24.04.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 101 / Tagesordnungspunkt 26 + ZP 7

Andreas NickCDU/CSU - NVV-Überprüfungskonferenz (Atomwaffensperrvertrag)

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor fast genau 70 Jahren, im August 1945, beendete der erstmalige Einsatz von Atomwaffen in Hiroshima und Nagasaki auch in Asien den Zweiten Weltkrieg. Hundertausende Menschen starben; viele leiden teilweise bis heute unter den Folgen. Vier Jahre später zündete auch die Sowjetunion ihre erste Atombombe.

Das Gleichgewicht des Schreckens der folgenden 40 Jahre zwischen den beiden atomaren Supermächten, der nukleare Friede, beruhte letztlich auf der glaubhaften Androhung wechselseitiger Vernichtung, der Mutual Assured Destruction, deren Kürzel „MAD“ wohl nicht zufällig dem englischen Wort für „verrückt“ entspricht.

Spätestens mit der Kuba-Krise 1962 wurde deutlich, wie nah sich die Welt am Abgrund einer atomaren Vernichtung bewegte. Die Atommächte trugen damit eine besondere Verantwortung. Trotz aller Gegensätze war ein hohes Maß an Berechenbarkeit und Vertrauensbildung auf beiden Seiten gefordert. In der Folge – nicht zuletzt der Kuba-Krise – kam es 1968 dann zum Abschluss des Vertrages über die Nichtverbreitung von Kernwaffen mit drei zentralen Pfeilern:

Erstens. Die Zahl der Nuklearmächte sollte weltweit nicht weiter ansteigen und auf die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates begrenzt bleiben.

Zweitens. Im Gegenzug wurde den atomwaffenfreien Staaten das uneingeschränkte Recht auf friedliche Nutzung der Kernenergie eingeräumt.

Drittens. Die Atommächte selbst verpflichteten sich, Verhandlungen mit dem Ziel einer vollständigen nuklearen Abrüstung zu führen.

Die Abrüstungsverträge über nukleare Mittelstreckenraketen INF und über strategische Trägersysteme START waren wichtige Meilensteine in der Beendigung des Kalten Krieges.

Heute stehen wir vor neuen Herausforderungen. In einer multipolaren Welt mit einer Vielzahl von Akteuren ist die Gefahr regionaler nuklearer Rüstungswettläufe deutlich angestiegen. Inzwischen gibt es mindestens vier zusätzliche Staaten, die über Atomwaffen verfügen. Insbesondere der indische Subkontinent mit den beiden rivalisierenden Atommächten Indien und Pakistan, aber auch Ostasien mit Nordkorea und nicht zuletzt der Mittlere Osten bergen ein großes Konflikt- und Eskalationspotenzial.

Mit der Verfügbarkeit sogenannter taktischer Nuklearwaffen droht eine Absenkung der Einsatzschwelle mit der Gefahr, dass ein vermeintlich begrenzter nuklearer Krieg führbar erscheinen könnte. Umso bedenklicher ist, dass mit Russland auch eine der Atommächte in jüngster Zeit seine substrategischen Nuklearwaffen modernisiert und Drohungen mit nuklearen Waffen offenbar wieder Teil der russischen Außenpolitik zu werden scheinen.

Vor allem aber ist die Entwicklung in der Ukraine ein massiver Rückschlag für das Ziel der Nichtverbreitung von Kernwaffen. Im Gegenzug zur Abgabe der früheren sowjetischen Atomwaffen war der Ukraine im Budapester Memorandum von 1994 die Achtung ihrer territorialen Integrität sowie die Wahrung ihrer politischen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit zugesichert worden, auch unmittelbar durch Russland. Mit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim und dem militärischen Vorgehen im Osten der Ukraine hat Russland diese Vereinbarung in eklatanter Weise verletzt.

Meine Damen und Herren, wenn aber internationale Vereinbarungen wie das Budapester Memorandum keinen verlässlichen Bestand mehr haben, dann ist doch kaum zu erwarten, dass künftig noch irgendein Staat auf der Welt freiwillig auf den einmal erreichten Besitz von Atomwaffen verzichten wird. Im Gegenteil: Wenn sich der Eindruck weiter verstärkt, nur dies würde sie in die Lage versetzen, ihre staatliche Souveränität und territoriale Integrität dauerhaft zu sichern, dann werden insbesondere kleinere Staaten mehr und mehr versucht sein, Kontrolle über Atomwaffen zu erlangen. Nuklearwaffen wären quasi die ultimative Währung nationaler Souveränität.

Dies verdeutlicht einmal mehr: Nukleare Abrüstung und Nichtverbreitung von Kernwaffen können nicht isoliert erreicht werden, sondern nur, wenn sie in eine verlässliche globale Friedensordnung und in ein robustes System regionaler Sicherheitsstrukturen eingebettet sind.

Es gibt aber auch ermutigende Entwicklungen. Dazu gehört zweifelsohne, dass nach langjährigen Bemühungen in Lausanne eine Einigung über die Eckpunkte einer Vereinbarung im Hinblick auf das iranische Atomprogramm erzielt werden konnte, nicht zuletzt auch durch den beharrlichen Einsatz unserer Bundesregierung, der wir dafür ausdrücklich unseren Dank aussprechen. Wenn damit der Anreiz zu einem nuklearen Wettlauf in der Region erheblich gesenkt werden kann, wäre dies ein wichtiger Schritt zu der vorgeschlagenen Errichtung einer massenvernichtungswaffenfreien Zone im Mittleren Osten. Zusammen mit unseren Partnern in der EU und der Nichtverbreitungs- und Abrüstungsinitiative NPDI werden wir auf die baldige Umsetzung hinarbeiten.

Die Vereinbarungen von Lausanne zeigen aber auch die zentrale Bedeutung der internationalen Atomenergiebehörde IAEO bei der Überwachung der zivilen Nutzung der Kernenergie. Dabei geht es gar nicht nur um die Nichtverbreitung von Atomwaffen, sondern insbesondere auch um die Überwachung des Verbleibs spaltbaren Materials; denn es muss uns klar sein: Auch eine mit nuklearem Material versetzte sogenannte schmutzige Bombe könnte in den Händen von Terroristen oder anderen nichtstaatlichen Akteuren verheerende Folgen haben.

Meine Damen und Herren, die von Nuklearwaffen ausgehenden Bedrohungen für den Fortbestand der Menschheit sind weiterhin gewaltig. Eine weltweite vollständige nukleare Abrüstung, das auch von Präsident Obama eingeforderte Global Zero, muss deshalb unser langfristiges Ziel bleiben.

Der Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen ist dafür ein wichtiger Meilenstein der internationalen Ordnung. Gemeinsam mit unseren Partnern wird sich Deutschland daher aktiv für einen positiven Abschluss der Überprüfungskonferenz im kommenden Mai einsetzen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank. – Als nächste Rednerin hat Agnieszka Brugger von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4968949
Wahlperiode 18
Sitzung 101
Tagesordnungspunkt NVV-Überprüfungskonferenz (Atomwaffensperrvertrag)
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