Lothar BindingSPD - Kleinanlegerschutzgesetz
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Kollege Steffel hat gerade gesagt, dass wir uns sehr über Einmischung und über Anregungen von Bürgern freuen. Wir bekommen wirklich exzellente Hinweise auf die konkreten Wirkungen von gesetzlichen Formulierungen. Ich freue mich aber immer weniger über Massenpost.
(Beifall der Abg. Mechthild Heil [CDU/CSU])
Dies sieht meist so aus: Jemand schreibt: „Sehr geehrter Herr Binding“, und dann folgt ein gestohlener Text aus dem Netz oder ein Text, den man sich dort geklickt hat. Solch ein Text ist eigentlich keine Meinung, die man sich gebildet hat, sondern eine Meinung, die man sich geklickt hat. In „sich eine Meinung bilden“ kommt das Wort „Bildung“ vor. Unter diesem geklickten Text steht dann: „Ich bin ganz persönlich an Ihrer Meinung interessiert. Viele Grüße“, und dann kommt der Name. Sie haben nicht mehr gemacht, als zweimal zu klicken und es wegzuschicken.
Wir bekommen dann 100 Seiten Text oder 100 solcher Mails. Das bedeutet, dass unsere Arbeitskapazität durch Antworten an Leute, die keine eigenen Texte geschrieben haben, aufgefressen wird. Ich muss sagen: Das lähmt uns wirklich. Jeder individuelle Brief ist uns sehr viel wert. Er wird auch liebevoll und fachlich korrekt beantwortet. Diese Anregungen kommen an. Darauf wollte ich einmal hinweisen; denn Massenpostverfahren führen nicht zu einer besseren Qualität der Arbeit.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Ganz wichtig: Wenn wir Kleinanleger und Verbraucher schützen und das Ganze gesetzlich regulieren wollen, ist es von Vorteil – das wurde schon angedeutet –, wenn die Verbraucher, die Kleinanleger und alle Leute das, was wir für sie regulieren, lesen und verstehen können. Nicht alle Verbraucher sind Juristen, und nicht alle Verbraucher sind Germanisten oder Finanzexperten. Wir müssen selbstkritisch sagen: Wir haben uns eine Sprache angewöhnt, die für viele gewöhnungsbedürftig ist. Es ist sicher nicht so, dass wir immer so reden, dass es alle Leute verstehen. Aber jeder hat das Recht, uns zu verstehen, speziell dann, wenn wir etwas für ihn regeln.
Deshalb müssen wir in diesem Fall Frau Dr. Sibylle Hallik von der Gesellschaft für deutsche Sprache dankbar sein – wir sind es auch –, die endlos viele Vorschläge gemacht hat, in diesem Gesetzentwurf Vereinfachungen vorzunehmen und eine bessere Verständlichkeit herzustellen. Diese Initiative geht eigentlich zurück – um daran einmal zu erinnern – auf den Kollegen Dr. Ole Schröder, heute Parlamentarischer Staatssekretär, und mich. Wir haben erreicht – ein ganz großes Ergebnis –, dass im BMJV heute immerhin eine eigene Abteilung zur Verbesserung der Verständlichkeit der Sprache existiert. Es gibt sie seit einigen Jahren, und sie wurde auch ausgebaut; das ist ein großer Erfolg.
Wir hatten von Anfang an die Idee, eine solche Institution auch für das Parlament zu schaffen. Denn das, was die Exekutive vorlegt, wird von uns verändert. Wenn es sprachlich zum Schlechten verändert wird, dann versteht es keiner. Deshalb sagen wir: Wir brauchen eine solche Einrichtung auch für das Parlament. Diese Vorgehensweise ist hier – ich glaube, das ist ein großer Erfolg – das erste Mal in einem Gesetzgebungsverfahren systematisch angewandt worden.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Ich möchte mich auch bei den beiden Ministern bedanken. Es ist eine Gratwanderung zwischen Verbraucherschutz einerseits und den Freiheitsgraden beim Crowdfunding – davon haben wir gehört – und bei der Finanzierung sozialer und ökologischer Projekte andererseits. Es wird mit Sicherheit so sein: Wir werden jetzt zu wenig Verbraucherschutz betrieben haben, und die Freiheit der Geldanleger wird zu klein sein. Egal was passiert: Auf einer der beiden Seiten müssen wir mit Sicherheit verbessern und nachjustieren. Dafür brauchen wir Erfahrungen. Wenn jemand sein Geld verliert, ist völlig klar, wer daran Schuld hat: dieses Gesetz. Denn oft – das ist auch mit Blick auf Prokon zu beobachten gewesen – schalten die Leute ihren gesunden Menschenverstand aus. Wenn ich am Markt überall 1 Prozent Zinsen bekomme und mir jemand 8 Prozent bietet, könnte mir das ja zu denken geben. Ich könnte denken, dass nicht die ganze Welt so dumm ist, ihr Geld dann für nur 1 Prozent anzulegen. Aber viele Leute glauben: Ich erziele natürlich 8 Prozent. – Daran merkt man: Man braucht den gesunden Menschenverstand im Hintergrund sehr wohl.
Ich möchte noch jemandem danken, der sich auch daran gewöhnen musste, dass es diese Sprachbetrachtung gibt, nämlich dem Regierungsdirektor Jürgen Rödding, der eigentlich die Substanz für dieses Gesetz geliefert hat. Er hat exzellent mit der Gesellschaft für deutsche Sprache zusammengearbeitet. Das Produkt kann sich sehen lassen, auch wenn noch Aufgaben vor uns liegen.
Wer das ein bisschen genauer nachlesen will, der kann sich zum Beispiel den neuen § 2 a des Vermögensanlagegesetzes anschauen. Hier haben wir Verweisketten formuliert. Wer sie auf Anhieb versteht, dem müssen wir, glaube ich, kräftig gratulieren; denn diese Verweisketten sind unverständlich. Daran gilt es sicherlich weiter zu arbeiten. Deshalb: Wenn wir diesen Prozess der sprachlichen Begleitung auch bei den nächsten Gesetzgebungsverfahren anwenden, haben wir sehr viel gewonnen. Heute sind wir einen ersten großen Schritt gegangen.
Vielen Dank.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4962809 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 100 |
Tagesordnungspunkt | Kleinanlegerschutzgesetz |