07.05.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 103 / Tagesordnungspunkt 3

Herlind GundelachCDU/CSU - Fracking, Bergschadenshaftung, Bergbaurecht

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, es ist heute zwar schon mehrfach betont worden, aber auch ich möchte es eingangs betonen: Das Gesetzespaket, das uns heute vorliegt, ist eben kein Fracking-Ermöglichungs-Gesetz – ganz im Gegenteil. Auch das ist schon mehrfach gesagt worden: Nach geltender Rechtslage ist Fracking nach entsprechender Genehmigung, natürlich immer durch die zuständige Behörde, in Deutschland möglich, auch wenn es gegenwärtig ein Moratorium gibt; aber von der Rechtslage her ist es möglich. Wir nutzen diese Technologie schon seit mehr als 50 Jahren, und wir haben sie bisher auch relativ erfolgreich genutzt.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf schaffen wir eine revisionsoffene Regelung. Das bedeutet, dass wir das Fracking in Schiefergestein zunächst nur für forschungsbezogene Vorhaben zulassen und auch diese nur unter strengsten Auflagen. Ansonsten gilt ein grundsätzliches Fracking-Verbot für Maßnahmen oberhalb von 3 000 Metern. Darin, dass diese Grenze in der Tat etwas willkürlich ist, sind wir uns einig; darüber werden wir im Ausschuss sorgfältig beraten. Der Wissenschaftliche Dienst bezeichnet das aktuelle Gesetzesvorhaben daher als Fracking-Verbot mit Forschungsprivileg.

Dieses Gesetzespaket reguliert aber nicht nur das Fracking. Es legt auch – das halte ich für mindestens genauso wichtig – neue Auflagen für die Erdgasförderung in diesem Lande fest. Um den Sorgen der Bürger Rechnung zu tragen, wurden seit 2011 keine Anträge auf konventionelle Gasförderung mit Anwendung der Fracking- Technologie mehr positiv beschieden. Deswegen haben die Unternehmen keine Anträge mehr gestellt.

Diese Bundesregierung setzt jetzt erstmals einen klaren ordnungsrechtlichen Rahmen, bei dem der Schutz des Menschen, seiner Gesundheit und der Umwelt im Vordergrund steht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir setzen einen ordnungsrechtlichen Rahmen – auch das sage ich –, der aber in einem klaren ordnungspolitischen Denken wurzelt; denn unsere Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung beruht auf dem Gedanken der Freiheit, der Freiheit des Einzelnen wie der Gesellschaft insgesamt. Dazu gehört in unserem marktwirtschaftlichen System auch die Freiheit des Unternehmers.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die ökologische und soziale Marktwirtschaft – ich betone ganz bewusst beides – setzt hierfür in unserem Land den Rahmen. Das heißt, neben den Belangen der Wirtschaft stehen gleichberechtigt die Belange der Gesellschaft und des Umweltschutzes. Nur ein solches Konzept ist nachhaltig. Damit unterscheiden wir uns diametral von den Oppositionsparteien, die am liebsten entweder aus dem Diktat des Sozialen oder des Ökologischen alles verbieten oder zumindest ganz detailliert vorschreiben wollen, was zu tun und was zu unterlassen ist. Mit dem Handeln in Freiheit und Verantwortung ist Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg das geworden, was es heute ist: eine der erfolgreichsten Industrienationen der Welt, in die zu gelangen viele Menschen dieser Tage sogar ihr Leben aufs Spiel setzen. Wir sollten uns überlegen, ob wir von diesen Grundsätzen wirklich abweichen wollen.

Das ab heute im Bundestag zu debattierende Gesetzespaket Fracking hat eine Vorgeschichte, die noch in die letzte Legislaturperiode reicht. Damals ist der Versuch gescheitert – auch das wurde schon betont; über die Gründe möchte ich mich hier gar nicht auslassen –, Fracking in Deutschland verbindlich zu regeln. Dabei könnte man meinen, dass das eigentlich gar nicht so schwierig ist, da diese Technologie ja bei uns bekannt ist; denn zwischen 1961 und 2011 fanden in Deutschland im Rahmen der konventionellen Erdgasförderung über 300 sogenannte Fracks statt.

Heute legen wir ein Gesetzespaket vor, an dem sicher noch das eine oder andere zu verbessern sein wird – auch das haben wir schon gehört –, das aber aus meiner Sicht insgesamt ausgewogen ist. Es sieht ein Fracking-Verbot mit Forschungsoption vor und außerdem deutlich strengere Auflagen für die Förderung von Erdgas aus konventionellen Lagerstätten, das heißt aus dem sogenannten offenporigen Gestein.

Ich weiß, es gibt Menschen, die fordern, dass wir in Deutschland grundsätzlich kein Erdgas mehr mithilfe von Fracking fördern sollten. Diesen Menschen möchte ich einige Informationen und einige wichtige Punkte zum Nachdenken mit auf den Weg geben, und bei dieser Gelegenheit möchte ich auch mit der einen oder anderen Falschinformation aufräumen.

Erdgas ist – das ist uns allen bekannt – der CO 2 - ärmste fossile Energieträger und damit der ideale Begleiter für die Erneuerbaren. Ich denke, da stimmen sogar die Grünen zu. Wir wenden diese Technologie, wie bereits erwähnt, seit 1961 ohne größere Zwischenfälle an. In Deutschland nutzen wir Erdgas aber nicht nur für die Stromerzeugung, sondern insbesondere auch für die Erzeugung von Wärme. Knapp 50 Prozent unserer Heizungsanlagen in Deutschland werden mit Gas befeuert. Derzeit fördern wir nur noch rund 10 Prozent unseres Bedarfs selbst. Dieser Anteil war einmal höher. Wir haben für die Zukunft deutlich größere Potenziale. Wenn wir hier allerdings weiter drosseln, werden wir noch abhängiger von ausländischen Gasversorgern.

Wenn im Zusammenhang mit der Fracking-Technologie von Frack-Fluiden und den darin enthaltenen Chemikalien gesprochen wird, setzen viele Menschen diese sofort mit giftigen Chemikalien gleich. Dabei ist es wichtig, zu wissen, dass schon allein der Begriff „Chemikalie“ sehr unscharf ist. Wasser, Luft, Stärke und Backpulver sind auch Chemikalien. Inhaltsstoffe wie zum Beispiel Guarkernmehl, was vermutlich keiner von uns kennt, wird sowohl in Frack-Fluiden als auch in Lebensmitteln verwandt.

Der Gesetzentwurf sieht übrigens vor, dass Frack-Fluide nur noch schwach wassergefährdend sein dürfen. Das heißt, sie dürfen nur die Wassergefährdungsklasse 1 haben. Zum Vergleich – ich gehe einmal davon aus, dass sich jeder von uns von Zeit zu Zeit seine Haare wäscht –: Shampoo hat die Wassergefährdungsklasse 2.

In Bezug auf das Grundwasser sollte man übrigens auch wissen: Nicht jedes Grundwasser ist Trinkwasser. Trinkbares Wasser befindet sich in circa 200 bis 300 Metern Tiefe. Das Wasser darunter ist definitiv nicht trinkbar. Salz und natürliche Vorkommen von Quecksilber und Benzol machen es zum Teil sogar giftig. Insofern diese Flüssigkeiten bei der Gewinnung von Erdgas anfallen, werden sie künftig in geschlossenen Behältnissen aufgefangen. Anschließend dürfen sie nur noch in kohlenstoffhaltige, druckabgesenkte Gesteinsformationen eingebracht werden. Das heißt, sie werden dorthin zurückgeführt, wo sie herkommen. Auch dieser Vorgang unterliegt einer UVP- Pflicht mit all dem, was dazugehört, inklusive Beteiligung der Wasserbehörden, aber auch der Öffentlichkeit. Das heißt, es muss vorher eine sorgfältige Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden. Die UVP-Pflichten weiten wir ohnehin massiv aus; denn in Deutschland wird in Zukunft bei jeder Gewinnung und sogar schon bei der Aufsuchung von Erdöl und Erdgas mithilfe der Fracking-Technologie eine UVP durchgeführt werden müssen.

Ich will an dieser Stelle gar nicht auf weitere Einzelheiten des Entwurfs eingehen. Ich gehe davon aus, dass wir das im Ausschuss noch sehr gründlich diskutieren werden.

(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh ja!)

Zu dieser Diskussion werden wir sicher auch den Sachverstand von Wissenschaft und Praxis einfordern.

Für mich – das möchte ich zum Schluss betonen – ist das Gesetzespaket aus zweierlei Gründen von Bedeutung:

Erstens. Es schafft die Möglichkeit, unter ökologisch verantwortbaren und wirtschaftlich vertretbaren Voraussetzungen den heimischen Energieträger Erdgas zu fördern. Das macht uns unabhängiger und auch weniger erpressbar; denn ganz ohne fossile Energie – auch das ist heute schon deutlich geworden – werden wir vermutlich in dem vor uns liegenden Jahrhundert gar nicht auskommen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Gas, dessen Vorräte ja durchaus beachtlich sind, dann am Schluss auch tatsächlich gefördert wird. Es kommt darauf an, zu zeigen, dass wir prinzipiell bereit sind, es zu fördern,

(Zuruf des Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

und dass es auch verantwortungsvoll zu fördern ist. Ob es tatsächlich gefördert wird – Herr Krischer, ob Sie es glauben oder nicht –, entscheiden letztendlich die Unternehmer dadurch, ob sie einen Antrag stellen. Ob sie es fördern dürfen, entscheiden letztendlich die Behörden. Das ökonomische Risiko wollen wir den Unternehmern im Übrigen gar nicht abnehmen. Manchmal würde ich mich allerdings auch über ein bisschen mehr Risikobereitschaft bei den Förderern der erneuerbaren Energien freuen; denn die beanspruchen in der Regel ein Rundum-sorglos-Paket. Das ist aber ein ganz anderes Thema.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Ulrich Freese [SPD] – Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie sieht es denn mit Ihrer Risikobereitschaft bei bestimmten Techniken aus?)

Unsere Aufgabe ist es, in diesem Gesetz rechtlich einwandfrei die Voraussetzungen festzulegen, unter denen eine Gewinnung von Erdgas in Deutschland zukünftig möglich ist.

Der zweite Punkt, warum meines Erachtens die Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs wichtig ist, hängt damit zusammen, dass wir auch ein Signal nach draußen setzen: dass sich Deutschland auch in schwierigen Feldern bewegen kann, dass wir uns nach wie vor technologieoffen zeigen und dass wir nicht ausschließlich an Verteilungsprozessen interessiert sind.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir zeigen damit, dass wir noch immer in der Lage sind, Innovationen anzustoßen und diese auch umzusetzen.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ausgerechnet bei Fracking!)

Das europäische Ausland, aber auch die Vereinigten Staaten und Kanada blicken gegenwärtig mit großem Interesse nach Deutschland, auf unsere Vorschläge und auf unsere Regelungen, wie wir mit der Fracking-Technologie umgehen wollen. Ich bin sicher: Wenn wir dies erfolgreich machen, werden unsere Regelungen früher oder später auch in die dortige Gesetzgebung Eingang finden. Im Übrigen freue ich mich auf eine intensive und, ich denke, sicherlich auch sehr strittige Diskussion in den Ausschüssen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das Wort erhält nun der Kollege Bernd Westphal für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Heinz Riesenhuber [CDU/CSU])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5036742
Wahlperiode 18
Sitzung 103
Tagesordnungspunkt Fracking, Bergschadenshaftung, Bergbaurecht
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