07.05.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 103 / Tagesordnungspunkt 3

Georg NüßleinCDU/CSU - Fracking, Bergschadenshaftung, Bergbaurecht

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Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Für die Union hat der Schutz von Mensch, Trinkwasser und Umwelt oberste Priorität. Ich nehme mir heraus, zu sagen, dass das genauso für die Kolleginnen und Kollegen der SPD gilt. Es ist natürlich das gute Recht der Opposition, das in Zweifel zu ziehen. Nur, Frau Bulling-Schröter, was gar nicht geht, ist, die Tatsachen so zu verdrehen, wie ich es gerade bei Ihnen erlebt habe. Sie tun so, als ob Fracking in Deutschland bislang verboten wäre und wir es nun erlauben wollten. Das ist falsch; das sage ich Ihnen ganz offen. Das lassen wir Ihnen auch nicht durchgehen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sie müssen doch konstatieren, dass in Deutschland seit Jahren bzw. sogar seit Jahrzehnten gefrackt wird. Das zu regeln, das in geordnete, umweltschutzgerechte Bahnen zu lenken, ist das Anliegen der Gesetze, über deren Entwürfe wir heute in erster Lesung beraten, und nichts anderes.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Seit Jahrzehnten wird in Deutschland, wie gesagt, gefrackt. Es wird zwischen konventionellem Fracking und unkonventionellem Fracking unterschieden. Ich will das mit Blick darauf, dass viele diese Debatte verfolgen, erklären. Das konventionelle Fracking findet dort statt, wo sich Gasblasen unter festem Gestein angesammelt haben. Diese Blasen werden angebohrt, und das Gas steigt aufgrund des eigenen Drucks auf. Wenn dieser Druck nachlässt, wird gefrackt, um weiteres Gas zu fördern. Das ist seit den 60er-Jahren gängige Praxis in Deutschland.

Nun kommt eine Technologie hinzu, über die zu Recht heftig diskutiert wird. Beim unkonventionellen Fracking wird versucht, das im Muttergestein oberflächennah gebundene Gas durch Sprengen des Gesteins und hydraulischen Druck zu fördern. Über dieses Thema reden wir nun. Ich will deutlich unterstreichen: Die Diskussion über das unkonventionelle Fracking hat bei uns allen den Blick auf Probleme des konventionellen Frackings geschärft. Ich danke ausdrücklich all den Kolleginnen und Kollegen – auch in meiner Fraktion –, die über dieses Thema kontrovers diskutieren, die sich mit eigenen Erfahrungen aus den Wahlkreisen einbringen und die sich konstruktiv, aber auch kritisch beteiligen. Ihnen sage ich: Sie haben viel erreicht für eine umweltschonende Rohstoffförderung, die, wie Staatsminister Lies beschrieben hat, immerhin 12 Prozent des Erdgasverbrauchs in Deutschland deckt. Tatsächlich erreichen wir aber nur dann viel, wenn es uns nun gelingt, die vorliegenden Gesetzentwürfe durch die parlamentarischen Beratungen zu bringen. Dann kommen die UVP und die geforderten Ausschlussgebiete.

Eine Anmerkung am Rande: Selbst die ganz kritischen Geister in Bayern haben inmitten der Diskussion plötzlich bemerkt, dass dann, wenn man Fracking komplett verbietet, beispielsweise die Heilquellen vor Ort versiegen werden; denn auch in diesen Fällen ist man auf Fracking angewiesen, um wieder an Wasser zu kommen.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist selbst für Sie unter Niveau!)

Dass wir bei den Wasserthemen auch die Brauereien berücksichtigt haben, zeigt, wie umfassend und weitgehend wir das alles regeln. Wir behalten in diesem Zusammenhang alle Themen im Blick.

Wir werden zudem das Bergschadensrecht und die Regelungen betreffend das Lagerstättenwasser verschärfen. Sicherlich wird es noch manche Diskussion – auch in meiner Fraktion – über die Frage geben, wie das ausgestaltet werden soll. Aber das ist legitim. Solche Diskussionen werden im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens geführt werden. Das ist auch gut so.

(Beifall des Abg. Marco Bülow [SPD])

Wir werden hier zu guten Lösungen kommen.

Ich möchte unterstreichen: Für das unkonventionelle Fracking gilt das von allen geforderte klare Verbot, allerdings unter Erlaubnisvorbehalt.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vereinbart war aber etwas anderes!)

– Zuhören hilft Ihnen! Ob es etwas verändert, ob Sie es nachvollziehen können, ist eine andere Frage.

Wir verbieten – wie von Ihnen gefordert – das, weil es keinerlei Erfahrungen und möglicherweise Risiken gibt. Wenn man diese Begründung ernst nimmt, dann bedeutet das: Sobald man Erfahrungen gemacht hat und zu dem Ergebnis gekommen ist, dass Risiken auszuschließen oder zumindest beherrschbar sind, muss es möglich sein, eine solche Technologie anzuwenden. Deshalb besteht der erwähnte Erlaubnisvorbehalt.

Ich möchte hier den beiden SPD-geführten Häusern für diesen klugen Vorschlag ausdrücklich danken.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Frank Schwabe [SPD]: Sie müssen dem Kanzleramt danken, Herr Nüßlein!)

Eine Expertenkommission einzusetzen, die gut und mit dies durchaus kritisch sehenden Persönlichkeiten besetzt ist, das Who’s who der Geo- und Wasserwissenschaft, ist sachlogisch. Ich möchte noch einmal deutlich unterstreichen: Sie genehmigen nichts, sondern begutachten nur die Versuchsbohrungen. Sie liefern die Eintrittskarte für ein weiteres Verfahren. Sie ersetzen kein Genehmigungsverfahren. Wenn sie zu einem Ergebnis kommen, dann sind die Berg- und Wasserbehörden der Länder gefragt. Das ist ein ganz normales Verfahren.

Lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Bülow zu?

Ja, gern.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: „Gern“ musst du nicht sagen!)

Geschätzter Herr Nüßlein, ich freue mich sehr, dass wir jetzt über den Entwurf diskutieren, der von den Häusern gekommen ist, und dass Sie die Problematik des Lagerstättenwassers als diskutabel eingeordnet haben.

Herr Pfeiffer hat die Bedeutung der Expertenkommission so hervorgehoben. Mich würde interessieren, ob wir damit rechnen können, mit der Union auch noch einmal über die Expertenkommission zu reden. Ich glaube immer noch, dass wir im Bundestag am besten über diese Dinge entscheiden können und keine Expertenkommission brauchen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es ist in Ordnung, dass die Experten uns beraten, aber nicht, dass sie letztendlich entscheiden. Ich würde mich freuen, wenn Sie die Position der Union diesbezüglich darlegen würden. Wahrscheinlich gibt es auch dazu wieder zwei oder drei Positionen. Trauen Sie sich zu, diese Expertise selber darzustellen?

Danke schön.

Ich bin der Überzeugung, dass wir im Deutschen Bundestag nicht die besseren Experten sind, sondern dass es sinnvoll ist, sich wissenschaftliche Expertise zu holen. Die Experten können wir im Bundestag schwer ersetzen. Was wollen Sie denn dann ersetzen? Das anschließende Genehmigungsverfahren?

(Frank Schwabe [SPD]: Die Entscheidung!)

Soll am Schluss der Deutsche Bundestag genehmigen und die Landesbehörden, die Fachbehörden ersetzen und vor Ort im Wahlkreis X oder Y Maßnahmen genehmigen? Ich glaube nicht, dass wir uns dazu degradieren sollten. Wir machen den gesetzlichen Rahmen, meine Damen und Herren.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die Entscheidung trifft die Expertenkommission? Was ist das denn?)

Dann wird er so, wie es sich gehört, ausgefüllt. Das sieht dieses Gesetz an dieser Stelle vor. Deshalb habe ich gesagt: Es ist ein kluger Vorbehalt, der nicht wieder zu den angstgeleiteten Diskussionen führt: Soll man oder soll man nicht? Auch die Industrie kann sich dann darauf verlassen, dass dann, wenn die Experten zu dem Ergebnis kommen, dass es keine Bedenken gibt,

(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So wie bei der Asse!)

ein Rechtsweg beschritten wird, der in die Richtung geht, dass wir die Technologie anwenden.

Ich sage auch denen, meine Damen und Herren, die kritisch sind und sagen, dass die Risiken zu groß und unbeherrschbar sind: Wenn das so ist, dann wird doch niemals eine so besetzte Expertenkommission, wie es das Umweltministerium vorschlägt,

(Frank Schwabe [SPD]: Das Bundeskanzleramt!)

zu dem Ergebnis kommen, dass man das in Deutschland anwenden kann. Dann ist das ausgeschlossen. Dann ist dieses Verbot so absolut, wie es die einen oder anderen auch aus unseren Reihen wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Deshalb glaube ich schon, dass es richtig ist, dass wir konzentriert an diesem Gesetz weiterarbeiten und dafür Sorge tragen, dass insbesondere die Verbesserungen, die im Bereich des konventionellen Fracking angedacht sind, am Schluss auch so kommen. Das ist ganz entscheidend. Wir erreichen nichts, wenn wir wieder an der gleichen Stelle steckenbleiben wie in der letzten Legislatur, wo die Verdrehung der Tatsachen – man hat uns auch da schon angehängt, wir würden ein Fracking-Ermöglichungs-Gesetz machen –, genau dazu geführt hat, dass es diese Verbesserungen nicht gegeben hat.

Die Mehrheit der kritischen Geister in unseren Reihen beschäftigt sich im Übrigen mit Themen, die mit dem konventionellen, dem praktizierten Fracking zusammenhängen.

Herr Kollege Nüßlein, auch Frau Höhn möchte gerne Ihre Redezeit verlängern. Sind Sie damit einverstanden?

Okay, herzlich gern.

Herr Kollege Nüßlein, können Sie bestätigen, dass die Experten hinsichtlich der Wasserfrage bei der Asse gesagt haben, die Asse sei absolut sicher und Radioaktivität würde nicht ins Wasser gelangen, und zwar für 1 Million Jahre nicht, dies aber trotzdem nach 20 Jahren passiert ist? Können Sie genauso bestätigen, dass die Experten gesagt haben, dass das PCB-belastete Hydrauliköl ruhig in den Bergwerken bleiben könne, weil das nie und nimmer ins Wasser gelange, wir jetzt aber, nach 10, 15 Jahren, PCB im Wasser finden? Können Sie das bestätigen? Können Sie bestätigen, dass Experten zu genau diesen Auffassungen gelangt sind?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Frau Kollegin Höhn, was wollen Sie mir mit dieser Frage mitteilen? Dass man sich auf den Rat von Experten nicht verlassen kann,

(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Dass man zweifeln darf!)

dass wir ersatzweise lieber alles selbst regeln sollten und man vorsichtshalber alles verbieten sollte, was man verbieten kann?

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Dass man das eigene Hirn einschalten muss, will sie sagen!)

Das entspräche nicht der sinnvollen Politik, die diese Koalition in Verantwortung für die Umwelt in Deutschland auf der einen Seite und für die Wirtschaft in Deutschland auf der anderen Seite macht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Keine Antwort auf die Frage!)

Ich will ganz deutlich sagen, dass die Expertenkommission und das Verbot unter Erlaubnisvorbehalt der Kern dieses Gesetzentwurfs sind. Ich glaube, wir sollten stolz darauf sein, dass wir mit diesem Gesetz einen Weg finden, der von Angst und Populismus wegführt

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagt jemand von der CSU!)

und dafür sorgt, dass in Deutschland auch in Zukunft neue technische Möglichkeiten ernsthaft erforscht werden können und sich die Industrie daran verlässlich beteiligen kann.

Ich will deutlich machen, dass der heimische Beitrag zur Rohstoffversorgung durchaus beachtlich ist: 12 Prozent unseres Gasbedarfs. Wenn hier jemand sagt, Fracking sei im Zusammenhang mit der Energiewende unnötig, sage ich dazu – zumindest stelle ich das fest –, dass die Konzepte aus dem Bundeswirtschaftsministerium, die ich bisher zur Kenntnis genommen habe, zeigen, dass man ganz massiv auf Gas setzt, und zwar als Ersatz- und Regelenergie. Die Behauptung, man brauche für die Umstellung, für die Energiewende kein Gas, ist aus meiner Sicht komplett falsch. Das ist zu kurz gedacht.

Wer nicht will, dass in Deutschland geforscht wird, den nenne ich schon immer einen Ökokolonialisten. Er sagt: Bei uns nicht; sollen das doch andere bei sich zu Hause machen; die haben nicht so eine Umwelt, nicht so eine Natur. – Deutschland muss doch Vorbild sein und einen anderen Weg gehen. Wir müssen Techniken und Wege finden, um solche Vorkommen zu erschließen, ohne die Umwelt dabei zu beschädigen, ohne dass solche Schwierigkeiten entstehen, die wir in anderen Ländern sehen.

Man kann in Deutschland nicht einfach eine Technologie pauschal verbieten.

(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Doch!)

Es geht um den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. – Das sage nicht ich, sondern das sagte Bundesumweltministerin Hendricks laut einer dpa-Meldung vom 1. April 2015.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das passt zum Datum!)

Damit hat sie absolut recht. Wir können das nicht pauschal verbieten. Deshalb gehen wir sehr klug vor. Wir stellen sicher, dass Umwelt und Natur geschützt sind, aber auch, dass weltweit Rohstoffvorkommen in Zukunft verantwortungsbewusst erschlossen werden können.

Ich bitte Sie herzlich um eine sachliche Diskussion und um Unterstützung des bisher Erreichten.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Julia Verlinden erhält nun das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5036692
Wahlperiode 18
Sitzung 103
Tagesordnungspunkt Fracking, Bergschadenshaftung, Bergbaurecht
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