07.05.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 103 / Tagesordnungspunkt 3

Joachim PfeifferCDU/CSU - Fracking, Bergschadenshaftung, Bergbaurecht

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn man hier die Linken und auch die Grünen hört

(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben noch gar nicht gesprochen! – Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir waren noch nicht dran!)

– die Zwischenrufe von Herrn Krischer waren nicht zu überhören; Sie äußern sich ja auch im Vorfeld, außerhalb des Hauses –, dann kann man den Eindruck gewinnen: Fracking ist ein Selbstzweck. – Deshalb ist es vielleicht ganz gut, einmal eine Einordnung vorzunehmen, um was es eigentlich geht.

Auch wenn wir den Umbau der Energieversorgung in Deutschland erreichen – mit Energieeffizienz, mit Energieeinsparung um 50 Prozent bis 2050; der Restbedarf soll möglichst mit erneuerbaren Energien gedeckt werden –, werden konventionelle Energien sowohl im Strom- als auch im Gebäudebereich, bei der Heizung, und im Verkehrsbereich weiterhin eine Rolle spielen. Wenn der Wind nicht weht oder die Sonne nicht scheint, brauchen wir, um die Grundlast zu decken, auch weiterhin konventionelle Energien.

Schauen wir uns die Klimabilanz an: Es ist so, dass Gas im Grundsatz eine deutlich bessere CO 2 -Bilanz hat als andere konventionelle Energien. Wenn wir Gas in Deutschland haben, dann sind wir, glaube ich, gut beraten, uns zu überlegen, ob wir diese Potenziale auch in Zukunft nutzen.

Wie ist die Situation weltweit? Die USA wurden angesprochen. In der Tat hat dort eine Revolution stattgefunden, und zwar nicht in der konventionellen Gasförderung, sondern in der nichtkonventionellen, in der unkonventionellen Schiefergasförderung. Die USA sind vom größten Energieimporteur zum Selbstversorger und jetzt zum Energieexporteur geworden. In diesem Jahr werden die USA beginnen, Gas aus unkonventionellen Lagerstätten in die Welt zu exportieren. Nach jetzigem Stand ist es so, dass sie damit über Jahrzehnte, wenn nicht über hundert Jahre – das zeigen neueste Untersuchungen – energieunabhängig werden.

Auch wir in Deutschland haben Potenziale. Anfang der 90er-Jahre haben wir noch ein Viertel unseres Gasbedarfs von rund 100 Milliarden Kubikmeter aus heimischer Förderung gedeckt. Heute sind es nur noch 10 Prozent. Wenn wir uns jetzt anschauen, was wir an konventionellen Reserven haben, dann erkennen wir: Es sind gerade mal noch 150 Milliarden Kubikmeter. An unkonventionellen Potenzialen gibt es in Deutschland 1 300 Milliarden Kubikmeter. Das heißt, wir könnten 13 Jahre eine Vollversorgung aus heimischen Quellen sicherstellen oder den jetzigen Bedarf oder die jetzige Eigenförderung für 130 Jahre gewährleisten. Deshalb sind wir, glaube ich, gut beraten, nicht von vornherein Technologien und Potenziale auszuschließen, sondern uns die ganz genau anzuschauen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wie ist die Situation? Es wird davon gesprochen, dass wir Rechtsunsicherheit hätten. Wir haben im Moment keine Rechtsunsicherheit. Wir haben ein Bergrecht – das ist die heutige Rechtslage –, das Fracking sowohl im konventionellen Bereich als auch im nichtkonventionellen Bereich ermöglicht. Das ist die Situation.

(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielleicht sprechen Sie mal mit Ihrer eigenen Fraktion!)

Alles andere, was behauptet wird, etwa, dass dies ein Fracking-Ermöglichungs-Gesetz wäre, ist falsch, ist eine bewusste Falschbehauptung der Linken und der Grünen, die sie in den Raum stellen, um die Leute in die Irre zu führen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Das Gegenteil ist der Fall.

Mit dem, was jetzt auf dem Tisch liegt, verschärfen wir massiv die Anforderungen gegenüber dem, was bisherige Rechtslage ist. Was wird entsprechend unternommen? Im konventionellen Bereich, bei der Gewinnung von Tight Gas, gab es übrigens seit Anfang der 60er- Jahre – das Fracking in Niedersachsen ist erwähnt worden; der zuständige niedersächsische Wirtschaftsminister ist hier – über 300 Fälle von Fracking. Im Moment ist festzustellen, dass die Förderung in Niedersachsen zurückgeht, weil auch im Bereich des Tight Gas im Moment keine neuen Vorhaben umgesetzt werden.

(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Irgendwann sind die Lagerstätten auch einmal ausgeschöpft!)

Wir schaffen jetzt Rechtssicherheit im konventionellen Bereich, verbleiben aber nicht beim Status quo. Auch im konventionellen Bereich wird der Rechtsrahmen erheblich ausgeweitet: Die Ausschlussgebiete werden ausgeweitet. Zukünftig werden bergrechtliche Genehmigungen nur im Einvernehmen mit der Wasserbehörde erfolgen; die Ministerin hat es angesprochen. Der Wasserschutz ist für uns nicht verhandelbar und hat oberste Priorität. Deshalb verschärfen wir auch im konventionellen Bereich die geltende Rechtslage, auch was den Umgang mit Lagerstättenwasser, Bergschadensrecht und anderem anbelangt.

Was machen wir jetzt im unkonventionellen Bereich, im Schiefergasbereich? Da wir, anders als in den USA, wo nicht nur geforscht wird, sondern das entsprechende Verfahren großtechnisch angewendet wird – Tausende, Zehntausende von Fracking-Maßnahmen und -Projekten sind dort im Gange, ohne dass dort größere Schäden eingetreten sind – –

(Hubertus Zdebel [DIE LINKE]: Wovon träumen Sie denn gerade? – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen Sie da mal hinfahren? Fahren Sie da mal hin, und schauen Sie sich das an!)

– Ja, ich war schon dort; es waren auch Grüne dabei. Vor Ort wollen Sie es dann nicht wahrhaben. Aber wie auch immer! – Trotzdem sagen wir: Wir wollen in der jetzigen Situation nicht, dass in Deutschland konventionell gefrackt wird, sondern wir wollen jetzt in Deutschland erproben und die geologischen Formationen untersuchen, um herauszufinden, ob hier Fracking unbedenklich ist. Deshalb gibt es hier den Vorschlag, in den nächsten drei Jahren entsprechende Erprobungsmaßnahmen durchzuführen. Wir als Unionsfraktion können uns vorstellen, dass wir die Erprobungen in den weiteren Verhandlungen auf bestimmte geologische Schichten und auch auf eine bestimmte Zahl begrenzen – da sind wir offen, darüber können wir sprechen –,

(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine Sackgassenforschung!)

damit deutlich wird: Es geht um Erforschung, es geht um Wissenschaft, es geht darum, im Land der Tüftler und Denker keine Denkverbote zu erlassen, keine Technologieverbote zu erlassen, sondern mit Maß und Ziel in aller Ruhe zu erproben, ob Fracking auch im nichtkonventionellen Bereich, also im Schiefergasbereich, in Deutschland unbedenklich und möglich ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Für die Position haben Sie in Ihrer eigenen Fraktion keine Mehrheit!)

Dafür nehmen wir uns die entsprechende Zeit.

Wir begleiten dies mit einer Expertenkommission. Die Expertenkommission entscheidet aber nicht, ob zukünftig in Deutschland kommerziell Schiefergas gefördert wird oder nicht. Vielmehr begleitet die Expertenkommission den Forschungsprozess der nächsten Jahre.

(Hubertus Zdebel [DIE LINKE]: Die macht dann die Vorgaben!)

Diese Expertenkommission ist, wie die Zusammensetzung zeigt, sicherlich nicht verdächtig, von vornherein pro Fracking zu sein. Ganz im Gegenteil: Das Umweltbundesamt und andere, die darin vertreten sind, haben sich schon anders eingelassen. Es sind selbstverständlich auch die Wasserbehörden und diejenigen, die sich wissenschaftlich damit befassen, mit dabei. Es ist klar, dass auch die Bergrechtskompetenz darin vertreten sein muss. Diese Kommission gibt lediglich eine wissenschaftliche Einschätzung ab, ob die Probebohrungen, ob das Fracking in bestimmten Gesteinsformationen – davon gibt es in Deutschland verschiedene, deshalb muss man an verschiedenen Stellen Probebohrungen durchführen – unbedenklich sind oder nicht.

Wenn sich dann herausstellen sollte, dass sie unbedenklich sind – wenn sie bedenklich sind, dann wird es keine kommerziellen Vorhaben geben –, dann treten die rechtsstaatlichen Regelungen in Kraft. Dann erfolgt ein normales Genehmigungsverfahren nach Bergrecht, in Zukunft im Einvernehmen mit den Wasserbehörden, wie in jedem anderen Planfeststellungsverfahren im Energie-, Rohstoff- oder Verkehrsbereich auch. Das ist kein Skandal. Im Gegenteil: Das ist das Normalste der Welt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir nehmen die Bedenken und die Ängste unserer Bürger ernst.

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nur samstags!)

Wir nehmen sie ernst, indem wir diesen Ängsten nachgehen, indem wir versuchen, diese Bedenken zu objektivieren. Wenn sich herausstellt, dass Fracking unbedenklich ist, dann kann man mit sachlichen Argumenten überzeugen.

Ich erwarte von allen hier im Haus, auch von den Grünen und von den Linken, dass sie sich dem Abwägungsprozess objektiv stellen

(Hubertus Zdebel [DIE LINKE]: Tun wir ja auch!)

und es akzeptieren, wenn das Ergebnis positiv ausfällt. Es geht nicht, dass Sie von vornherein, ohne das Ergebnis zu kennen, ohne zu wissen, was erprobt werden soll und wo erprobt werden soll, sagen: Wir machen das nicht. – Das machen wir von der Union nicht mit. Wir nehmen die Befürchtungen der Bürger ernst, aber wir kanalisieren sie, wir gehen ihnen objektiv nach.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Erst nachdem die Abwägungen vorgenommen wurden, kann das normale Genehmigungsverfahren durchgeführt werden. Deshalb gibt es überhaupt keinen Grund, beim Thema Fracking so emotional und so unsachlich zu agieren.

Wir freuen uns auf eine konstruktive Beratung in den Ausschüssen und auf die weitere Diskussion. Wir wollen Deutschland, auch aus Gründen der Versorgungssicherheit, fit machen.

(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch ein lächerliches Argument!)

Fracking und die unkonventionelle Gasförderung sind hier eine Möglichkeit, die man mit den erneuerbaren Energien durchaus sinnvoll kombinieren kann.

Herr Kollege, das hatten Sie schon einmal vorgetragen.

Ob kommerzielles Fracking zugelassen wird – die Ministerin hat es angesprochen –, hängt neben der Prüfung der Unbedenklichkeit davon ab, ob es sich wirtschaftlich rechnet. Aber dies wissen wir noch nicht, und deshalb wollen wir es erproben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Oliver Krischer ist der nächste Redner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5036622
Wahlperiode 18
Sitzung 103
Tagesordnungspunkt Fracking, Bergschadenshaftung, Bergbaurecht
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