23.04.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 100 / Tagesordnungspunkt 11

Renate KünastDIE GRÜNEN - Verbraucherschutz im Datenschutzrecht

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zuallererst: Wir alle wissen, dass wir im Alltag immer mehr Geschäfte digital abwickeln. Man kauft online Bücher oder Schuhe ein. Man lädt Apps herunter. Tickets für den Urlaub oder für Verwandtenbesuche werden im Internet gebucht. Man kommuniziert in den sozialen Netzwerken. Dabei kommt immer eine Unmenge von Verbraucherdaten zustande, die erhoben und auch genutzt werden, die gespeichert werden. An dieser Stelle muss ich etwas zu meinem Vorredner sagen. Herr Heck hat ja gesagt: Wir dürfen die ungeheuren Chancen, die in der digitalen Welt und in der digitalen Wirtschaft liegen, nicht ungenutzt lassen. – Herr Heck, das stimmt. Aber es gibt ein Aber. Dieses Aber besteht darin, dass sich die Wirtschaft bei der Nutzung dieser Chancen natürlich immer in den Grenzen des Kernbereichs des Datenschutzrechts des Betroffenen bewegen muss; darüber hinaus geht das nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Stefan Heck [CDU/CSU]: Deswegen machen wir das ja!)

Aber viele machen das eben nicht, wie wir gerade gehört haben. Frau Lay zum Beispiel hat über Facebook und über Herrn Schrems, den Kläger, geredet, und wir kennen noch viele andere Beispiele, bei denen genau das nicht gemacht wird. Es ist aber ein Irrläufer, zu sagen, das ordentliche Einhalten von Datenschutzregeln sei im Ergebnis ein Hindernis für die Wirtschaft. Ich glaube, dass diejenigen, die diesen Vorwand vortragen, nur zu faul sind, kreativ zu sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt nämlich jede Menge Möglichkeiten, neue Unternehmen und Angebote zu entwickeln, die die Datenschutzregeln zu den individuellen Daten genau einhalten; ich rede gar nicht von Big Data, sondern von den individuellen Daten des Einzelnen. Es gibt hier sehr viele Geschäftsideen. Ich sage Ihnen nur: Verstöße gegen Datenschutzgesetze müssen verhindert werden. Das ist die Aufgabe des Gesetzgebers. Es ist daher richtig – das ist lange überfällig –, dass wir die zivilrechtlichen Möglichkeiten im Unterlassungsklagerecht stärken.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt komme ich zu dem Aber, meine Damen und Herren. Bisher gibt es keine generelle Klagemöglichkeit für Verbraucherorganisationen, quasi stellvertretend für den einzelnen Verbraucher. Auch dieser Gesetzentwurf schafft das nicht so recht. Denn immer noch, zum Beispiel im Hinblick auf die Teilnahme von Kindern an Online-Gewinnspielen, wird keinerlei wirkliche Klagemöglichkeit geschaffen. Dieser Gesetzentwurf schafft hier nur teilweise Abhilfe. Klageberechtigt sollen die Organisationen sein, wenn es um die kommerzielle Nutzung von Verbraucherdaten geht. Das gilt aber, wie gesagt, nur für die kommerzielle Nutzung. Das heißt, dann muss man nachweisen, dass sie tatsächlich zu kommerziellen Zwecken und nicht zu anderen Zwecken erhoben und genutzt werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

An dieser Stelle hat der Gesetzentwurf einen Fehler.

Meine Damen und Herren, fragen wir uns einmal, wie dieser Fehler zustande gekommen ist. Ich will auf die Historie eingehen. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz sah einen viel weitergehenden Anwendungsbereich vor. In den Beratungen hatte aber leider das BMI die Finger im Spiel. Was ist herausgekommen? Jetzt steht im Gesetzentwurf: Im Sinne des Gesetzes zur Klage berechtigt ist man im Hinblick auf Daten, die zu Zwecken der Werbung, der Markt- und Meinungsforschung, des Betreibens einer Auskunftei, des Erstellens von Persönlichkeits- und Nutzungsprofilen, des Adresshandels oder zu vergleichbaren kommerziellen Zwecken verarbeitet und genutzt werden.

Ausdrücklich ausgeschlossen ist das, was vorher im Entwurf des BMJV stand. Darin hieß es, dass personenbezogene Daten eines Verbrauchers von einem Unternehmen ausschließlich für die Begründung, Durchführung oder Beendigung eines rechtsgeschäftlichen oder rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden dürfen. Man sagt also, gegen die Erhebung und Nutzung der Daten, die ein Rechtsverhältnis begründen, darf man nicht klagen. Aber wer stellt eigentlich sicher, meine Damen und Herren, dass sie am Ende nicht doch für die falschen Zwecke genutzt werden?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich kann Ihnen einige Beispiele nennen. Erstens: ein Probeabo in einer Online-Partnervermittlung. Stellen Sie sich vor, ein einsamer MdB schließt einen solchen Vertrag ab, überlegt es sich anders und sagt: Löschen Sie die Daten über mich. – Dann sagt die Online-Partnervermittlung: Nein, diese Daten sind ja nur erhoben worden, um das Vermittlungsverhältnis zu begründen.

Zweitens: der Abschluss eines Vertrages über einen Leihwagen, bei dem Sie auch Ihre E-Mail-Adresse angeben müssen; Sie kennen das sicherlich. Wenn Sie später sagen, dass Ihre Daten gelöscht werden sollen, sagt man Ihnen: Nein. – Wissen Sie, was die mit Ihrer E-Mail- Adresse anstellen? Man braucht sie für das Vertragsverhältnis in Wahrheit ja gar nicht. Sie werden sich wundern, wenn Sie Werbung bekommen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber jetzt nicht mehr so viele Beispiele, Frau Kollegin Künast.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Nein. – Drittens – mein letztes Beispiel –: ein Kaufvertrag im Bereich E-Commerce, in dem alle rechtmäßig bezogenen Daten am Anfang stehen. Wenn Sie später Werbung bekommen und nachfragen, welche Daten noch vorrätig sind, bekommen Sie keine Auskunft.

In allen drei Fällen hätte die Verbraucherorganisation keinerlei Klagebefugnis. Das gilt auch im Hinblick auf Kinder, wenn es zum Beispiel um Online-Gewinnspiele geht. Deshalb kann ich nur sagen: Der Referentenentwurf des BMJV war gut. Das BMI hat ihn verschlechtert. Wir hoffen auf das Struck’sche Gesetz, dass Gesetze anders aus dem Bundestag herauskommen, als sie hineingekommen sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Michelle Müntefering, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4964328
Wahlperiode 18
Sitzung 100
Tagesordnungspunkt Verbraucherschutz im Datenschutzrecht
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