Helga Kühn-MengelSPD - Palliativ- und Hospizversorgung
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Verehrte Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, Sie legen heute einen Antrag vor, den wir in vielen Punkten unterstützen können. An vielen Stellen sind seine Forderungen deckungsgleich mit denen der SPD. Das Entscheidende ist aber: Wir werden einen Gesetzentwurf vorlegen, den wir in der nächsten Zeit behandeln, vertiefen und sicherlich an manchen Stellen auch noch verändern werden.
(Beifall bei der SPD)
Wir tun das – es ist schon mehrfach gesagt worden –, weil die Menschen Sorge darüber haben, was Selbstbestimmung, Würde und Wertschätzung auf der letzten Wegstrecke des Lebens bedeuten. Wir müssen uns mit der Angst der Bürger und Bürgerinnen auseinandersetzen, im Falle einer lebensbedrohlichen Erkrankung genau diese zu verlieren. Sie haben Angst davor, Schmerzen zu haben, allein zu sein und womöglich anderen – auch dies ist schon gesagt worden – zur Last zu fallen.
Die hospizliche und die palliative Versorgung kann mit der Besonderheit, dass dort haupt- und ehrenamtliche Kräfte tätig sind, vieles leisten. Wir wissen von jenen, die dort arbeiten, dass durch Schmerz- und Symptomkontrolle, durch Zuwendung und durch Begleitung der Wunsch nach Sterben häufig in den Hintergrund tritt, dass der Suizidgedanke aufgegeben wird – das ist nicht nur durch Erfahrung, sondern auch durch Studien belegt – und dass manche – so paradox es klingt – sogar wieder Lebensmut schöpfen. Deshalb muss man – ich betone das ausdrücklich – zu den aktuellen Äußerungen der Strafrechtslehrerinnen und -lehrer zu diesem Thema etwas sagen – ich will nicht vertieft darauf eingehen, weil ich nur wenige Minuten Redezeit habe –; denn diese haben den Kern der hospizlichen und palliativen Versorgung überhaupt nicht verstanden.
(Michael Brand [CDU/CSU]: So ist es!)
Sie differenzieren nicht, sie vermischen die Begrifflichkeiten, sie kritisieren die wirklich hervorragende Arbeit der Menschen in den Hospizen und auch im ambulanten Bereich, und sie vernebeln das, was sie wirklich wollen.
In den letzten Jahren wurden viele Verbesserungen erreicht: die Förderung der ambulanten und stationären Hospizarbeit, die Stärkung des Ehrenamtes – natürlich als Ergänzung und nicht als Ersatz –, die Weiterentwicklung der Schmerztherapie, die Einführung der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung mit einhergehender Qualifizierung der Ärzte und nicht zuletzt – auch das ist ganz wichtig – ein gesellschaftlicher Bewusstseinswandel und eine ganz andere Auseinandersetzung mit diesem Thema.
Jetzt müssen wir mit den guten Angeboten und den richtigen Weichenstellungen in die Fläche gehen. Der Gesetzentwurf setzt Schwerpunkte bei der Weiterentwicklung der ambulanten palliativen Versorgung, bei der Vernetzung und Koordination in der Region, gerade im ländlichen Raum, bei der Verbesserung der Finanzierung ambulanter und stationärer Hospize, bei der Finanzierung der Palliativstationen, bei der Patientenberatung und bei Informationen zu Fragen der hospizlichen Versorgung und Begleitung.
Durch das Gesetz würde ein neuer Rechtsanspruch geschaffen. Dieser neue Rechtsanspruch – die Kollegin hat es schon erwähnt – ist ein großer Fortschritt für die Versicherten; denn eine bessere Aufklärung und Information der Betroffenen und ihrer Angehörigen ist wichtige Voraussetzung für einen gerechten Zugang zu diesen Versorgungsangeboten, unabhängig vom sozioökonomischen Status und unabhängig von dem Ort, an dem die Menschen in ihrer letzten Lebensphase versorgt werden.
Es gibt Hinweise darauf, dass nur ein Fünftel der Patienten und Patientinnen Zugang zu diesen Angeboten hat. Viele wissen gar nichts darüber. Es ist wichtig, dass die Finanzierung der stationären und ambulanten Hospize verbessert wird und Zuschüsse angehoben werden. Wichtig ist aber auch, dass keine Vollfinanzierung vorgenommen wird, weil über das Ehrenamt und über die Spenden das Thema in die Gesellschaft getragen werden soll.
Wir werden ausreichend Gelegenheit haben, den Gesetzentwurf vertiefend zu behandeln und noch einmal einen Blick auf die palliativpflegerische Versorgung in stationären Einrichtungen wie Pflegeheimen zu werfen. Vor allem werden wir noch einmal den Bereich der ambulanten Krankenhausversorgung beleuchten. Das ist nämlich auch ein ganz wichtiger Punkt. Wir wissen, dass 46,6 Prozent der Menschen, also knapp die Hälfte, in Krankenhäusern sterben. Wir müssen diesen ganzen Diskussionsprozess mit dem Charta-Prozess verbinden.
Zum Schluss will ich zitieren, was ich auf einer Veranstaltung gehört habe: Hospiz ist kein Ort, Hospiz ist eine Haltung.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat der Kollege Erwin Rüddel für die CDU/ CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4969131 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 101 |
Tagesordnungspunkt | Palliativ- und Hospizversorgung |