Norbert Lammert - Fracking, Bergschadenshaftung, Bergbaurecht
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute steht ein Thema mit großer öffentlicher Diskussion auf der Tagesordnung. Lassen Sie mich daher in fünf Punkten die Position des Landes Niedersachsen dazu deutlich machen.
Erstens. Die kritische öffentliche Debatte, die wir haben, ist gut, weil sie Öffentlichkeit und Politik natürlich zwingt, genau hinzusehen, welche Technologien in Deutschland angewendet werden können, welche Risiken bestehen und wie man verhindert, dass Gefahren für Mensch und Umwelt, insbesondere natürlich für das Trinkwasser, entstehen. Aber, meine Damen und Herren, es geht auch um die Verantwortung für den Technologie- und Industriestandort Deutschland, über den wir hier heute reden. Themen wie Trink- und Grundwasserschutz, Natur- und Landschaftsschutz und Erhalt der Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger stehen für uns als Landesregierung in Niedersachsen auf einer Stufe mit den Interessen der Rohstoffgewinnung aus heimischen Lagerstätten.
(Zurufe von der LINKEN: Aha! – Interessant!)
Vor diesem Hintergrund ist es unverzichtbar, die rechtlichen Rahmenbedingungen weiterzuentwickeln und die Bürgerinnen und Bürger auch von der Beherrschbarkeit der Risiken bei der Erdöl- und Erdgasgewinnung zu überzeugen.
(Zuruf von der LINKEN: Wie bei der Kernenergie?)
Niedersachsen ist nicht nur mit Blick auf die Windenergie das Energieland Nummer eins. 95 Prozent des Erdgases aus deutscher Förderung kommen aus Niedersachsen, und rund ein Drittel der deutschen Erdölförderung findet in Niedersachsen statt. Das Erdgas aus Niedersachsen deckt immerhin rund 10 Prozent des bundesdeutschen Gesamtbedarfs. Niedersachsen ist also auch Erdgasland Nummer eins. Deswegen, meine Damen und Herren: Wir haben seit drei Jahren ein freiwilliges Moratorium der Förderunternehmen. Das ist keine Grundlage für die Zukunft. Wir brauchen jetzt eine rechtliche Absicherung im Hinblick auf die Verlässlichkeit des Schutzes von Umwelt und Natur, aber auch im Hinblick auf die Verlässlichkeit für die Industrie in Deutschland.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Übrigens, meine Damen und Herren: Das hat auch etwas mit Beschäftigung zu tun. Heute haben wir gehört: Es droht die Entlassung von 200 Fachkräften in diesem Bereich in Celle. Da geht es nicht nur um Arbeitsplätze, sondern auch um Know-how in unserem Land,
(Volker Kauder [CDU/CSU]: So ist es!)
um die technologische Weiterentwicklung in Deutschland voranzutreiben.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Wichtig ist für uns, auch und gerade in Niedersachsen, die Unterscheidung zwischen der Förderung aus konventionellen Lagerstätten und aus unkonventionellen Lagerstätten. „ Konventionelle Lagerstätte“ heißt jahrzehntelange Erfahrung in Niedersachsen. „ Unkonventionelle Lagerstätte“ heißt, es gibt keine Erfahrungen, die eine Grundlage sind, um an diesem Thema in Niedersachsen weiterzuarbeiten. Es ist wichtig, auch an einer anderen Stelle zu unterscheiden: Für das eine – davon sind wir überzeugt – können wir eine Akzeptanz schaffen, weil man es kennt und weil es in der Frage der konventionellen Erdgasförderung Verlässlichkeit gibt, während es bei dem anderen große Vorbehalte gibt. Die Trennung der beiden Themen sorgt dafür, dass wir in Niedersachsen eine gute Grundlage haben, die Förderung von Erdgas aus konventionellen Lagerstätten fortzusetzen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ich komme zum zweiten Punkt, nämlich: Warum wird Erdgasförderung in Deutschland gebraucht? Die Energiewende ist das Ziel in Deutschland, die Energiewende ist das Ziel in Niedersachsen. Aber ohne fossile Energieträger wird uns dieser Übergang nicht gelingen.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: So ist es!)
Daher ist auch Erdgas eine ganz wichtige Brücke zur Erreichung der Ziele, die wir uns für 2050 vorgenommen haben.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Angesichts dieser Ausgangslage stellt sich aber unweigerlich die Frage: Wie können wir die Erdgasversorgung in Deutschland langfristig sicherstellen? Geopolitische Stresstests, die Ukraine- und die Russland-Krise zeigen uns die aktuelle Situation. Die Erdgasimporte aus den Förderländern Norwegen und Niederlande gehen zurück. Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Import von Gas befreit uns nicht von der Debatte, auf welchen Grundlagen, auch hinsichtlich des Schutzes von Natur und Mensch, dort Erdgas gefördert wird. Auch da stehen wir in der Verantwortung. Wir können dies nicht einfach abspeisen und sagen: Wir importieren nur das notwendige Erdgas.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Diese Umweltstandards können wir hier in Deutschland erarbeiten. Wir können Vorreiter im Bereich der Umweltstandards bei der Förderung von Erdgas sein. Diese können wir dann auf andere Länder übertragen. Damit schaffen wir es, die Erdgasförderung insgesamt sicherer zu machen und einen anderen Standard zu schaffen.
Ein Weiter-so – das ist Punkt drei – kann es nicht geben. Die Kernforderungen unserer Landesregierung sind deutlich. Wir haben an verschiedenen Stellen über Bundesratsinitiativen, aber, wie ich glaube, auch mit viel Zuarbeit berg-, wasser- und naturschutzrechtliche Bestimmungen auf den Weg gebracht. Es steckt also ganz viel Erfahrung aus Niedersachsen – 95 Prozent der Erdgasförderung finden in Niedersachsen statt – in den aus meiner Sicht ausgewogenen Gesetzentwürfen.
Ein paar wichtige Eckpunkte: Technisch und wirtschaftlich gewinnbare Erdgaspotenziale liegen in Niedersachsen in tief liegenden geologischen Sandsteinlagerschichten. Genau darum geht es: Dort ist der Einsatz der Frack-Technologie in den letzten 30 Jahren 300-mal durchgeführt und auch ausgewertet worden. Es liegt also Erfahrung vor. Die Aussage, es gebe keine Erfahrung und es komme zu einer Verunreinigung des Trinkwassers, stimmt an dieser Stelle nicht. Insofern müssen wir zumindest eine offene und ehrliche Debatte darüber führen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Deswegen, meine Damen und Herren, muss Erdgasförderung aus diesen konventionellen Lagerstätten weiter möglich sein, aber – anders als bisher – unter der Berücksichtigung sehr viel strengerer Umweltauflagen und unter Durchführung maximaler transparenter Genehmigungsverfahren, also von Planfeststellungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung, wie wir es auch von anderen Verfahren kennen. Das ist auch hier dringend notwendig.
Klar ist dabei auch: Zurückgeförderte Frack-Flüssigkeiten sind aufzubereiten, sie dürfen nicht versenkt werden. Die Versenkung von Lagerstättenwasser darf nur in den ehemaligen Förderhorizonten und auch da erst nach Planfeststellungsverfahren und Umweltverträglichkeitsprüfung unter Einbindung der zuständigen Wasserbehörden – all das spielt eine Rolle – erfolgen. Wasserschutzgebiete, Heilquellenschutzgebiete, Trink- und Mineralwassergewinnungsgebiete stehen für eine bergbauliche Nutzung, also Fracking- oder Lagerstättenwasserverpressung, nicht zur Verfügung; dies als klare Aussage.
Abschließend: Das Bergschadensrecht ist zu novellieren. Die Umkehr der Beweislast ist unabdingbar. Das schafft auch wieder ein Stück weit mehr Vertrauen in die heimische Erdgasförderung. Das ist wichtig für eine Akzeptanz in Deutschland.
Deswegen der Punkt vier: Die Entscheidungen sind jetzt notwendig, und ich bin dankbar für die intensive Diskussion. Wenn wir nicht handeln, läuft das Moratorium aus. Dann gelten die alten Bedingungen, das heißt: ein Anspruch auf Erdgasförderung, ein Anspruch auf Fracking. Das muss allen Beteiligten klar sein, die sich hier kritisch zu diesem Gesetzentwurf äußern.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Allein in Niedersachsen sind es 20 000 Fachkräfte, die wir brauchen, die wir dringend erhalten müssen, damit wir neue Technologien entwickeln können. Deswegen dürfen wir kein generelles Technologieverbot haben. Die weitreichende Ausweitung von Ausschlussgebieten sowie die Einführung von unverhältnismäßigen Prüfmaßstäben wie dem Besorgnisgrundsatz erhöhen nicht das Schutzniveau, sondern führen dazu, dass es ein kurzfristiges Ende der Erdgasproduktion in Deutschland innerhalb der nächsten fünf Jahre gibt. Damit geht ein Wegbrechen der Fachkräfte und der Fachkompetenz in unserem Land einher.
Deswegen komme ich abschließend zum Punkt fünf: Es ist keine einfache, aber eine dringend notwendige Entscheidung. Es ist, glaube ich, für die öffentliche Diskussion wichtig. Daher sage ich es noch einmal: Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ermöglichen wir nicht neue Wege der Erdgasförderung oder des Frackings,
(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Doch!)
sondern wir sorgen mit diesem Gesetzentwurf dafür, dass wir es begrenzen, dass wir es auf die Bereiche reduzieren, bei denen wir es für umweltverträglich und auch für zulässig halten.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Das ist der entscheidende Grundsatz dieses Gesetzentwurfs, den wir an dieser Stelle dringend brauchen.
Lassen Sie uns deswegen diesen Weg gemeinsam gehen: Sicherung einer verantwortungsvollen Energieversorgung, umfassender Umwelt- und Trinkwasserschutz, transparente Bürgerbeteiligung genauso wie die Sicherung des Technologiestandorts Deutschland und der Arbeitsplätze, Chancen für die Industrie zur Entwicklung umweltschonender Verfahren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die heutige Diskussion ist keine Diskussion allein über die Frage von Erdgasförderung oder Fracking, sondern es geht auch um die Frage, ob wir in Deutschland bereit sind, Technologien anzuwenden und weiterzuentwickeln, oder ob es in Deutschland in Zukunft die Entwicklung neuer Technologien nicht mehr gibt.
Ich bin mir sicher: Mit dem Gesetzentwurf schaffen wir es, den Schutz von Mensch und Natur mit einer sicheren Erdgasgewinnung in Einklang zu bringen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Eva Bulling-Schröter ist die nächste Rednerin für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5036628 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 103 |
Tagesordnungspunkt | Fracking, Bergschadenshaftung, Bergbaurecht |