Thorsten FreiCDU/CSU - Bilanz des Krieges in Afghanistan
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde schon, dass wir eine selbstkritische Debatte hier im Deutschen Bundestag führen, und zwar nicht nur heute, sondern auch in den vergangenen Monaten, in denen wir uns immer wieder mit Afghanistan beschäftigt haben. Ich finde es auch grundsätzlich richtig, unsere Außenpolitik einer kritischen Selbstreflexion zu unterziehen und das dann insbesondere auf dem großen Politikfeld zu machen, das in den vergangenen zehn Jahren ganz wesentlich unsere Außenpolitik geprägt hat, weil es unsere Kräfte und Mittel in schwieriger Zeit gebündelt hat. Ich bin aber dafür, dass man wirklich ehrlich miteinander umgeht.
Der Kollege Annen hat beispielsweise gerade ein Gespräch mit dem ehemaligen Präsidenten Karzai erwähnt, der darauf hingewiesen hat, wie die Zustände in Afghanistan waren, als er ins Amt gewählt wurde. Er hat sehr bildhaft beschrieben, dass er letztlich aus dem Nichts etwas aufbauen musste, weil keine Strukturen vorhanden waren und der afghanische Staat und das afghanische Volk nach dem Wegfegen der Taliban bei null beginnen mussten. Ich glaube, wenn man das zugrunde legt, dann muss man zugestehen, dass da eine unheimliche Entwicklung vonstattengegangen ist.
Meine Vorredner sind darauf eingegangen, dass ohne ein hinreichendes Maß an Sicherheit – dafür haben unsere Bundeswehr und unsere Soldatinnen und Soldaten gesorgt – eine solche Aufbauleistung nicht möglich ist. Aber das, was wir getan haben, ist auch weit darüber hinausgegangen. Wenn Sie bedenken, dass alleine zwischen 2002 und 2012 für mehr als 150 Programme und Projekte 2,8 Milliarden Euro an ziviler Entwicklungshilfe in das Land geflossen sind, dass wir drittgrößter Geber sind und für die weitere Zukunft unsere Unterstützung zugesichert haben, dann ist vollkommen klar, dass wir es mit diesem vernetzten und umfassenden Ansatz geschafft haben, die Entwicklung in Afghanistan zu verbessern und die Grundlagen dafür zu legen, dass die Afghanen selbst in der Lage sind, ihr Land zu regieren sowie für ein hinreichendes Maß an Sicherheit und auch für Wohlstand, wenn auch auf niedrigem Niveau, zu sorgen. Das ist der Erfolg dieser Politik. Das ist der Erfolg der internationalen Gemeinschaft und auch unser Erfolg hier in Deutschland.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist darauf eingegangen worden, dass sich vieles verbessert hat. Das kann man an nackten Zahlen sehen, etwa im Bereich der Infrastruktur, der Gesundheitsversorgung, der Energieversorgung – hier ist noch viel zu tun, aber es ist auch schon viel passiert –, im Straßen- und Wegebau, im Anwachsen der durchschnittlichen Lebenserwartung und in der Halbierung der Kinder- und Müttersterblichkeit seit 2001 sowie in der Versechsfachung des Bruttoinlandsprodukts seit 2001. Aber was ich ganz bemerkenswert finde: Neben dem umfassenden Zugang zu Bildung, auf den bereits eingegangen worden ist, ist Afghanistan im Bereich der bürgerlichen Freiheitsrechte, etwa bei der Pressefreiheit, besser als viele seiner Nachbarn, besser als der Iran, besser als Pakistan, besser sogar als Indien. Das ist absolut bemerkenswert, wenn man die Geschichte des Landes kennt. Damit sind wir insgesamt auf dem richtigen Weg.
In der vergangenen Woche hatten wir in Kabul auch Gelegenheit, uns über ein bilaterales Polizeiprojekt zu informieren. Dort ist sehr deutlich geworden, dass es nicht ausreicht, nur Geld in dieses Land zu bringen, sondern dass es darauf ankommt, unser Know-how, unsere Stärken und unsere Kompetenzen zur Verfügung zu stellen. Wenn ich sehe, wie erfolgreich dort gearbeitet wird, dann habe ich den Eindruck, dass die Menschen mit dem zufrieden sind, was wir an Unterstützung leisten können. Sie haben eher die Befürchtung, dass wir das Land verlassen, bevor die Aufgaben erledigt sind. Deshalb ist es ganz wichtig, dass wir eine ehrliche Debatte führen und in diesem Hause darüber nachdenken, was nach der Beendigung von Resolute Support passiert. Die übersteigerte Erwartungshaltung, von der heute bereits die Rede war, kommt auch daher, dass wir nicht die Geduld mitbringen, die beispielsweise die Vereinten Nationen für fragile Staaten vorsehen. Es heißt: Viele Erfolge werden häufig erst nach 15, 20 oder vielleicht sogar erst nach 30 Jahren sichtbar. Deswegen müssen wir darauf achten, dass die Erfolge, die erzielt worden sind, eine gewisse Nachhaltigkeit bekommen. Deswegen darf es in der Debatte nicht nur um eine Zwischenbilanz gehen. Die Debatte muss vor allen Dingen ein Ausgangspunkt dafür sein, wie wir die Aufgaben, die wir begonnen haben, auch in Zukunft gut erledigen können. Das ist die Verantwortung, die wir haben. Das sind wir dem afghanischen Volk schuldig.
Es geht um Vertrauen. Es geht um Verlässlichkeit. Es geht darum, dass wir den erfolgreich eingeschlagenen Weg weitergehen. Darauf brauchen wir eine Antwort. Diese Antwort geben wir mit der aktuellen Politik. Diesen Weg wollen wir weitergehen. Ich glaube, damit sind wir erfolgreich.
Herzlichen Dank.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4963973 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 100 |
Tagesordnungspunkt | Bilanz des Krieges in Afghanistan |