Nina WarkenCDU/CSU - Aufnahme syrischer und irakischer Flüchtlinge
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Der Bundesinnenminister hat es vergangene Woche bei seiner Eröffnungsrede auf dem Migrationsgipfel auf den Punkt gebracht:
Meine Damen und Herren, 125 000 Syrer leben heute in Deutschland. Davon sind fast 70 000 nach Beginn des Konfliktes als Asylbewerber zu uns gekommen. Die Solidarität mit den Bürgerkriegsflüchtlingen aus Syrien und aus dem Irak ist nach wie vor groß in unserem Land. Ausländerbehörden und Sozialarbeiter haben ein offenes Ohr für die Belange der Flüchtlinge und tun viel, um den Menschen zu helfen. Besonders bemerkenswert finde ich aber vor allem das Engagement der unzähligen ehrenamtlichen Helfer, die überall in Deutschland die angekommenen Flüchtlinge unterstützen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Auch und gerade beim Familiennachzug sind diese Ehrenamtlichen eine gewaltige Stütze. Sie helfen beim Kontakt mit Behörden, bei der Suche nach einer geeigneten Wohnung und bei der Beschaffung der erforderlichen Unterlagen für das Visumverfahren. Ich bin stolz darauf, dass es bei uns in Deutschland ein so ausgeprägtes ehrenamtliches Engagement für Flüchtlinge gibt. Einen deutlicheren Beweis dafür, dass unser ganzes Land zu seiner humanitären Verantwortung steht, kann es kaum geben.
Deutschland nimmt aber nicht nur die meisten Flüchtlinge in Europa auf, sondern ist auch der größte finanzielle Geber in der Region. Seit Beginn des Konflikts in Syrien ist mittlerweile fast 1 Milliarde Euro an humanitärer Hilfe, strukturbildenden Übergangshilfen und bilateraler Unterstützung für die Nachbarstaaten gezahlt worden. Auch das THW unterstützt die Menschen vor Ort in den Flüchtlingslagern maßgeblich. Dank der ehrenamtlichen Helfer vom THW gibt es eine ordentliche Trinkwasserversorgung, und die Lager konnten im vergangenen Herbst winterfest gemacht werden. Auch in dieser Beziehung ist Deutschland führend.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Burkhard Lischka [SPD])
All dem, meine Damen und Herren, werden die beiden Anträge überhaupt nicht gerecht. Sie blenden das beträchtliche Engagement einfach aus. Stattdessen fordern Sie unreflektiert immer mehr. Wieso unreflektiert? Diese Frage möchte ich Ihnen beantworten.
Erstens. All die von Ihnen vorgeschlagenen Maßnahmen würden derzeit nur den Exodus aus der Region fördern.
Zweitens. Es kommt hinzu – das werden auch Sie kaum bestreiten können –, dass jeder von uns gegebene Euro vor Ort wesentlich mehr Menschen zugutekommt, wodurch viel mehr geleistet werden kann. Das sehen im Übrigen auch Hilfsorganisationen wie das UN-Flüchtlingshilfswerk so, das explizit darauf drängt, die Hilfe auf die Krisenregion zu konzentrieren.
Drittens. Mit jedem Aufnahmeprogramm – egal wie groß wir es bemessen – kann immer nur einem Bruchteil der Flüchtlinge geholfen werden. Deshalb sind die Bundesaufnahmeprogramme explizit dafür gedacht, besonders Schutzbedürftige nach Deutschland zu holen, denen in den Lagern vor Ort nicht geholfen werden kann. So sind über die Aufnahmeprogramme von Bund und Ländern bisher rund 27 300 Menschen nach Deutschland gekommen. Die Aufnahmeprogramme sind aber noch nicht voll ausgeschöpft.
Meine Damen und Herren, das Aufnahmeprogramm für besonders Schutzbedürftige muss nun europäisch werden; denn wenn Deutschland so viele Flüchtlinge aufnehmen kann, dann können das auch unsere europäischen Partner. Dennoch wollen wir, dass der Schwerpunkt unserer Hilfe für syrische und irakische Flüchtlinge in der Krisenregion bleibt.
Meine Damen und Herren, die Opposition kennt einmal mehr nur die Methode „Fische verschenken“. Fische sind aber schnell gegessen. Deswegen muss man nicht nur Fische, sondern auch eine Angel liefern. Dieser Gedanke hat sich leider noch nicht durchgesetzt. Wir aber glauben trotz mancher Schwierigkeit nach wie vor an die Methode der Angel.
Frau Warken, lassen Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Künast zu?
Nein.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Frage wäre aber gut gewesen!)
Ich möchte aber noch weitere Gründe nennen, warum Ihre Anträge abzulehnen sind. Viele Ihrer Forderungen sind schlicht überflüssig. Der Abschiebestopp nach Syrien oder in den Irak muss beispielsweise nicht verlängert werden. Bund und Länder haben sich bereits darauf verständigt, dass niemand nach Syrien abgeschoben wird, solange der Krieg dort andauert.
(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Antrag ist aus dem November! Diesen Punkt ignorieren Sie!)
Das gilt auch für den Irak. Seit Juni 2014 wurde kein Asylantrag mit dem Herkunftsland Irak negativ entschieden. Auch der Familiennachzug zu Flüchtlingen in Deutschland ist klar geregelt. Anders als in anderen Ländern besteht bei uns ein Recht auf Familiennachzug. Das dürfte auch Ihnen bekannt sein.
(Tom Koenigs [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das dauert aber ein Jahr!)
Das Personal in den Botschaften wurde deutlich aufgestockt, und die Mitarbeiter arbeiten unter Hochdruck. Auch das Personal im BAMF wurde aufgestockt.
(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das reicht trotzdem nicht!)
Schließlich gilt es, den Blick auch auf unsere Kommunen zu lenken, die Sie einmal mehr vollkommen außer Acht gelassen haben. Unsere Landkreise, Städte und Gemeinden stehen schon heute vor gewaltigen Herausforderungen. Sie brauchen Zeit, um diese zu bewältigen. Strukturen müssen geschaffen, Asylbewerberheime gebaut werden. Sie jetzt durch gesetzgeberische Maßnahmen potenziell weiter zu belasten, wäre ein vollkommen verfehltes Zeichen.
Frau Warken, es gibt den Wunsch nach einer weiteren Zwischenfrage von Frau Haßelmann.
(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, ist schlimm, so ein parlamentarisches Verfahren!)
Bitte.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Vielen Dank auch, Frau Warken, dass Sie die Frage zulassen. Ich mache es auch ganz kurz.
Sie beklagen, dass unsere Fraktion, die den Antrag zum Thema „zusätzliche Aufnahme syrischer Flüchtlinge“ gestellt hat, in dem wir fordern, das Kontingent zu erhöhen und die Familienzusammenführung zu erleichtern, die Kommunen, die in dieser Frage sehr wichtig sind, aus dem Blick verloren hat bzw. die Belange der Kommunen nicht stärker berücksichtigt.
Wenn Sie das von uns einfordern – wir wissen sehr wohl, dass Kommunen, Städte, Gemeinden, Landkreise eine ganz bedeutende Aufgabe bei der Erstaufnahme, bei der Begleitung und bei der Betreuung von Flüchtlingen haben –, dann frage ich mich: Wie können Sie sich eigentlich erklären, dass zu dem nationalen Flüchtlingsgipfel der Bundesregierung, der am 8. Mai 2015 stattfindet und auf dem über die Unterbringungssituation von Flüchtlingen in Deutschland gesprochen werden soll, die Kommunen von der Kanzlerin und den Regierungsfraktionen gerade nicht eingeladen wurden, obwohl sie doch die Hauptakteure sind? Können Sie uns das einmal erklären?
(Bernhard Kaster [CDU/CSU]: Weil die Kommunen zu den Ländern gehören!)
Die Länder waren ja am Tisch.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe ja jetzt über die Kommunen gesprochen! Sie ja auch! Über die große Bedeutung der Kommunen!)
Die Verantwortung für die Unterbringung liegt ja bei den Ländern. Dieser Verantwortung müssen die Länder auch gerecht werden.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach, deshalb lehnen Sie den Antrag ab?)
Ich glaube nicht, dass es so ist, dass die Kommunen und die kommunalen Spitzenverbände im Bundeskanzleramt kein Gehör finden, so wie Sie das darstellen.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind aber nicht eingeladen!)
Ich glaube schon, dass da auch Gespräche stattfinden.
(Bernhard Kaster [CDU/CSU]: Ständig eingebunden!)
Aber bei dieser Zusammenkunft geht es eben um die Verantwortung und um die Aufgaben der Länder.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die sind nicht eingeladen! – Gegenruf des Abg. Bernhard Kaster [CDU/CSU]: Die sind vorher schon eingebunden!)
Wir sollten den Kommunen die Zeit geben, die sie benötigen, und gleichzeitig auch überlegen, wie wir ihnen unter die Arme greifen können. Damit meine ich nicht so wie Sie, ständig mehr Geld vom Bund zu fordern. Wir dürfen schließlich auch die Bevölkerung nicht überfordern. Es herrscht eine große Solidarität. Damit dies so bleibt, müssen Sorgen und Ängste ernst genommen werden. Dafür ist es notwendig, mit Bürgerinnen und Bürgern zu reden und mit ihnen ins Gespräch zu kommen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, gestern hat der Bundestag über die tragische Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer debattiert. Das Leid und die Not dort sind unermesslich. Aber auch hier gilt der gleiche Grundsatz: Wenn wir nicht dazu beitragen, den Menschen in ihrer Heimat eine Perspektive zu geben, werden wir die Probleme nicht lösen. Deutschland will den Menschen aus den Bürgerkriegsländern helfen, und Deutschland hilft mit Maß, Verstand und Mitte. Daher lehnen wir Ihre Anträge ab.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Als nächster Redner hat Frank Heinrich von der CDU/CSU das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4964231 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 100 |
Tagesordnungspunkt | Aufnahme syrischer und irakischer Flüchtlinge |