Kerstin AndreaeDIE GRÜNEN - Aktuelle Stunde: Einfluss von Interessenvertretern auf die Infrastrukturpolitik
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da ist gerade eine ganz schöne Menge Überheblichkeit in der Debatte.
(Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Das ist eure Spezialität!)
Aber einmal der Reihe nach.
Ein Problem dieser Kommission war, dass zwei Bereiche miteinander vermengt wurden. Der eine ist die Frage der Investitionen. Wir haben heute Morgen schon gesagt, dass wir für eine Antwort keine Kommission gebraucht hätten. Das hätten wir auch so gewusst. Aber okay: Die Experten haben es Ihnen noch einmal aufgeschrieben. Es gibt eine echte Investitionslücke, sowohl von privater als auch von öffentlicher Seite. Der andere ist die Frage, wie Geld angemessen und sicher verzinst angelegt werden kann. Diese Vermengung war ein grundsätzlicher Konstruktionsfehler.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Der Bundeswirtschaftsminister hat im letzten Jahr angekündigt, er wolle den Lebensversicherungen attraktive Angebote machen, sich an der Finanzierung der öffentlichen Infrastruktur zu beteiligen. Ich frage: Was heißt das denn in einer Phase, in der die Rendite niedrig ist? Das heißt doch nur, dass es teurer wird, weil das Ganze über eine höhere Rendite bezahlt werden muss.
(Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: So ein Quatsch!)
Das ist der Konstruktionsfehler gewesen. Sie haben zwei Dinge miteinander vermischt. Es ist wie ein Trojanisches Pferd: von außen nett – Kita, Schule, bessere Brücken – und innen ist der Rettungsschirm für die Versicherungen; innen sind neue verdeckte Staatsschulden, für die letztlich die Bürgerinnen und Bürger aufkommen müssen. Das ist das Problem.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Susanna Karawanskij [DIE LINKE] – Marcus Held [SPD]: Wo steht das denn? – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Auf welcher Seite steht das denn?)
Ich teile die Kritik an der Zusammensetzung dieser Kommission; das war ein zweiter Fehler. Hätte es dort unterschiedliche Interessenvertretungen gegeben, wäre der Lobbyismusvorwurf an dieser Stelle gar nicht aufgekommen. Außerdem gehörte ihr niemand an, der sich für das Bezahlen zuständig fühlte. Der Bund der Steuerzahler ist nicht der Freund der Grünen; dennoch hätten wir ihn in dieser Kommission gern vertreten gesehen. Die Verbraucherschützer hätten wir dort ebenfalls gern vertreten gesehen. Auch zivilgesellschaftliche Organisationen und NGOs hätten wir dort gern vertreten gesehen. Dass ihr nur 3 Frauen, aber 18 Männer angehörten, sei nur am Rande erwähnt. Die Zusammensetzung dieser Kommission hat halt nicht gestimmt. Das ist ein Problem ihrer Ausrichtung gewesen. Sie haben Verträge zulasten Dritter gemacht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Jetzt zu dem Einwand, wir hätten dies alles nicht gelesen. So etwas akzeptiere ich nicht, weil wir erstens sehr wohl alles gelesen haben und weil es zweitens ein unverfrorener Vorwurf ist.
(Alexander Funk [CDU/CSU]: Dann haben Sie es nicht verstanden!)
Jetzt sage ich Ihnen einmal, was ich Ihnen vorwerfe: Sie, Herr Heil, und Sie, Herr Beckmeyer, haben gesagt: Na ja, da steht doch – Seite 41 –, diese Verkehrsinfrastrukturgesellschaft sei vollständig in Bundesbesitz. – Auf Seite 42 heißt es aber, man könne natürlich auch die Beteiligung Privater an dieser Gesellschaft ermöglichen. Private Anteilseigner, was ist das denn anderes als eine Teilprivatisierung dieser Infrastrukturen?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Um Gottes willen, das ist ja furchtbar! – Reiner Meier [CDU/CSU]: Wir leben doch nicht im Sozialismus! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)
– Meine Herren, natürlich haben wir es gelesen.
Aber wissen Sie, das Problem an all dem ist doch: Öffentliche Aufgabe ist, öffentliche Infrastruktur in öffentlicher Verantwortung bereitzustellen, und zwar in der für den Steuerzahler wirtschaftlichsten Form, nicht nur für die jetzigen Steuerzahler, sondern auch für die Steuerzahler in 20 Jahren. Die Koalition verlagert hier nämlich ein Problem in die Zukunft. Sie umgehen die Schuldenbremse. Beides verstößt gegen die Generationengerechtigkeit.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wenn Sie mir das nicht glauben
(Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Das ist unglaublich!)
– ja, das ist unglaublich –, dann würde ich Ihnen empfehlen, einmal mit dem Herrn Rehberg zu sprechen. Das ist Ihr Chefhaushälter. Ihnen von der SPD würde ich einmal empfehlen, mit Herrn Kahrs zu sprechen; das ist Ihr Chefhaushälter. Die Rede war von hartem Widerstand der Haushälter im Bundestag. Herr Kahrs sagt: Das wäre eine staatliche Gesellschaft zur Umgehung der Schuldenbremse. – Ach!
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha! Nichts anderes sagen wir!)
Er sagt: Es gibt keinen Grund, warum der Bundestag Versicherungen Rendite beschaffen soll. – Ach! Der Herr Rehberg sagt: Als Haushälter – Ihr Haushälter! – bin ich strikt dagegen, Schattenhaushalte einzurichten.
(Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Macht doch keiner! – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wir diskutieren die Vorschläge!)
Danke schön, das ist genau das, was auch wir Ihnen vorwerfen. Es bringt zum Ausdruck, was wir befürchten und was hier passiert. Hören Sie auf Ihre Haushälter, wenn Sie schon nicht auf uns hören.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Private Investitionen sind Schattenhaushalte? Das ist absurd!)
Die Linke schwingt hier die große Keule, indem sie von den Lobbyisten am Kommissionstisch spricht. Ich finde, man muss eins zugutehalten: Diese Kommission tagte öffentlich. Es war transparent, wer in dieser Kommission war. Dass andere ihr nicht angehört haben, die wir gerne in ihr vertreten gesehen hätten, habe ich Ihnen gesagt.
Wissen Sie, was das Problem ist? Das Problem ist doch eigentlich: Jetzt geht es erst los. Jetzt geht es nämlich an die Ausgestaltung von dem Ganzen. Es gab – das wissen Sie – zwischen 2004 und 2006 in Ministerien zeitweise 300 Beschäftigte aus Wirtschaftsunternehmen, die an Gesetzen und Verordnungen mitgeschrieben haben, die ihnen genutzt haben. Deswegen fordern wir Grüne schon seit langem ein Lobbyistenregister, aus dem transparent hervorgeht, wer wen bei welchen Themen und mit welchem finanziellen Aufwand vertritt. Denn jetzt geht das Geschacher los.
Meine Redezeit geht zu Ende; deswegen nenne ich noch ein Beispiel. Die ÖPP-Projekte, die hier im Raum stehen, nutzen genau vier großen Unternehmen. Der Mittelstand ist draußen. Das Handwerk wehrt sich gegen diese Pläne. Herr Wollseifer sagt: Solche Modelle verdrängen den Mittelstand aus dem öffentlichen Raum.
Wir werden sehr genau aufpassen, wie Sie diese Infrastrukturgesellschaft für Bundesfernstraßen umsetzen, wer daran mitschreibt, wer davon profitiert. Die Aufgabe fängt jetzt erst an.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Nennen Sie doch die Namen der vier!)
Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Dr. Herlind Gundelach, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4963288 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 100 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde: Einfluss von Interessenvertretern auf die Infrastrukturpolitik |