Frank HeinrichCDU/CSU - Aufnahme syrischer und irakischer Flüchtlinge
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Gestern hatten wir eine sehr emotionale Debatte – wie ich finde, nicht abgleitend emotional – zur Flüchtlingskatastrophe auf dem Mittelmeer. Angesichts der Toten wird deutlich: Die humanitäre Hilfe – darüber sind wir uns übrigens einig, auch wenn jetzt vielleicht ein anderer Eindruck entstanden ist – muss ausgebaut werden. Die EU und auch Deutschland haben viel getan. Das hat auch die Opposition so dargestellt. Wir müssen, wollen und werden noch mehr tun. Das kann es noch nicht gewesen sein, haben Sie, Frau Kampmann, gesagt. Genau.
Ich möchte zu Beginn ein Zitat anführen. 2009, also noch in einer Zeit, in der das Flüchtlingsproblem noch nicht so drastisch war, wurde auf der Katholischen Bischofskonferenz Italiens gesagt:
Angesichts der Bilder, die wir vor Augen haben, auch die vom letzten Wochenende, ist es fast zynisch, in der heutigen Debatte über Zahlen zu reden. Doch ist es ein Stück weit unsere Aufgabe.
Sie, Frau Amtsberg, haben gesagt, dass Ihr Antrag im November gestellt wurde. Der Antrag der Linken ist vom Oktober. Deshalb ist es ein bisschen schwierig, die Anträge zu beurteilen. Es hat sich nämlich seitdem einiges geändert. Gerade im Norden des Irak und Syriens ist die Bundesregierung sehr aktiv. Das haben auch die Vorredner gesagt. Bei aller Betroffenheit dürfen wir das, was wir gut tun, nicht kleinreden.
(Rüdiger Veit [SPD]: Das machen wir auch nicht!)
Ich bin froh darüber, dass Sie das genauso sehen, Frau Amtsberg.
Zur Situation. Im Februar 2015 waren im Irak 235 000 Flüchtlinge aus Syrien registriert, hauptsächlich im Norden des Landes, und zwar in Dohuk an der Grenze zur Türkei. Insgesamt sind 4 Millionen Menschen in die umliegenden Länder geflüchtet. Im Irak selber sind eine halbe Million Menschen auf der Flucht. Eine meiner Vorrednerinnen hat es ebenfalls gesagt.
Es tauchen immer wieder Fragen auf, die wir auch in unserem Land beantworten müssen: Wie groß ist zum Beispiel der Finanzbedarf für die syrischen Flüchtlinge? Der UNHCR hat gesagt, dass es in diesem Jahr 4,5 Milliarden US-Dollar sind. Das ist eine Menge Holz. Damit ist auch klar, dass es nicht nur ein Problem Deutschlands ist, sondern der Weltgemeinschaft. Wir haben heute sehr oft gehört: auch der EU. Wir fordern zur Hilfe auf, indem wir schon in Vorleistung gehen.
Eine weitere Frage ist: Mit wie viel Geld hilft Deutschland? Das BMI hat die Gesamtsumme der durch das Auswärtige Amt und das BMZ geförderten Hilfsmaßnahmen zusammengerechnet. Es sind 743,9 Millionen Euro in den letzten drei Jahren. Ende März hat Deutschland angekündigt, in diesem und den zwei Folgejahren weitere 500 Millionen Euro zu geben. Damit gehören wir weiterhin – das ist gut so; ob genug, darüber können wir gerne diskutieren – zu den größten Gebern humanitärer Hilfe in dieser Region.
Aber es geht nicht nur um Geld. Es geht auch um Know-how. Vorhin wurde gesagt, dass sich das Technische Hilfswerk in Flüchtlingslagern in Jordanien und im Irak um die Wasserversorgung und insbesondere um die Abwasserentsorgung kümmert.
Wer nimmt Flüchtlinge auf? Das sind in erster Linie die Nachbarländer. 1,7 Millionen syrische Flüchtlinge hat die Türkei aufgenommen. Frau Jelpke, Sie haben gerade in Ihrer Rede gesagt, dass wir politisch Druck machen sollten. Es mag sein, dass das an der einen oder anderen Stelle nötig ist, aber wir müssen auch respektieren, dass die Türkei eine große humanitäre Last dieser Krise mitträgt. Der Libanon hat fast 1,2 Millionen Flüchtlinge aufgenommen. Wenn wir das prozentual auf unser Land übertragen würden, dann müssten wir 27 Millionen Menschen bei uns aufnehmen. Jordanien hat 630 000 Flüchtlinge, der Irak 250 000 aufgenommen. Die Zahlen kennen Sie.
Dafür bekommen die Länder der Krisenregion finanzielle, technische und personelle Unterstützung. Deutschland bekennt sich auch zur Stärkung längerfristiger humanitärer und struktureller Hilfen. Hinzu kommt – darauf bin ich noch nicht eingegangen; der Innenminister hat diese Zahl genannt –, dass Deutschland bereits 105 000 syrische Flüchtlinge aufgenommen hat. Ein Drittel davon hat inzwischen Asyl bei uns beantragt.
Der Bund wird weiterhin im Rahmen verschiedener humanitärer Programme – wir haben gehört, dass hier noch einiges möglich ist – Flüchtlinge hier aufnehmen und damit humanitäre Verantwortung übernehmen. Ich würde gerne in der weiteren Diskussion in unserem Ausschuss, Frau Amtsberg, darüber reden, wie man nach Ihrer Meinung in Jarmuk mit Kontingenten helfen kann. Der Bund hat vorletztes Jahr und dieses Jahr bereits zwei Programme aufgelegt; das Kontingent ist verdoppelt worden.
Ich komme noch einmal auf die Familien zu sprechen, die wir in unseren Wahlkreisen treffen und für die wir uns einsetzen. Ich habe ein Ehepaar vor Augen, das in meinem Büro war. Es konnte seine Familie tatsächlich in die Arme schließen. Als sie bei mir im Büro saßen, kam die Nachricht, dass ihr Nachbarhaus zerstört ist und ihre Nachbarn nicht mehr leben – Dankbarkeit und Schock innerhalb weniger Stunden.
Wir sind vom UN-Flüchtlingskommissar gelobt worden, und doch darf das, was wir tun, nicht genug sein. Das Fazit ist: Die Not der Flüchtlinge lässt uns nicht kalt. Bei den Konflikten in Syrien und im Nordirak sind bis dato keine politischen Lösungen in Sicht. Deshalb ist Deutschland aktiv wie kaum ein anderes Land. Aber darauf dürfen wir uns nicht ausruhen. Im Antrag der Linken
(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Guter Antrag, oder?)
wird diese Hilfeleistung schon ein bisschen herabgewürdigt. Nicht nur deswegen können wir nicht zustimmen, sondern auch, weil die Zahlen teilweise veraltet sind. Und doch werden wir – um Sie zu zitieren – die Hände nicht in den Schoß legen.
Herr Kollege, ich muss auch Sie bitten, zum Schluss zu kommen.
Ein Abschlusszitat. Ich habe mich an einen Liedertext eines Liedermachers aus Süddeutschland, Manfred Siebald, mit folgenden Worten erinnert:
Ich wünschte, es würde uns jetzt prägen, dass die Taten den Worten folgen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4964255 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 100 |
Tagesordnungspunkt | Aufnahme syrischer und irakischer Flüchtlinge |