Frank SteffelCDU/CSU - Kleinanlegerschutzgesetz
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe den Eindruck: Nach 13 Rednerinnen und Rednern ist inhaltlich und im Detail zu diesem Gesetzentwurf eigentlich alles gesagt, was es zu sagen gibt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie müssen die fünf Minuten nicht ausschöpfen!)
Deshalb möchte ich die Gelegenheit nutzen und insbesondere unseren Zuhörerinnen und Zuhörern und unseren Zuschauern verdeutlichen, wie dieses Gesetz zur Information und zum Schutze der Bürgerinnen und Bürger entstanden ist. Das wird sie insbesondere dann interessieren, wenn sie sich als Kleinanleger engagieren.
Der Ausgangspunkt dieses Gesetzes war erstens der Koalitionsvertrag und zweitens eine Vorlage der beiden Minister Schäuble und Maas, die im Mai vergangenen Jahres, also ziemlich genau vor einem Jahr, erste Grundzüge eines Kleinanlegerschutzgesetzes vorgestellt haben. Im November 2014 hat das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf beschlossen, der dem Bundesrat zugeleitet wurde. Der Bundesrat hat uns bemerkenswerte 30 Änderungsvorschläge in die parlamentarische Beratung mitgegeben.
Wir, das heißt die Fraktionen CDU/CSU und SPD, der Finanzausschuss und die übrigen Fraktionen dieses Hauses, haben uns ab 27. Februar – das war der Tag der ersten Lesung hier im Deutschen Bundestag – noch intensiver mit den Details des Gesetzentwurfs beschäftigt. Das ist gerade einmal acht Wochen her. In diesen acht Wochen haben mich über 60 Organisationen, Vereine und Interessengruppen angerufen, angeschrieben und persönlich informiert. Hunderte von Bürgerinnen und Bürgern haben sich an uns gewendet, die Probleme mit einzelnen Passagen des Gesetzes oder Hinweise und Anregungen hatten. Wir haben uns bemüht, all diese Anregungen ernst zu nehmen. Dafür gibt es übrigens im Deutschen Bundestag – was die deutsche Öffentlichkeit, wie ich finde, viel zu wenig bemerkt – Anhörungen.
Am 16. März dieses Jahres, also vor vier Wochen, gab es eine Anhörung im Deutschen Bundestag, in der alle Betroffenen, alle Organisationen, alle Verbände und sehr viele Fachleute die Gelegenheit hatten, uns, den Abgeordneten, im persönlichen Gespräch ihre Anregungen, ihre Hinweise und ihre Stellungnahme mit auf den Weg zu geben. Entgegen dem häufig zitierten Vorurteil, Einfluss auf die Politik hätten nur die großen und finanzkräftigen Lobbyverbände, kann ich Ihnen aus der Praxis berichten, dass die Mehrzahl der Änderungswünsche und Anregungen von kleinen Vereinen, von kleinen sozialen Projekten, von sehr vielen Genossenschaften, von Kirchen, von Bürgerinitiativen und von vielen Bürgerinnen und Bürgern kam, die sich Gott sei Dank sehr leidenschaftlich für ihre Kommune und für unsere Gesellschaft engagieren. So hat ein Stadtbauernhof aus Saarbrücken darauf hingewiesen, dass die Begrenzung des Zinssatzes seine Akquise von Geld deutlich erschwert, weil selbst begeisterte Mitbürger wenigstens 1 oder 2 Prozent Zinsen haben wollen, wenn sie ihr Geld für lange Zeit in ein Projekt investieren. Das hat dazu geführt, dass wir in diesem Gesetz eine Zinsgrenze von 1,5 Prozent festgelegt haben.
Mitarbeiter eines Solarprojektes der Universität Potsdam haben uns detailliert dargelegt, dass das generelle Werbeverbot die Erreichung der notwendigen Anlegerzielgruppen sehr erschwert. Man hat uns dringend gebeten, das generelle Werbeverbot zu überdenken. Wir haben das getan. Wir haben den Warnhinweis verschärft und seriöse Werbung in allen Medien zugelassen.
Ein Wohnprojekt aus Erfurt hat befürchtet, dass die Prospektpflicht zukünftig auf dieses Wohnprojekt durchschlägt, und dringend darum gebeten, dass soziale Projekte unabhängig von ihrer Rechtsform die Möglichkeit haben, Ausnahmen im Sinne dieses Gesetzes zu nutzen. Auch dem haben wir Rechnung getragen. Auch diese Forderung wurde in den Gesetzentwurf eingearbeitet.
Ein Sozialprojekt aus Freiburg hat uns angeschrieben und gesagt, die vorgesehene Obergrenze von 1 Million Euro, die für die Befreiung von der Prospektpflicht vorgesehen war, sei deutlich zu gering. Es gebe größere Projekte, die ebenfalls eine wichtige soziale Funktion erfüllen. Deswegen haben wir uns entschieden, 2,5 Millionen Euro als Grenze für die Prospektpflicht in den Gesetzentwurf zu schreiben. Das führt dazu, dass man durch zusätzliches Fremdkapital 7 Millionen, 8 Millionen, 9 Millionen oder 10 Millionen Euro für soziale Projekte in Deutschland zusammensammeln kann.
Viele Verbraucherschützer haben uns gebeten, über ein Provisionsverbot nachzudenken und insbesondere ein vierzehntägiges Widerrufsrecht sehr klar und präzise zu formulieren. Auch das haben wir getan. Auch diese Anregung der Verbraucherschützer haben wir gerne umgesetzt.
Die Caritas, die Diakonie, das Rote Kreuz und viele andere Wohlfahrtsverbände äußerten die Sorge, dass insbesondere Spender- und Stifterdarlehen an gemeinnützige Organisationen von diesem Gesetz betroffen sind. Sie haben uns dringend gebeten, deutlich zu machen, dass wir genau sie nicht treffen wollen. Das haben wir am gestrigen Tage im Finanzausschuss gemeinsam ergänzend verabschiedet und im Ausschussbericht festgehalten.
Der Bundesverband Deutscher Stiftungen hat darauf hingewiesen, dass für gemeinnützige Stiftungen und Vereine die Buchführungs- und Bilanzierungsregeln heute bewusst vereinfacht sind und mit diesem Gesetz deutlich mehr Bürokratie aufgebaut werde. Auch das haben wir verhindert. Auch hier haben wir im Gesetzgebungsverfahren nachjustiert.
Unzählige Sportvereine, zahlreiche Kulturprojekte und auch viele freie Schulen hatten die Sorge, dass sie künftig noch stärker mit bürokratischen Aufgaben beschäftigt sind, was Kosten verursacht, dass sie noch mehr tun müssen, wenn sie für Investitionen in den Bereichen Schule, Verein oder Kultur Darlehen von Eltern oder Mitgliedern in Anspruch nehmen wollen. Sie baten deshalb um eine Sonderregelung für gemeinnützige Organisationen. Auch diese Sonderregelung für gemeinnützige Organisationen haben wir gerne und sehr bewusst ins Gesetz geschrieben. Es war uns wichtig, Ehrenamtliche, die sich engagieren, nicht an den Schreibtisch zu fesseln, sondern sie einfach ihre Arbeit machen zu lassen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
– Danke schön. – Es war uns wichtig, ihnen damit zu zeigen, dass sie bei uns einen Vertrauensvorschuss genießen, dass nicht ehrenamtliche Organisationen, soziale Projekte, gemeinnützige Projekte für die Probleme des Grauen Kapitalmarkts in Deutschland verantwortlich waren. Wir wollen die Menschen in Deutschland ermutigen, sich in solchen Projekten zu engagieren. Viele engagieren sich übrigens mit ihrem eigenen, schwer erarbeiteten Geld.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Der Bundesverband Deutsche Startups kam mit der dringenden Bitte auf uns zu, die Projektobergrenze für Crowdfunding von 1 Million Euro anzuheben. Wir haben das gerne getan – viele Vorredner haben darauf hingewiesen –, weil wir natürlich dazu beitragen wollen, dass die deutsche Crowdfunding-Branche in Europa führend wird, investieren kann und so Arbeitsplätze in Deutschland entstehen können.
Der Verband BITKOM hat uns auf den Medienbruch hingewiesen und gesagt: Es macht doch keinen Sinn, dass jemand, der sich im Internet informiert hat und 100 Euro investieren möchte, Formulare ausdrucken und faxen muss. Das macht das Ganze kompliziert. Gebt uns doch die Möglichkeit – mit einem verschärften Warnhinweis und einem verschärften Widerrufsrecht –, dass über das Internet kleinere Beträge direkt und unmittelbar investiert werden. – Auch dieser Anregung haben wir im Gesetzgebungsverfahren gerne Rechnung getragen.
Die Crowdfunding-Branche und viele kleine Unternehmen haben uns dringend darum gebeten, die Werbebeschränkung im Internet zu lockern, weil das Internet ihr Vertriebskanal ist. Ein Werbeverbot hätte für diese Unternehmen im Ergebnis ein Vertriebsverbot bedeutet. Deshalb haben wir diesen kleinen Unternehmen sehr bewusst die Möglichkeit eingeräumt, bei Facebook, Twitter und vielen anderen sozialen Medien und Netzwerken im Internet für ihre Projekte, für ihre Start-up-Unternehmen zu werben.
Viele Wirtschaftsprofessoren und Fachleute haben darauf hingewiesen, dass es ein Unterschied ist, ob ein Kleinanleger eine Privatperson ist oder ob es sich um ein Unternehmen handelt, beispielsweise eine GmbH oder eine AG, und dass die Schutzbedürftigkeit bei Investitionen hier durchaus unterschiedlich ist. Deshalb haben wir dafür gesorgt, dass die Zeichnungsgrenze von 10 000 Euro beim Crowdfunding für Kapitalgesellschaften aufgehoben wurde. Diese Unternehmen sollten wissen, was sie tun. Das unterscheidet sie möglicherweise von dem einen oder anderen Kleinanleger.
Im Ergebnis kann ich Ihnen zusammenfassend sagen – das zeigt Ihnen allen die heutige Debatte –: Wir haben eigentlich fast alle Anliegen von Bürgerinnen und Bürgern, von Vereinen und sozialen Organisationen in diesem Gesetz berücksichtigen können. Insofern ist die Enthaltung der beiden Oppositionsfraktionen im Deutschen Bundestag die höchste Form der Zustimmung, die in einer parlamentarischen Demokratie üblich ist.
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir unterstreichen damit, dass es uns allen gemeinsam um ein berechtigtes Anliegen geht. Das zeigt sich auch darin – der Kollege Sieling hat darauf hingewiesen –, dass die Koalitionsfraktionen in Zusammenarbeit mit den Ministerien offensichtlich ordentliche Arbeit geleistet haben.
Ich möchte mich sehr herzlich bei allen Bürgerinnen und Bürgern, bei allen Vereinen und Organisationen bedanken, die sich die Zeit genommen haben, uns Politikern bei diesem Gesetz zu helfen, uns Anregungen zu geben und uns ihre Anliegen und ihre Sorgen präzise und klar – gesetzespräzise und gesetzesklar – vorzutragen. Ich möchte Sie auch ermuntern, das bei weiteren Gesetzesvorhaben genauso zu tun. Glauben Sie mir, der Deutsche Bundestag und die Abgeordneten des Deutschen Bundestag freuen sich über Ihre Anregungen und beziehen sie gerne, wie dieses Gesetzgebungsverfahren beweist, in ihre parlamentarische Arbeit ein.
Ich möchte den Sozialdemokraten, vor allem den Kollegen Sieling und Petry, sehr herzlich danken. Das Ergebnis ist vom Geist konstruktiver Zusammenarbeit getragen. Wir haben das sehr freundschaftlich, konstruktiv und lösungsorientiert miteinander hinbekommen.
Ich möchte auch mit einem Vorurteil, wenn ich das so sagen darf, ein Stück weit aufräumen. Dies betrifft Beamte in deutschen Ministerien. Was die Beamten der beiden zuständigen Ministerien hier geleistet haben – sie waren bereit, sich bis in die Nacht zu engagieren, und haben auch noch um 23 Uhr E-Mails beantwortet –, mag nicht die Regel sein, aber das zeigt, dass nicht alle Beamten in Deutschland gleich sind. Zumindest die Beamten, die an diesem Gesetz mitgearbeitet haben, sind fleißige, zielorientierte Beamte. Sie waren uns eine große Hilfe. Ich bitte die beiden Minister, diesen Dank weiterzutragen. Wir wollen die Beamten in Deutschland auch einmal loben, wenn es angebracht ist.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Meine Damen und Herren, wir als Parlament haben bei diesem Gesetz erstmalig die Gesellschaft für deutsche Sprache beteiligt. Denn uns ist klar: Wenn ein Autofahrer ein Verkehrszeichen nicht versteht, dann darf man sich nicht darüber beklagen, dass er falsch parkt. Genauso ist es bei diesem Gesetz. Das Gesetz ist für die Bürgerinnen und Bürger gemacht. Deswegen ist es uns als Gesetzgeber ein Anliegen, dass die Bürgerinnen und Bürger das Gesetz verstehen. Darum haben wir uns bemüht. Dabei hat uns die Gesellschaft für deutsche Sprache geholfen. Deshalb bin ich sicher, dass dieses Kleinanlegerschutzgesetz ein verständliches Gesetz, ein gutes Gesetz ist und dass es gleich eine große Zustimmung und so gut wie keine Gegenstimmen hier im Deutschen Bundestag geben wird.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank. – Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt erhält jetzt der Kollege Lothar Binding, SPD-Fraktion, das Wort.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4962798 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 100 |
Tagesordnungspunkt | Kleinanlegerschutzgesetz |