Helmut BrandtCDU/CSU - Karenzzeit für Regierungsmitglieder
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung hat – wie schon im Koalitionsvertrag vereinbart – nicht nur versprochen, eine Regelung vorzunehmen, sondern sie hat auch geliefert: Der Bundesinnenminister selbst hat heute einen Gesetzentwurf eingebracht.
Der Gesetzentwurf, um den es hier und heute geht, betrifft insbesondere – das ist ja schon erwähnt worden – Minister, Ministerinnen und Parlamentarische Staatssekretäre. Es war nach meiner, nach unserer Auffassung das gute Recht der Bundesregierung, hier selbst einen Lösungsvorschlag zu unterbreiten. Deshalb war es richtig, auf diesen Entwurf zu warten. Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich kann nicht erkennen, dass es in dieser Legislaturperiode bis zur Vorlage des Entwurfs unverhältnismäßig lange gedauert hätte. Ich muss Ihnen auch sagen: Einen wirklich dringenden Grund, das von heute auf morgen zu regeln, gab und gibt es nicht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit den Wechseln von ehemaligen Parlamentarischen Staatssekretären und Ministern gerät – das ist ja hier mehrfach erwähnt worden – dieses Thema immer wieder ins Blickfeld der Öffentlichkeit. Vor dem Hintergrund, dass bei solchen Wechseln die Wellen regelmäßig hochschlagen, begrüße ich – das muss ich ganz ehrlich sagen – letztlich natürlich auch diese Regelung; aber nach meiner Einschätzung hätte auch eine andere Regelung Platz greifen können.
Mit diesem Gesetzentwurf soll schon der Eindruck verhindert werden, dass spätere Karriereaussichten Einfluss auf die Amtsführung haben könnten oder durch die private Verwertung von Amtswissen nach Beendigung des Amtsverhältnisses das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität der Bundesregierung beeinträchtigt werde.
Tatsächlich – das ist sicher unstreitig – verfügen Regierungsmitglieder in der Regel über besonderes Insiderwissen und Informationen, die für Unternehmen wichtig sein können und ihnen gegebenenfalls auch Vorteile gegenüber der Konkurrenz verschaffen. Dass aus diesem Grund möglicherweise Bedenken in Verbindung mit einem Wechsel von der Politik in die Wirtschaft aufkommen, soll künftig gänzlich vermieden werden.
Eines lassen Sie mich jedoch ganz deutlich sagen: Das ist der Hintergrund des vorliegenden Gesetzentwurfs, und nur das! Die Debatte darüber, dass Politiker ab und an verantwortungsvolle Positionen in der Wirtschaft annehmen, ist oft – den Eindruck hatte man – aus Neid geführt worden. Wir wollen somit Wechsel mit dieser Regelung nicht unmöglich machen. Ein Wechsel muss möglich bleiben.
Zum einen ist die Politik ein Mandat auf Zeit. Für die allermeisten Politiker gibt es ein Davor und ein Danach. Allein die Tatsache, dass ein Politiker aufgrund seines Wissens und seiner Kontakte eine Stelle als Unternehmens-, Verbands- oder NGO-Lobbyist bekommt, ist für mich per se nicht anstößig. Eine Pflichtkarenzzeit, wie von der Linken angeregt und beantragt, scheidet deshalb nach meiner Auffassung gänzlich aus.
(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Stimmt nicht! Das haben wir nicht beantragt! Lesen Sie den Antrag noch mal!)
– Ja, wir kommen noch im Ausschuss auf Ihre Bedenken, die ich in keinem Punkt teile, die ich auch für gekünstelt halte, so wie Sie sie eben vorgetragen haben, zu sprechen.
Zum anderen: Wenn Lobbyismus ein wichtiger und zu Recht anerkannter Faktor in der Demokratie und der Politik ist, dann muss auch akzeptiert werden, dass prominente Vertreter zwischen Politik und Wirtschaft wechseln. Deshalb, meine Damen und Herren, ist dieses Gesetz zwar wichtig, um diese von allen Vorrednern schon dargestellte Situation künftig zu vermeiden, es muss aber auch ausgewogen sein. Ausgewogenheit ist der Regierung mit diesem Gesetzesvorschlag meiner Auffassung nach gelungen. Jeder, der sich damit beschäftigt, weiß – auch das ist eben schon einmal angeklungen –: Ein solcher Eingriff in die Berufsfreiheit, in das Grundrecht gemäß Artikel 12 des Grundgesetzes, muss einer Abwägung unterliegen. Nicht jeder Fall ist gleich, deshalb eben auch keine starren Karenzzeiten. Vielmehr muss und soll das von Fall zu Fall und je nach Betroffenheit entschieden werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, vielleicht kann ich denen, die dargestellt haben, dass ihnen die vorgesehenen Fristen als nicht ausreichend erscheinen, noch Folgendes sagen: Wir betonen immer wieder, dass ein Wechsel zwischen Politik und Wirtschaft möglich sein und möglich bleiben muss. Wenn das aber ernst gemeint ist, dürfen wir diesen Weg nicht durch starre und unverhältnismäßig lange Karenzzeiten blockieren; denn Wechsel finden nicht nur von der Politik in die Wirtschaft, sondern auch in umgekehrter Richtung statt. Welche Managerin, welcher Manager eines erfolgreichen Unternehmens wäre wohl noch bereit, in ein in der Regel schlechter dotiertes öffentliches Amt zu wechseln, wenn sie oder er im Anschluss daran für eine Zeit von drei Jahren, wie wohl in Ihren Vorschlägen, Frau Haßelmann, immer vorgesehen, beruflich aussetzen müsste?
Darauf aufbauend, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich Ihnen zum Schluss meiner Rede noch einen kleinen Denkanstoß mit auf den Weg geben und die heute geführte Diskussion mit der Frage verknüpfen: Welche Art von Politiker wollen wir eigentlich? Von Parteiapparaten abhängige Berufspolitiker, die in ihrem Leben nie oder kaum einer Arbeit außerhalb der Politik nachgegangen sind und deren weiteres Fortkommen somit von dem nächsten sicheren Listenplatz oder der Aufstellung im richtigen Wahlkreis abhängt? Ist ein solches Mandat – die sicherlich zugespitzte pointierte Darstellung sei einmal erlaubt – dann überhaupt noch in dem Maße frei, wie es das Grundgesetz fordert? Oder wollen wir Abgeordnete, Parlamentarische Staatssekretäre und Minister, die sich auch außerhalb von Parlamenten bewiesen und durchgesetzt haben und so immer wieder neue Erfahrungsschätze und Perspektiven in die Politik einbringen? Ein selbstkritischer Blick über Fraktionsgrenzen hinweg kann hier sicherlich nicht schaden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich halte den vorliegenden Gesetzentwurf – Sie werden es gemerkt haben – schon jetzt für ausgewogen. Dennoch freue ich mich auch auf die Beratungen. Wir werden da vielleicht das eine oder andere noch vertieft diskutieren können
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Damit schließe ich die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 18/4630 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4964068 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 100 |
Tagesordnungspunkt | Karenzzeit für Regierungsmitglieder |