23.04.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 100 / Tagesordnungspunkt 16

Andrea LindholzCDU/CSU - Status Palästinas in der UNO

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 12. Mai dieses Jahres werden wir das 50-jährige Jubiläum der deutsch-israelischen Beziehungen feiern. Nach dem Grauen des Holocaust, mit dem Nazideutschland unfassbares Leid über das jüdische Volk gebracht hat, wirkt dieses Jubiläum wie ein Wunder.

Die deutsch-israelischen Beziehungen gehören genauso wie das Existenzrecht Israels zu den Säulen der deutschen Außenpolitik. Daran darf und wird sich auch nichts ändern. Schon allein aufgrund unserer besonderen Verantwortung gegenüber Israel muss sich Deutschland für Frieden und Stabilität im Nahen und Mittleren Osten einsetzen.

Im Koalitionsvertrag haben wir eine Zwei-Staaten- Lösung zu unserem Ziel erklärt. Wir wollen einen Staat Israel in anerkannten und dauerhaft sicheren Grenzen sowie einen unabhängigen, demokratischen und lebensfähigen palästinensischen Staat. Diese Zwei-Staaten-Lösung schließt letztendlich auch eine Anerkennung des Staates Palästina durch die Bundesrepublik mit ein.

Einige Parlamente in Europa haben diese Anerkennung in den letzten Monaten gefordert, allerdings nicht bedingungslos, wie es im Antrag der Linken ausgeführt wird. Das Europaparlament und das spanische Parlament unterstützen die Anerkennung Palästinas zwar im Prinzip, sie wird aber von erfolgreichen Friedensverhandlungen abhängig gemacht. Ein solcher Vorbehalt befindet sich zum Beispiel im Antrag der Linken nicht.

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Zu Recht!)

Eine Zwei-Staaten-Lösung kann nur zusammen mit und nicht gegen Israel gelingen. Das israelische Volk muss davon überzeugt werden, dass die Sicherheit Israels von einem souveränen palästinensischen Staat nicht bedroht wird, sondern dass dieser Staat eine Voraussetzung für dauerhaften Frieden schaffen kann.

Auf die Anerkennung Palästinas durch Schweden hat Israel mit dem schärfsten diplomatischen Mittel reagiert und den Botschafter aus Stockholm abgezogen. Eine solche Eskalation der Beziehungen zwischen Israel und Deutschland zum 50-jährigen Jubiläum zu riskieren, wäre unerträglich.

Im Antrag der Linken wird mit keinem Wort das Sicherheitsbedürfnis Israels und sein Existenzrecht erwähnt. Beides muss aber im Friedensprozess eine zentrale Rolle spielen und insbesondere auch in einem Antrag des Deutschen Bundestages.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Diese Einseitigkeit zeugt von fehlendem außenpolitischem Gespür.

Eine Anerkennung, wie sie im Antrag der Linken gefordert wird, hätte vor allen Dingen einen symbolischen Charakter und würde einseitig Druck aufbauen. Angesichts des extrem instabilen Friedensprozesses sollten wir uns genau überlegen, ob wir damit den Friedensprozess tatsächlich voranbringen würden.

Unser primäres Ziel muss es sein, die Friedensverhandlungen wieder in Gang zu setzen; denn nur so kommen wir der Zwei-Staaten-Lösung näher.

Seit den Friedensverträgen von Oslo nimmt Israel Steuern für die palästinensischen Behörden ein und überweist sie.

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Hin und wieder!)

Wenn die israelische Regierung diese Gelder nun teilweise zurückhält, um damit politische Stimmungsmache zu betreiben und Druck auf die palästinensische Verwaltung auszuüben, dann schadet sie sich selbst in dreifacher Hinsicht: Erstens schwächt sie damit die Kräfte im Westjordanland, die auf palästinensischer Seite aktiv an einer friedlichen Lösung des Konfliktes mitarbeiten. Zweitens steigt dadurch die Gefahr einer Radikalisierung. Drittens verstößt die israelische Regierung damit gegen Friedensverträge.

Letztendlich zeigt dieses Beispiel aber auch, wie abhängig Palästina von Israel ist. Nur am Verhandlungstisch kann die internationale Gemeinschaft an dieser Abhängigkeit etwas ändern. Wenn die Lage eskaliert, so wie in Schweden, dann gewinnt man nichts.

Deutschland muss daher klar Position beziehen und Israel zur Mitarbeit an der Zwei-Staaten-Lösung nachhaltig drängen. Echte Freundschaft zeichnet sich auch dadurch aus, dass man ehrlich zueinander ist und Fehlentwicklungen anspricht. Das muss Deutschland in Israel weiterhin tun.

An einer Delegationsreise des Innenausschusses nach Israel vor drei Wochen haben Vertreter aller Fraktionen teilgenommen, auch Vertreter Ihrer Fraktion, von denen heute aber kein einziger hier ist – im Gegensatz zu den Vertretern der anderen Fraktionen. Das hat mich überrascht und auch etwas gewundert. Wir haben in diesen Gesprächen vor Ort, in denen wir uns mit palästinensischen und israelischen Gesprächspartnern aus den verschiedensten Bereichen unterhalten haben, gespürt, wie unterschiedlich die Sichtweisen beider Lager zum Teil sind. Wir haben gespürt und gehört, wie schwierig es ist, die Verhandlungen zu führen, und was für ein zweifellos hartes Stück Arbeit das bedeutet. Wir haben aber auch erlebt, wie stark die Bande zwischen unseren Ländern heute sind. Wir haben gesehen, was wir gefährden würden, wenn wir Ihrem Antrag heute zustimmen würden.

Wenn ich mich daher gegen Ihren Antrag ausspreche, dann ist das kein Votum für Israel und gegen Palästina, sondern ein Votum für Palästina und Israel mit der Hoffnung, dass die Friedensverhandlungen zügig wieder aufgenommen werden.

Danke schön.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4964461
Wahlperiode 18
Sitzung 100
Tagesordnungspunkt Status Palästinas in der UNO
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