die Umsetzung klappt und die BaFin, also die Finanzaufsichtsbehörde, ihre neuen Kompetenzen wirklich sinnvoll nutzt. Darauf werden wir achten müssen.

Uns war ein besonderes Anliegen, dass Projekte des bürgerschaftlichen Engagements und gemeinnützige Projekte adäquat und passgenau in diesen Gesetzentwurf eingefügt werden. Das war am Anfang des Gesetzgebungsverfahrens nicht der Fall. Es war gut, dass viele protestiert und gesagt haben: So geht es nicht. – Denn wo stünden wir bei der Energiewende, wenn es nicht viele bürgerschaftliche Initiativen und viele Genossenschaften gäbe? Wie sähe es auf dem Wohnungsmarkt aus, wenn wir alles nur den großen und sich immer weiter konzentrierenden Konzernen überlassen würden? Wir brauchen diese Gegengewichte in unserer Wirtschaft ganz dringend.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

An ein paar Stellen sind allerdings Lücken geblieben, die ich kurz benennen will; denn wir werden dem Gesetzentwurf letztlich nicht zustimmen, sondern uns enthalten, weil es diese Lücken gibt. Ich will zum einen das Thema Crowdinvesting nennen. Wir finden es wichtig, dass die Schwelle angehoben worden ist; denn innovative Projekte brauchen innovative Finanzierungsmöglichkeiten. Aber als Gegengewicht hätte es dringend eine Regulierung der Plattformen gebraucht. Das kann man nicht den Gewerbeaufsichtsämtern überlassen, da diese dafür nicht die nötige Kompetenz haben. Es ist wichtig, dass Provisionen und Zuwendungen offengelegt werden, auch in diesem Bereich. Hier muss Transparenz geschaffen werden. Dazu ist aber keine Regelung getroffen worden. Wir brauchen hier, wie auch bei anderen Wertpapierdienstleistungsunternehmen, eine Pflicht zur getrennten Vermögenswahrung. Gerade für Fälle, in denen es um viel Geld geht, müssen klare Regeln getroffen werden. Das fehlt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Aber unter dieser Überschrift wäre das nicht sinnvoll gewesen! Dafür braucht man ein anderes Gesetz!)

Dasselbe gilt im Hinblick auf die Frage: Wie sehen eigentlich die Prospekte aus? Es kann nicht sein, dass wir nur über Ausnahmen in einem Bereich reden, sondern wir müssen insgesamt feststellen: Die gesetzlich vorgeschriebenen Wertpapierprospekte dienen der Freizeichnung der Anbieter, die sich rechtlich gegen alles absichern können, aber nicht wirklich zur Information für die Menschen, die ihr Geld geben. Wir sind uns da weitgehend einig.

Ich finde, es wäre nötig gewesen, in diesem Gesetzgebungsverfahren zumindest einen klaren Pfad vorzuzeichnen, der deutlich macht, dass wir diese Kritik ernst nehmen und endlich zu einer Standardisierung der Prospekte kommen wollen. Wertpapierprospekte müssen verständlicher und kürzer werden; dann können sie vielleicht auch billiger werden. Dadurch kommen wir in den verschiedenen Bereichen unserer Wirtschaft zu einer guten Verbraucherpolitik, die dazu führt, dass der Verbraucher bzw. der Anleger immer auf Augenhöhe mit dem Anbieter ist. Das ist unser Ziel.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Für die CDU/CSU-Fraktion erhält jetzt der Kollege Dr. Hans Michelbach das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4962620
Wahlperiode 18
Sitzung 100
Tagesordnungspunkt Kleinanlegerschutzgesetz
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