23.04.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 100 / Tagesordnungspunkt 4

Mechthild HeilCDU/CSU - Kleinanlegerschutzgesetz

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Spricht man über den Grauen Kapitalmarkt, fällt natürlich immer der Begriff Prokon. Heute ist es genauso. Prokon, das ist der Inbegriff für Regulierungsdefizite geworden. Prokon ging Anfang letzten Jahres durch die Medien als einer der größten Anlegerskandale der letzten Jahre. Auf großen Tafeln, auch in der U-Bahn – das hat am meisten für Verärgerung gesorgt – warb dieses Unternehmen für seine Genussscheine. Die erneuerbaren Energien lagen schon damals im Trend. Davon haben sich viel zu viele Anleger blenden lassen, und sie haben Prokon-Anteile erworben, obwohl das Geschäftsmodell alles andere als eine sichere Anlage war. Das bittere Ende ließ dann nicht lange auf sich warten: Es ist davon auszugehen, dass die meisten Anleger wahrscheinlich 50 Prozent ihrer Investitionen verloren haben. Der Fall Prokon hat einmal mehr deutlich gemacht, dass wir engere Grenzen für Informationspflichten auf dem Grauen Kapitalmarkt setzen müssen.

Die CDU/CSU-Fraktion und ganz besonders unser Finanzminister Wolfgang Schäuble haben mit der Erarbeitung des vorliegenden Gesetzentwurfs schnell und entschlossen gehandelt und werden – das freut mich am meisten – die Position der Verbraucher in dieser Frage nachdrücklich stärken. Dabei erfreuen mich insbesondere drei Aspekte dieses Gesetzes: Die Prospektpflichten werden konkretisiert und erweitert, der Warnhinweis – darüber haben wir schon gesprochen – wird gestärkt, aber auch der kollektive Verbraucherschutz wird als Aufsichtsziel bei der BaFin verankert.

Verbraucher müssen nun auf dem Grauen Kapitalmarkt über Art, Gegenstand und Risiken der Anlage aufgeklärt werden. Dies muss angemessen erfolgen. Also: Wenn ein Totalverlust droht, muss der Kunde darüber auch aufgeklärt werden. Der Anleger kann damit Chancen und vor allem Risiken besser einschätzen und auch, ob eine Anlage eine sinnvolle Investition darstellt oder eben nicht.

Aber das reicht uns noch nicht. Wir gehen weiter; denn auch bei Prokon gab es diese Informationen, gab es schon einen Warnhinweis. Wir tun noch mehr: Wir rücken die Verbraucherpolitik weiter in den Mittelpunkt der Finanzaufsicht. Die BaFin erhält – neben dem Verbraucherbeirat – weitere Kompetenzen. Sie kann nun den Vertrieb bestimmter Produkte beschränken oder sogar verbieten, und sie darf nun auch gegenüber Anbietern und Emittenten Werbeverbote verhängen. Wir geben der BaFin also die richtigen Mittel – ich würde es so ausdrücken: sogar ein scharfes Schwert – in die Hand, um Missständen bei der Werbung für Vermögensanlagen zu begegnen. Außerdem stärken wir das Verständnis für Verbraucheranliegen bei der BaFin.

Es sollte so möglich sein, dass es eine zweite Causa Prokon nicht mehr geben wird oder dass eine solche zumindest erschwert wird. Ich sage bewusst „erschwert wird“; denn Verbraucher, die hohe Renditen erzielen wollen und dafür bereit sind, trotz aller Warnhinweise hohe Risiken in Kauf zu nehmen, wird es weiterhin geben. Diese werden aber in Zukunft deutlich besser über ihre Ausfallrisiken informiert werden.

Wir können nicht alle Gefahren dieser Welt wegregulieren. Aber wir können dafür sorgen, dass Verbraucher besser einschätzen können, welche Produkte für sie infrage kommen und welche eben nicht. So bewegt sich die Verbraucherpolitik immer im Spannungsfeld zwischen dem Schutz der Verbraucher und der Freiheit der Verbraucher. Wir müssen uns immer fragen, ob und inwieweit eine Regulierung des Marktes notwendig ist und zu den gewünschten Ergebnissen führt. Denn der Verbraucher – nicht der Staat – muss am Ende entscheiden, welches Produkt ihn überzeugt. Daher begrüße ich auch, dass wir davon Abstand genommen haben, Werbung nur in Fachzeitschriften oder etwa nur im Wirtschaftsteil der FAZ zu erlauben. Wir werden nämlich keinem Leser, egal welcher Zeitung oder Zeitschrift, unterstellen, dass er keine Finanzentscheidung treffen könne. Für Verbote und Vorschriften, für die Entmündigung einzelner Verbrauchergruppen, sind andere Fraktionen bekannt. Das wird es mit uns nicht geben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir sagen: Der Verbraucher soll selbst entscheiden können, und dafür braucht er gute Informationen und vor allen Dingen auch Auswahlmöglichkeiten. Dies wollen wir ermöglichen, und gleichzeitig wollen wir den Wettbewerb zwischen den Anbietern zulassen. Die neuen Informationspflichten überfordern kleine Unternehmen nicht. Anbieter von Crowdinvesting im Start-up-Bereich werden an den Prospektpflichten jedenfalls nicht scheitern. Der Trend ist klar: Immer mehr Verbraucher wollen Projekte unterstützen, die neben einer sinnvollen Geldanlage auch noch andere Aspekte abdecken, also andere Effekte haben, ja, man könnte sagen: die einen anderen Mehrwert haben. Und das ist gut so. Das unterstützen wir auch.

Es gibt Anleger, die Ideen, die sie gut finden, die sie begeistern, fördern wollen. Das reicht dann – wir haben heute schon ein paar Beispiele gehört – von der Filmproduktion über die Musikproduktion, den Anteil an einem Verlag oder einem Buch bis hin zu bestimmten Bauprojekten. Das tun sie in der Regel mit vergleichsweise kleinem Geld. Damit erhalten junge Unternehmen die Möglichkeit, frische Ideen, Produkte und Dienstleistungen auf den Markt zu bringen, die anderweitig keine oder nur eine unzureichende Finanzierung erfahren würden, auch weil von Banken das Risiko vielleicht als zu hoch eingeschätzt wird.

Für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion kann ich feststellen: Wir bringen auf dem Grauen Kapitalmarkt die Verbraucher weiter auf Augenhöhe mit den Anbietern. Am Ende entscheidet natürlich nach wie vor der Einzelne selbstständig und eigenverantwortlich über seine Anlage. Die CDU/CSU ist ein Gewinn für die Verbraucher, und das Kleinanlegerschutzgesetz wird es auch sein.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank. – Das Wort hat jetzt Dr. Julia Verlinden, Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4962717
Wahlperiode 18
Sitzung 100
Tagesordnungspunkt Kleinanlegerschutzgesetz
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