24.04.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 101 / Tagesordnungspunkt 24

Waltraud WolffSPD - Öffentlich geförderte Beschäftigung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf den Zuschauertribünen! Letztes Jahr im August haben meine Kollegin Daniela Kolbe und ich die Forderung der ostdeutschen Bundestagsabgeordneten nach einem sozialen Arbeitsmarkt vorgestellt. Ganz ehrlich: Wir haben im letzten August nicht geglaubt, dass die Bundesarbeitsministerin in der Zwischenzeit mehrfach hier im Hohen Hause diese Forderung unterstützen und sagen würde, sie werde Lösungsmöglichkeiten vorstellen. Wir wissen ja, dass wir im Haushalt keine zusätzlichen Mittel haben. Meine beiden Kollegen, Herr Bartke und Frau Kolbe, haben schon dargestellt, welche die Zielgruppen sind und wie wichtig es ist, dass hier etwas passiert.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kollege Bartke hat gesagt, dass es ohne zusätzliche Mittel möglich ist!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, natürlich ist für uns oberstes Gebot, Brücken in den ersten Arbeitsmarkt zu bauen; das ist richtig. Richtig ist aber auch, dass für Menschen, die sehr lange arbeitslos sind, die Angebote der Arbeitsmarktpolitik nicht passen. Richtig ist also auch, dass neben der Brücke auf den ersten Arbeitsmarkt die Teilhabe am Erwerbsleben und damit auch am gesellschaftlichen Leben ein wichtiges Ziel der Arbeitsmarktpolitik sein muss.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dieses Ziel wird uns gemeinsam immer wichtiger, weil wir die Dringlichkeit und die Not erkannt haben. Darüber, muss ich sagen, bin ich persönlich sehr froh. Ich bin auch deshalb sehr froh darüber, weil Arbeit mehr ist als Broterwerb. Arbeit ist Grundlage für gesellschaftliche Teilhabe, und auf diese Teilhabe hat ein Teil der Menschen in unserem Land keine Chance mehr. Diesen Menschen – das haben wir in dieser Debatte schon breit diskutiert – können wir mit öffentlich geförderter Beschäftigung helfen. Das halte ich für sinnvoll und notwendig.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, im August 2014 haben wir als SPD unseren Vorschlag vorgestellt. Im Oktober 2014 hat eine Gruppe von Unionskollegen ihren Vorschlag zu öffentlich geförderter Arbeit gemacht. Heute diskutieren wir einen Antrag der Linken. Das heißt also, dass es eine breite Unterstützung für einen solchen Ansatz gibt. Die gute Nachricht ist: Es bleibt nicht nur bei Anträgen; es bleibt nicht nur bei Lippenbekenntnissen. Es wird auch die Umsetzung dieses Ansatzes geben.

(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann?)

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird mit seinem Programm – darüber haben wir auch schon diskutiert – 10 000 Menschen einen Einstieg über das ESF- Programm ermöglichen. Das ist ein wichtiger Schritt.

(Beifall bei der SPD)

Es ist wichtig, einen Einstieg zu finden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, Sie haben in Ihrem Antrag deutlich gemacht, dass Ihnen das nicht weit genug geht. Ich habe dafür Verständnis. Auch mir persönlich und allen, die an dieser Debatte teilnehmen, reicht das nicht.

Sie haben in Ihrem Antrag auch die Kosten für diesen Ansatz benannt. Wenn man die Zahlen einmal zusammenrechnet, sieht man: Es handelt sich um 6 Milliarden Euro. 6 Milliarden Euro! Das ist auch von meinen Kollegen aus der Union schon angesprochen worden. Auch die Sonderabgabe ist erwähnt worden. Ich sehe nicht, überhaupt nicht, dass diese Vorschläge durchsetzbar sind.

Wenn wir keine zusätzlichen Mittel im Haushalt haben, ist der Einstieg, den Frau Nahles hier macht, das Beste, was uns überhaupt passieren kann;

(Beifall bei der SPD)

denn ohne zusätzliche Mittel im Haushalt hat Ministerin Nahles für dieses Jahr 75 Millionen Euro freigekämpft, und sie hat es möglich gemacht, für das nächste Jahr 150 Millionen Euro bereitzustellen. Ich sage noch einmal: ohne zusätzliche Haushaltsmittel. Ich glaube, dass es hier einen Anfang gibt, der wichtig ist und mit dem man soziale Teilhabe möglich machen kann.

(Beifall bei der SPD)

Warum ist der Konsens dazu derart breit? Weil nicht nur wir, sondern auch die Länder diesen Weg mitgehen! Sie haben das für Thüringen gesagt, Frau Ministerin Werner. Nordrhein-Westfalen, Hessen, alle haben sich hier schon geoutet. Dann schaue ich mal zu mir nach Hause, nach Sachsen-Anhalt. Ich freue mich, dass gerade daran gearbeitet wird, dieses Bundesprogramm von Frau Nahles um 1 000 Stellen aufzustocken. Sachsen- Anhalt ist nicht gerade ein Land, das mit Reichtum gesegnet ist. Aber wir nehmen 35 Millionen Euro ESF- Mittel zusätzlich in die Hand und schaffen für die nächsten drei Jahre für 1 000 Menschen eine Beschäftigungsmöglichkeit.

Menschen brauchen das Gefühl, gebraucht zu werden. Die meisten wollen arbeiten. Sie wollen Teil der Gesellschaft sein. Sie brauchen die Kontakte, die über die Arbeit entstehen.

Meine Damen und Herren, es gibt gleichzeitig viele Aufgaben, die überhaupt nicht wahrgenommen werden. Es heißt immer: Soziale Arbeit kann nur stattfinden, wenn keine ordentlichen Arbeitsplätze gefährdet werden. – Etliche Kommunen in Ostdeutschland schrumpfen. Nicht nur Wohnungen stehen leer, auch Kleingärten fallen brach. Die gemeinnützigen Gartenvereine können es nie im Leben schaffen, hier den Rückbau zu leisten. Da sehe ich eine gute Möglichkeit.

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Langzeitarbeitslose als Kleingärtner?)

In Krankenhäusern, in Pflegeheimen ist die Einsamkeit greifbar. Pflegekräfte haben nicht die Zeit, die notwendig ist. Das ist eine zusätzliche Aufgabe. In vielen Orten, in vielen Dörfern gibt es nicht einmal mehr Geschäfte, sodass Kommunen sagen: Wir müssen wenigstens einen Dorfladen schaffen. – Auch da sind Möglichkeiten vorhanden. Es gibt tausend Ideen. Die wenigen Beispiele sollen zeigen, dass im Rahmen von sozialer Arbeit sinnvolle und wichtige Beschäftigung möglich ist. Dafür müssen wir eine Unterstützung hinbekommen.

Natürlich muss man das vor Ort entscheiden. Ich sage, dass die Beiräte bei den Jobcentern das am besten entscheiden sollten: Da sind Arbeitgeber. Da sind Gewerkschaften. Da ist Politik. Es fehlen zwar die Sozialverbände, aber das sollte keine unüberwindbare Hürde sein.

Es heißt immer, meine Damen und Herren: Politik ist die Kunst des Möglichen. Uns eint das Ziel, soziale Teilhabe für alle Menschen zu gewährleisten.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie uns diesen Weg doch gemeinsam gehen! Aber lassen Sie uns dabei auch immer im Blick behalten, was möglich ist! Dann, glaube ich, werden auf diesen ersten Schritt weitere Schritte folgen.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Als Nächste spricht die Kollegin Jutta Eckenbach, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4968528
Wahlperiode 18
Sitzung 101
Tagesordnungspunkt Öffentlich geförderte Beschäftigung
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