Nicole MaischDIE GRÜNEN - Kleinanlegerschutzgesetz
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ordnung im Grauen Kapitalmarkt zu schaffen, war überfällig, und der vorliegende Gesetzentwurf ist dafür ein wichtiger Schritt. Darüber, ob die SPD deshalb gleich die Sonne scheinen lässt, Herr Kollege Sieling, kann man sicherlich diskutieren.
(Dr. Carsten Sieling [SPD]: Sie scheint freiwillig für uns!)
Aber es ist wichtig gewesen, hier Ordnung zu schaffen.
Wir Grünen haben eine Studie in Auftrag gegeben, die ergeben hat, dass deutsche Verbraucherinnen und Verbraucher jährlich um 30 Milliarden Euro geschädigt werden, die sie im Grauen Kapitalmarkt versenken. Wir alle wissen aus Gesprächen mit geschädigten Anlegern, dass dies häufig Leute sind, die ihre Altersvorsorge versenken bzw. ihre Existenz vernichten. Wir haben alle entsprechende Briefe bekommen und Gespräche geführt: Damit sind Schicksale verbunden, die niemanden von uns kaltlassen können.
Das waren, Herr Kollege Michelbach, keine klassischen Gier-frisst-Hirn-Geschichten – dafür sind es einfach zu viele Fälle –, es waren wirklich oft Leute,
(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Es waren Leute, die nicht lesen können!)
die gutgläubig Beratern und Vertriebsleuten vertraut haben und hohe Schäden in Kauf nehmen mussten. Deshalb ist es richtig, hier im Kleinanlegerschutzgesetz den Grauen Kapitalmarkt zu regulieren.
Aber lassen Sie mich Folgendes sagen: Wenn man wirklich Kleinanlegerschutz betreiben will, dann gibt es durchaus im Finanzmarkt noch andere Dinge zu tun. Da geht es um Riester-Verträge, die nicht passgenau sind, da geht es um Lebensversicherungen, die viel zu oft frühzeitig gekündigt werden, weil sie zu den Lebensrealitäten der Menschen nicht passen, da geht es um Bausparverträge, die jetzt zu Tausenden gekündigt werden, weil die Banken die Kunden loswerden wollen. Das heißt, Kleinanlegerschutz betrifft nicht nur den Grauen Kapitalmarkt, sondern das ist deutlich mehr.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Aber zurück zum Gesetz. Sie erfüllen damit vieles, was wir seit Jahren fordern: Nachrangdarlehen regulieren, kollektiven Verbraucherschutz bei der BaFin etablieren, Nachschusspflichten verbieten. Das ist alles richtig, das ist alles gut. Dieses Kompliment geht nicht nur an Sie, sondern natürlich auch an uns, weil wir als Opposition im Gesetzgebungsprozess noch wichtige Aspekte einbringen konnten.
Ich finde, das Gesetz ist im Beratungsverfahren auch besser geworden, was die Ausnahmen für die solidarische Ökonomie angeht; denn es ist auch eine wichtige Seite des Grauen Kapitalmarkts, Geldquelle für gesellschaftlichen Fortschritt zu sein, Geldquelle dort zu sein, wo klassische Finanzierungswege versagen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Man muss sagen: Nicht alle Bedenken, die von den Initiativen im Gesetzgebungsprozess geäußert wurden, waren begründet; aber es war trotzdem sehr gut, den sehr restriktiven Gesetzentwurf, den Sie zu Anfang vorgelegt hatten, nämlich mit nur 1 Million Euro Obergrenze für die Nachrangdarlehen, die die solidarische Ökonomie einsammeln darf, mit sehr restriktiven Regelungen zu der Frage, wie hoch die Verzinsung sein darf, anzupassen und die Tür für die solidarische Ökonomie weiter aufzumachen. Das war richtig, und das war auch ein Verdienst der parlamentarischen Beratungen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Wir Grüne glauben, dass Verbraucherschutz und mehr Beinfreiheit für die solidarische Ökonomie zusammen funktionieren. Wir sind der Auffassung, dass man beides zusammenbringen kann. Hier möchte ich Ihnen drei Punkte nennen, bei denen, wie wir glauben, der Gesetzentwurf noch Luft nach oben gehabt hätte und man ihn noch besser hätte machen können.
Das Erste ist der Punkt Anlegerinformation. Hier waren wir uns in den Beratungen eigentlich einig, dass bei den Wertpapierprospekten Verbesserungsbedarf besteht. Wir sind der Auffassung, dass nicht nur spezialisierte Anwältinnen und Anwälte diese verstehen können sollen, sondern auch der interessierte Verbraucher. Deshalb brauchen wir eine Standardisierung dieser Prospekte mit einer Struktur, die auch Leute, die nicht promovierte Anwälte oder Finanzexperten sind, verstehen können. Hier hat der Gesetzentwurf keine Verbesserungen gebracht. Das empfinde ich als eine vertane Chance.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das zweite Thema ist Crowdinvesting. Crowdinvesting und Crowdfunding sind wichtige Instrumente, um Projekte zu finanzieren, die von den Banken kein Geld bekommen. Wir brauchen mehr Risikokapital in Deutschland; das ist unbestritten. Trotzdem finden wir, dass solche hochriskanten Investments – das sind nun mal die Finanzierungen von Start-ups – vernünftig reguliert werden müssen. Hier hätte man bei den Plattformen ansetzen sollen. Wir sind der Meinung: Diese Plattformen gehören unter die Aufsicht der BaFin.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Dritter Punkt. Bei der solidarischen Ökonomie haben wir lange darüber gestritten, was die richtigen Ausnahmen sind. Ich denke, dass die 2,5 Millionen Euro, die jetzt im Gesetzentwurf stehen, vielleicht für heute tragfähig sind. Aber wenn wir uns anschauen, wie in den größeren Städten die Immobilienpreise explodieren – jeder, der sich im Freundeskreis umhört, was heute ein Einfamilienhaus auch in mittelgroßen, nicht so attraktiven Städten kostet, schlackert mit den Ohren –, dann werden wir relativ schnell feststellen, dass gerade im Immobilienbereich die Summe, die die Projektträger brauchen, um Häuser oder Grund und Boden zu kaufen, sehr schnell nach oben gehen wird. Deshalb denke ich, dass wir bei der Überprüfung des Gesetzes sehr schnell zu einem Punkt kommen werden, an dem wir feststellen werden, dass diese 2,5 Millionen Euro für heute vielleicht ausreichend sind, aber für die Zukunft wahrscheinlich zu knapp bemessen sind.
Denken Sie bitte an die Zeit.
Alles in allem: Der Gesetzentwurf ist sicher ordentlich, aber es wäre an einigen Stellen noch Luft nach oben gewesen. Deshalb werden wir uns enthalten.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank. – Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt Mechthild Heil das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4962702 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 100 |
Tagesordnungspunkt | Kleinanlegerschutzgesetz |