Armin SchusterCDU/CSU - Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Ströbele, es ist der Debatte – das haben viele gesagt – nicht angemessen, wenn Sie hier von einem Law-and-Order-Gesetz sprechen. Ich glaube, wir sollten uns bei allen Unterschieden zwischen den Anträgen und unserem Gesetzentwurf bewusst machen, dass heute wieder einmal ein extrem positives Signal aus dem Plenarsaal des Deutschen Bundestages ins Land ausgesendet wird.
(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kommt das noch?)
Die Mitglieder des NSU-Untersuchungsausschusses haben im September 2013 hier ein dickes Papier abgeliefert, und wir lassen Taten folgen – bei aller Unterschiedlichkeit unserer Ideen. Aber wichtig ist: Dieser NSU-Untersuchungsausschuss hat dazu geführt, dass wir in Deutschland Schritt für Schritt Reformen vornehmen, und auf diesem Weg ist der heute vorliegende Gesetzentwurf – das haben schon viele vor mir gesagt – ein großer Meilenstein.
Drehen Sie uns bitte nicht das Wort im Mund herum. Niemand – nicht der Minister und auch sonst niemand – hat behauptet, dass die V-Leute für die Sicherheit in Deutschland verantwortlich wären. Das ist nicht fair.
(Widerspruch des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Jetzt drehe ich einmal mein ganzes Manuskript um und fange mit den V-Leuten an – Dr. Hahn ist jetzt gerade leider nicht da –: Es ist auch ein bisschen unfair – –
Herr Kollege Schuster, Sie sehen, dass der Wunsch nach einer Zwischenfrage besteht.
Logo; dafür sind wir ja hier.
Gut.
„Dafür sind wir hier“, sehr gut! Da Sie, Herr Schuster, Ihr Manuskript gerade sowieso umgedreht haben, ist es nett, dass Sie meine Frage zulassen. – Bitte sagen Sie einmal anhand von folgendem Beispiel etwas zu dem Thema – Beispiele werden ja oft bemüht –: Nehmen wir an, es kommt jemand zurück, der in Syrien schwere Straftaten begangen, der, um das einmal zuzuspitzen, enthauptet hat. Kann es allen Ernstes sein, dass der deutsche Staat mit solchen Leuten zusammenarbeitet? Kann es allen Ernstes sein, dass wir hier qua Gesetz legalisieren, dass solche Leute vom Staat Geld bekommen
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dass sie unsere Sicherheit herstellen sollen!)
und wir mit diesen Straftätern zusammenarbeiten?
Der Gesetzentwurf regelt ja, dass wir grundsätzlich mit solchen Leuten nicht zusammenarbeiten.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Grundsätzlich“, darum geht es ja!)
Das heißt auch – ich bin nicht Jurist, aber das weiß auch ich –: Ausnahmen sind möglich.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Steht sogar in der Begründung!)
Es sind eng begrenzte Ausnahmen. Ich habe Vertrauen in die Menschen – im Gegensatz zu Ihnen; Sie versuchen das immer durch Regeln herzustellen.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zehn Jahre wurde das Vertrauen missbraucht!)
Ich habe ein großes Vertrauen auch in Menschen, die einmal Fehler gemacht haben. Ihre moralingeschwängerte Verurteilung des gesamten BfV geht mir einfach zu weit.
(Beifall bei der CDU/CSU – Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wieso regeln Sie es denn nicht?)
Ich habe Vertrauen, dass ein BfV-Präsident in der Lage ist, in so einem Fall eine Güterabwägung vorzunehmen.
Herr Dr. Hahn, Sie sind PKGr-Vorsitzender. Es war unfair,
(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Was war unfair?)
hier zu sagen, Sie hätten noch nie ein Beispiel für die Sinnhaftigkeit eines V-Leute-Einsatzes gehört.
(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Ich habe den Minister zitiert!)
– Der Minister kann Ihnen diese Frage nicht beantworten; Sie wissen doch, dass er darüber schweigen muss.
(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Ach! Quatsch!)
Sie haben in dieser Woche im PKGr live gehört – jetzt bewege ich mich dicht an der Grenze –, dass ein V-Mann zu weit über 20 hochgradigen Verurteilungen echter Terrorgefährder beigetragen hat. Aber hier tun Sie so, als ob es das nicht gäbe.
(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Ob Verbrechen verhindert wurden, habe ich gefragt!)
Meine Damen und Herren, es gibt handfeste Belege für die Wirkung von V-Leuten, über die wir hier leider oder Gott sei Dank nicht sprechen dürfen. Aber dass Sie verunglimpfen, dass mit diesen Leuten gearbeitet wird, ist ein Stück weit unfaire Verhandlungsführung. Das muss ich Ihnen sagen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Herr Schuster, auch Herr Hahn möchte eine Zwischenfrage stellen.
Herr Dr. Hahn.
Sehr geehrter Herr Kollege Schuster, würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, dass ich den Minister in der Fragestunde gefragt habe, ob er mir konkrete Beispiele für Verbrechen, die durch V-Leute, auch durch V-Leute, die strafbar geworden sind, verhindert worden sind, nennen kann? Er hat keinen Fall nennen können. Das hat nichts mit dem PKGr zu tun.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hat nicht aus dem PKGr berichtet! Anders als Sie!)
Im vorliegenden Fall ging es um Mitgliedschaften – das kann man ja sagen – in terroristischen Strukturen oder verbotenen Organisationen. Das war etwas anderes als das, was ich gefragt habe. Die Frage nach konkreter Tätigkeit von V-Leuten und der Verhinderung von Verbrechen hat der Minister nicht beantworten können, und das habe ich in meiner Rede kritisiert.
Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie das noch einmal klarstellen. Vielleicht auch für die Zuschauer: PKGr heißt Parlamentarisches Kontrollgremium. Herr Dr. Hahn ist im Moment der ehrenwerte Vorsitzende und weiß deshalb wahrscheinlich am besten in diesem Parlament, dass der Minister zu keiner Gelegenheit in einer Fragestunde einem Fragesteller – mag dieser noch so hochmögend sein – darauf antworten darf.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wieso denn?)
Das darf er nicht. Ich bin Gott dankbar, dass er es nicht getan hat. Wo kämen wir denn hin, wenn wir jetzt im deutschen Parlament die V-Leute-Einsätze besprechen würden? Das wissen Sie ganz genau.
(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Es ging um verhinderte Dinge!)
– Wenn Sie nicht aufhören, unfair zu sein, dann rede ich jetzt gleich noch viel schlimmer über Sie.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lachen bei Abgeordneten der LINKEN)
Meine Damen und Herren, vom heute vorgelegten Gesetzentwurf geht ein deutliches Signal aus, aber wir brauchen nicht nur Aktivitäten im Bund, sondern auch in den Ländern. Alleine schaffen wir das nicht. Im Fall des NSU-Terrors wären tiefere Einsichten in dem einen oder anderen Land hilfreich. Deshalb ist es nur zu begrüßen, dass Sachsen, Thüringen, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Hessen und endlich auch Baden-Württemberg in eigenen Untersuchungsausschüssen weiter aufklären.
Herr Dr. von Notz,
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja?)
es ist mir völlig schleierhaft, wieso Sie sich hier hinstellen und mit extremer Hybris über uns herziehen, während man eine grün-rote Landesregierung in Baden- Württemberg zum Jagen tragen musste. Anfangs hatte man dort doch überhaupt keine Lust, diesen Fall aufzuklären.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Entschuldigen Sie bitte, aber würde ich Ihre Rede jetzt nach Baden-Württemberg schicken, müsste Herr Kretschmann knallrot werden; denn das trifft alles auf ihn zu, aber nicht auf uns. Wir haben aufgeklärt. Er hat monatelang bestritten, dass das überhaupt notwendig sei, und stolpert jetzt von einer Krise in die nächste.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht darum, was wir hier machen! – Weiterer Zuruf der Abg. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich will Ihnen einmal eines sagen – ich beruhige mich wieder –: Das, was in Baden-Württemberg abläuft, zeigt uns, dass es durchaus eine interessante Idee sein kann, über einen NSU-Untersuchungsausschuss 2.0 im Bund nachzudenken. Es gibt jedenfalls genügend Kollegen, die dieser Meinung sind. Darüber müssen wir weiter diskutieren.
Meine Damen und Herren, die Innenminister arbeiten schon seit der letzten Wahlperiode intensiv an dem Schritt-für-Schritt-Konzept. Wir wollen alles wahrmachen, was wir in den Katalog geschrieben haben. Wir schütten aber nicht das Kind mit dem Bade aus. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken und von den Grünen, unsere Sicherheitsbehörden zu reformieren heißt – jedenfalls wenn man regiert –:
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reformen zu machen!)
Wir müssen unter akuter Terrorbedrohung für dieses Land und mit extrem hohen Belastungen der Sicherheitsbehörden, quasi unter vollen Segeln aller Behörden,
(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer trägt denn seit zehn Jahren Verantwortung dafür, dass die unter vollen Segeln arbeiten müssen?)
die Reformschritte vollziehen, die wir im NSU-Untersuchungsausschuss empfohlen haben. Das ist eine ganz schwierige Aufgabe. Sie ist aber garantiert nicht dadurch zu meistern, dass ich da jetzt etwas auflöse, hier Stiftungen schaffe und dort radikale Reformvorschläge mache. Das Land braucht jetzt funktionierende Sicherheitsbehörden.
Uns gelingt es, in vernünftigen Schritten und in einer sinnvollen Dosis zu reformieren. Ich denke an das Terrorismusabwehrzentrum und an die Rechtsextremismusdatei. Ich danke dem Justizminister für ein umfangreiches Gesetzespaket, in dem er die Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses umgesetzt hat. Heute danke ich dem Bundesinnenminister für vier klare und wichtige Schritte – das alles sind Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses –: Zentralstellenfunktion des Bundesamtes stärken, Informationsfluss verbessern, die Analysefähigkeit von NADIS ausbauen sowie den Einsatz von V-Leuten klarer regeln. Wir haben immer gesagt: Nicht das Ob, sondern das Wie muss geregelt werden.
(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Selbst das schaffen Sie nicht!)
Das können Sie auch im Empfehlungskatalog nachlesen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ihrem Befund, Kolleginnen und Kollegen von Grünen und Linken, kann ich folgen.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na immerhin!)
Wir waren uns ja einig: Es gab strukturelle Defizite, Missstände, Versagen, allzu häufig kleinliches Kompetenzgerangel; manchmal meine ich, dass mir, wenn ich die Innenminister der Länder höre, da etwas im Ohr klingelt. Aber wir hatten diese Defizite bei allen Beteiligten: bei Staatsanwaltschaften, bei Gerichten, bei der Polizei, beim Verfassungsschutz;
(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Völlig richtig!)
nicht einmal den Innenausschuss des Deutschen Bundestages hat dieser Fall jemals erreicht. Wollen Sie die eigentlich alle auflösen?
(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Den Innenausschuss? Nein!)
Diesen Vorschlag habe ich noch gar nicht gehört: Das hat nicht funktioniert, also lösen wir die auf. – Meine Damen und Herren, das ist doch nicht die Lösung.
Wenn man Ihrem Vorschlag bzw. Ihrer Therapie konsequent folgen würde, dann müsste man sagen: Weg mit allen! – Das tun wir nicht. Man merkt, ich bin nachsichtig mit Ihnen. Sie haben ja – Gott sei Dank – noch nie ein Innenministerium in diesem Land geleitet;
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Warten Sie einmal ab!)
deswegen üben wir Nachsicht. Eigentlich müsste man Ihre Anträge als Sicherheitsrisiko bezeichnen; aber das tue ich natürlich nicht.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Lachen des Abg. Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Meine Damen und Herren, bei der Verfassungsschutzreform geht es um zwei Aspekte – eigentlich um drei, aber den dritten bekommen wir noch nicht hin –: Es muss besser kommuniziert werden, es muss vernetzter kommuniziert werden, und es muss koordiniert werden.
(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das waren doch schon drei!)
Und – das muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen –: Wenn man den NSU-Fall betrachtet und Kriminaldirektor Geier aus Bayern, dem Leiter der BAO, folgt, dann hätte es auch einer einheitlichen Führung bedurft. Wir haben in unserem Empfehlungskatalog aber nie gesagt, dass der Bund das tun soll – das muss man den Ländern vielleicht noch einmal zurufen –, sondern wir haben gesagt: In Ausnahmelagen wie Terrorserien, in solchen Fällen, in denen unsere föderale Struktur den Tätern in die Hände spielt oder in denen sie von ihnen gar bewusst genutzt wird, müssen wir eine zentrale Führung gewährleisten. Wir haben auch gesagt: Sichergestellt werden soll dies entweder durch ein Land – das hätte im NSU-Fall Bayern sein können; das hätte auf der Hand gelegen – oder durch den Bund, aber bitte einheitlich.
Ich glaube nicht – da bin ich ganz ehrlich –, dass unser föderales System ins Wanken gerät, wenn wir in extremen Ausnahmelagen wie im Fall von Terror die Führung in eine Hand legen. Wenn ich an die Ereignisse in Paris, Brüssel, Kopenhagen, Dresden, Braunschweig und Bremen denke – führen Sie sich die Kommunikationsprobleme, die es bei den Ereignissen in Braunschweig gab, mal vor Augen; das geschah ja an einem Wochenende; um Gottes willen! –, glaube ich nicht, dass der Verweis auf die Verfassung und die Polizeihoheit der Länder bei unseren Diskussionen der Weisheit letzter Schluss sein kann.
Wir brauchen überregionale Verfahren für hochflexible Ermittlungsgruppen über Ländergrenzen hinweg. Damit will ich nicht im Ansatz das föderale System antasten; ich will es für Ausnahmesituationen krisenfest machen. Ich will Tätern nicht die Chance geben, uns vorzuführen, nur weil 16 Länder Verfassungsschutz und Polizei organisieren, wovon ich in Wirklichkeit ein großer Anhänger bin. Deshalb widerspreche ich den aktuellen Aussagen einiger Landesinnenminister, da ich sie für grenzwertig halte – Zitat –:
Ich nenne den Namen und die Partei des Betreffenden nicht.
Für mich war im Untersuchungsausschuss oft einiges unvorstellbar. Dabei ging es aber nicht darum, dass in diesem Land eigenartig geführt wird. Wo sind wir denn?
(Beifall des Abg. Tankred Schipanski [CDU/CSU])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4968921 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 101 |
Tagesordnungspunkt | Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes |