Astrid FreudensteinCDU/CSU - Öffentlich geförderte Beschäftigung
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine Damen und Herren! Mehr als 1 Million Menschen in unserem Land sind langzeitarbeitslos – mehr als 1 Million ganz unterschiedliche Schicksale. Oft sind sie langzeitarbeitslos, weil sie neben den Stärken, die selbstverständlich jeder Mensch hat, nicht nur ein Problem mitbringen, sondern gleich mehrere. Sie haben keinen Schulabschluss oder keine Berufsausbildung, sie sind krank oder müssen sich um jemanden kümmern, sie sind alleinerziehend oder nicht mehr ganz jung, sie haben Schulden, es gibt einfach nicht die passende Stelle, sie sind alkoholkrank oder nehmen Drogen, sie sprechen unsere Sprache nicht, sind nicht belastbar oder motiviert; manche haben Vorstrafen, und andere können oder wollen nicht umziehen. Wer erst einmal längere Zeit arbeitslos ist, bei dem wird die Langzeitarbeitslosigkeit an sich zum sogenannten Vermittlungshemmnis.
Jeder Fall ist anders zu bewerten. Eines jedenfalls ist sicher nicht richtig, nämlich dass all diese Menschen für den ersten Arbeitsmarkt nicht mehr zu gebrauchen sind und von Haus aus für eine öffentlich geförderte Beschäftigung infrage kommen. Mit Ihrem Antrag fordern Sie groß angelegte Beschäftigungsprogramme. Sie stellen damit viele, viele Menschen auf das Abstellgleis. Das Gleis führt nämlich nicht weiter auf den ersten Arbeitsmarkt; da ist dann einfach Endstation.
(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Aber bei Ihnen ist bei den Jobcentern schon Schluss! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Andersrum wird ein Schuh draus!)
Sie wissen gut, dass wir als Koalition die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit zu einem unserer obersten Ziele erklärt haben. Ihre Behauptung im Antrag, nicht die Arbeitslosigkeit sei bekämpft worden, sondern die Betroffenen seien bekämpft worden, ist deshalb reichlich verfehlt, liebe Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Haben Sie denn mit denen mal geredet? Das sagen die Ihnen bei jedem Bürgergespräch!)
Das Arbeitsministerium hat die verschiedenen Programme für Langzeitarbeitslose hier bereits vorgestellt, und wir haben auch schon öfter darüber diskutiert. Unsere Programme eint, dass sie auf eine intensive Beratung und Betreuung der einzelnen Betroffenen setzen, dass sie eben die individuelle Lebenssituation der eigenverantwortlich handelnden Menschen in den Mittelpunkt stellen und sie unterstützen, dass sie auf Stärken der Menschen aufbauen und sie dabei unterstützen, eine Stelle auf dem ersten Arbeitsmarkt zu finden und zu behalten.
Öffentlich geförderte Beschäftigung kann in so guten Zeiten, wie sie unser Arbeitsmarkt momentan erlebt, immer nur für einen sehr kleinen Personenkreis sinnvoll sein. Dieser muss sehr genau definiert sein. Auch müssen die Tätigkeiten sehr genau definiert sein, damit keine regulären Jobs verdrängt werden. In Ihrem Antrag ist leider keiner dieser Punkte berücksichtigt.
Um Ihnen das Problem deutlich zu machen, möchte ich mit Ihnen einen kurzen Ausflug in die Geschichte unternehmen. Schon im 19. Jahrhundert hatten Städte und Gemeinden versucht, Teile der erwerbslosen Bevölkerung mit sogenannten Notstandsarbeiten in Arbeit zu bringen. Wie der Name aber schon sagt, wurde diese Form der Beschäftigung nur in ganz besonders schlechten Arbeitsmarktsituationen eingeführt, zum Beispiel bei Missernten oder Konjunktureinbrüchen. Auch in der Weimarer Republik gab es solche Programme, weil breite Bevölkerungsschichten damals Gefahr liefen, aus der Gesellschaft ausgegliedert zu werden. Das betraf beispielsweise die vielen Kriegsveteranen und junge Menschen, die infolge der Wirtschaftskrise von 1923 ohne jede Chance auf Arbeit waren.
Eine ganz besondere Bedeutung erlangte die öffentlich geförderte Beschäftigung mit der Wiedervereinigung. Die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wurden in den 90er-Jahren bekanntlich in außerordentlichem Maße eingesetzt. Sie sollten damals als Brücke fungieren. Das entstandene Arbeitsplatzdefizit in den neuen Bundesländern sollte damit verringert werden. Die Teilnehmer sollten neue Qualifikationen erlangen.
Was aber hatten all diese Situationen in der Geschichte gemeinsam? Es waren extrem schwere Zeiten auf dem Arbeitsmarkt. Die öffentlich geförderte Beschäftigung war dafür da, die extremsten Folgen für die Menschen abzufedern. Sie war noch nie der Königsweg der Arbeitsförderung; sie war immer nur die Ultima Ratio.
Das hat seine Gründe. Vor allem nach der letzten großen Welle öffentlich geförderter Beschäftigung wurde geschaut, was diese Maßnahmen denn eigentlich bringen, außer dass sie natürlich die Statistik verbessern. Je mehr man forschte, umso deutlicher wurde, dass die positiven Erfahrungen recht begrenzt waren und die negativen Effekte überwogen. Da gab es Lock-in-Effekte: Menschen, die in öffentlich geförderter Beschäftigung standen, nahmen seltener eine reguläre Arbeit auf, vor allem deswegen, weil sie weniger Zeit für Arbeitssuche und Bewerbungen hatten. Es gab auch Creaming-Effekte – sie wurden heute schon erwähnt –: Es kamen Menschen in öffentlich geförderte Beschäftigung, die auch so eine Chance auf dem ersten Arbeitsmarkt gehabt hätten.
Daran, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, krankt Ihr Antrag. Aber Sie geben wenigstens zu, dass Ihr Vorschlag richtig teuer ist, mal eben ein paar Milliarden kosten würde. Weil Sie wissen, dass die Finanzierungsfrage zwangsläufig kommt, haben Sie vorgesorgt und schon einmal grob aufgezeigt, wie das Ihrer Meinung nach funktionieren könnte, zum Beispiel dadurch, die Arbeitgeber mit einer Sonderabgabe in Höhe von 5 Milliarden Euro zu belasten. Wenn das so einfach wäre! Der wichtigste Schlüssel zum Abbau von Arbeitslosigkeit ist die Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft, die damit neue Arbeitsplätze schafft. Sie schreiben in Ihrem Antrag selbst, dass die Arbeitslosigkeit durch fehlende Arbeitsplätze entsteht. Nun wollen Sie aber die Unternehmen belasten und die Arbeit teurer machen? Das kann, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, nicht gut gehen. Arbeitslosigkeit können wir nur gemeinsam mit den Arbeitgebern abbauen,
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das funktioniert ja nicht, so wie Sie das machen!)
und sicher nicht, indem wir sie mit 5 Milliarden Euro zur Kasse bitten.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4968614 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 101 |
Tagesordnungspunkt | Öffentlich geförderte Beschäftigung |