07.05.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 103 / Tagesordnungspunkt 3

Karsten MöringCDU/CSU - Fracking, Bergschadenshaftung, Bergbaurecht

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich die Debatte, die wir gerade geführt haben, jetzt mal Revue passieren lasse, dann wundert mich das eine oder andere ganz erheblich. Herr Zdebel, mich beeindruckt schon Ihre Unterstützung für den Import von Gas aus Russland, die Sie hier zum Ausdruck gebracht haben. Sie arbeiten mit Formulierungen, von denen Sie eigentlich wissen müssten, dass sie unzutreffend sind. Wenn Sie in Ihren Antrag schauen, dann sehen Sie, dass am Ende des ersten Absatzes steht – Stichwort „Frack- Fluid“ –:

(Hubertus Zdebel [DIE LINKE]: Ja, ja! Das stimmt doch!)

– Nein. Im Gesetzentwurf steht: nicht wassergefährdende Gemische oberhalb von 3 000 Metern Tiefe, schwach wassergefährdende Gemische unterhalb von 3 000 Metern Tiefe.

(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im Gemisch! Aber die einzelnen Chemikalien sind giftig!)

– Ach, liebe Frau Verlinden, worauf kommt es denn an? Wenn Sie sich zu Hause ein Glas Wasser nehmen und zwei Teelöffel Salz hineintun, dann ist das giftig,

(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich bin ja nicht blöd!)

und wenn Sie zwei Krümel hineintun, dann haben Sie eine Geschmacksverbesserung. Es kommt darauf an, dass die Stoffe, die wir einbringen, nicht wassergefährdend oder nur schwach wassergefährdend sind. Das ist der entscheidende Punkt.

(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber unglaublich! Ich dachte, Sie sind Umweltpolitiker! Also wirklich!)

Das, was Sie betreiben, nenne ich Volksverdummung.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Ja, bewusste Volksverdummung und Scheinheiligkeit! – Zuruf des Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

– Herr Krischer, wer schreit, vertraut seinen Argumenten nicht – ganz einfach.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lachen der Abg. Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich gehe nur auf einen Aspekt ein, den Sie in Ihrer Rede vorgetragen haben. Wie kommen Sie als jemand, der sich für weltweiten Klimaschutz engagiert, eigentlich dazu, einen so verengten Blick auf Deutschland allein zu fassen? Sie wissen doch ganz genau: Wir importieren 37 Prozent unseres Gases aus Russland. Ich will das Thema Versorgungssicherheit überhaupt nicht ansprechen; aber Sie wissen doch, unter welchen Bedingungen in Russland Gas gefördert wird. Sie wissen auch, wie viel Gas in den Pipelines auf einer Strecke von 5 000 Kilometern verloren geht. Das, was dort an Methan in die Atmosphäre entweicht, ist ein Mehrfaches von dem, was bei einer Förderung hier bei uns, mit unseren Umweltstandards, entweichen würde.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das nenne ich eine verengte Sichtweise, die Ihrem Anspruch im Bereich des Klimaschutzes nicht gerecht wird. Das sollten Sie sich wirklich noch mal überlegen.

Frau Bulling-Schröter, Sie haben gesagt, ein Nein sei der erste Schritt zur Freiheit; das habe ich noch nie gehört. Sie sagen: Nein, wir bauen keine Autobahnen, nein, wir bauen keine Infrastruktur, nein, wir bauen keine Industrieanlagen, nein, die Grundlagen für unseren Volkswohlstand wollen wir nicht. Das ist kein erster Schritt zur Freiheit, sondern ein Schritt in eine Sackgasse. Solche Formulierungen reichen nicht, Sie müssen schon mit Argumenten kommen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie werfen der Koalition und den entsprechenden Ministerien vor, dass im vorliegenden Gesetzentwurf nur von Trinkwasser die Rede ist, und haben als Beispiel die Brauereien genannt; Herr Nüßlein hat bereits auf die bayerischen Brauereien hingewiesen. Vielleicht haben Sie den Gesetzentwurf nicht gelesen; denn im Gesetzentwurf steht ausdrücklich, dass Länder die Möglichkeit bekommen, Trinkwasserbrunnen, Mineralbrunnen und Heilquellen zu schützen.

(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht noch nicht im Gesetz!)

Am Rande bemerkt: Das meiste Wasser, das zum Brauen von Bier verwendet wird, kommt nicht aus Brunnen, sondern aus der Wasserleitung. Alles andere ist Marketing.

(Lachen der Abg. Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist das für ein Argument?)

Gestern hat Herr Müller, Co-Vorsitzender der Endlager-Kommission, den wichtigen Satz gesagt: Die Politiker müssen mehr in Zusammenhängen denken.

(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, Ihr Problem im Umgang mit diesem Thema besteht darin, dass Sie nur in Schwarz-Weiß, nur in Entweder-Oder denken. Sie machen es sich zu leicht, wenn Sie ein Fracking-Verbot fordern.

(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben bessere Alternativen!)

Weder die SPD noch die CDU/CSU haben versprochen: Wir verbieten Fracking in Deutschland. Wir haben in unserem Koalitionsvertrag wichtige Vereinbarungen getroffen, an die wir uns halten. Die wichtigste lautet: „Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten Vorrang“. Wir wollen einen Wandel: weg von den derzeit riskanten Förderverfahren – wenngleich es in den letzten 50 Jahren zu keinen größeren Unfällen gekommen ist –, hin zu erheblich sichereren Verfahren. Denn es gilt nach wie vor: Die Sicherheit hat Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen.

Ich habe eben schon darauf hingewiesen, dass wir beim Frack-Fluid nur nicht wassergefährdende oder schwach wassergefährdende Gemische zulassen, aber Sie sprechen immer noch von giftigen Gemischen. Das ist irreführend. Wir haben aber nicht nur im Bereich Fluid einiges getan. Wir haben eine ganze Reihe zusätzlicher Maßnahmen getroffen. Wir ermöglichen es den Ländern beispielsweise, die Ausschlussgebiete unter bestimmten Umständen auszuweiten. Außerdem gilt nach wie vor der Besorgnisgrundsatz gemäß Wasserhaushaltsgesetz.

Man sieht: Wir haben an dem vorliegenden Gesetzentwurf mit Hosenträger und Gürtel gearbeitet. Dem Besorgnisgrundsatz wird Rechnung getragen, es werden zusätzliche Ausschlussgebiete in einem erheblichen Umfang vorsehen. Das ist eine doppelte Sicherung, gerade weil wir die Bedenken aus der Bevölkerung ernst nehmen. Dazu gehört auch die Einführung der UVP-Pflicht für die Form von Förderung, die wir seit zig Jahren betreiben, zum Beispiel für das konventionelle Fracking.

(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum kümmern Sie sich nicht um das Erdöl-Fracking? Warum fehlt das im Gesetz?)

– Streiten wir uns nicht über Worte; wir wissen doch alle, was gemeint ist.

(Lachen der Abg. Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]

Das ist die Form, die wir bisher über viele Jahre erprobt und praktiziert haben, und zwar ohne größere Probleme.

Zur Expertenkommission. Es ist eine Schimäre, wenn man argumentiert: Wir überlassen der Expertenkommission eine Aufgabe, die nur der Bundestag zu erfüllen hat. Wir werden uns sicher noch einmal intensiv über diese Frage unterhalten, aber wir wollen unserer Verantwortung bei der Behandlung des vorliegenden Gesetzentwurfs gerecht werden. Im vorliegenden Gesetzentwurf definieren wir, was nach unserer Meinung zulässig oder auch nicht zulässig sein soll. Auch dann, wenn wir das in einem späteren Gesetz regeln würden, wären wir von einem Votum von Experten abhängig; daran würde sich nichts ändern. Es ändert sich aber sehr wohl etwas, wenn wir eine solche Erprobung ohne Begleitung durch eine Expertengruppe machen würden. Denn korrekt ist: Wir haben mit bestimmten Arten der Förderung bisher keine Erfahrungen. Wir müssen aber wissen, wie die Förderung funktioniert. Wir müssen wissen, ob das Fluid, das im Labor erforscht wurde, auch in der Realität funktioniert. Wir müssen wissen, ob es möglich ist, Fracks in Horizonten, die vielleicht nur 20 Meter mächtig sind, zu beherrschen, wo ein bis zwei Kilometer horizontal gebohrt werden muss, um diese Gebiete zu erschließen. Wir müssen wissen, wie hoch die Ausbeutungsquote ist, die wir bei diesen Vorkommen haben werden.

Es ist nicht unsere Aufgabe, zu sagen: Unternehmen haben ein Geschäftsmodell, mit dem sie Geld verdienen können. Unsere Aufgabe als Politiker ist es, die Grundlagen für unseren Wohlstand, für unsere Arbeitsplätze und für unsere Wirtschaftskraft weiter zu stärken und zu entwickeln. Unsere Verantwortung als Politiker ist es, das mit einer gesunden Umwelt zu verknüpfen. Unsere Aufgabe ist es, bei diesem Gesetzespaket mit all den Änderungen, über die wir noch reden werden, von der Lagerstättenwasserversenkung bis zu all den anderen Punkten, die angestrebt werden, zu einem Ergebnis zu kommen. Ich bin sicher, wir werden es erreichen.

Die hier manchmal etwas hämisch angesprochene Diskussion innerhalb der Fraktionen ist ein Bestandteil dieses Prozesses. Es ist völlig legitim, hier einen Ausgleich zu suchen und eine intensive Diskussion zu führen. Das tun wir innerhalb unserer Fraktion. Das tut die SPD in ihrer Fraktion, und das werden wir gemeinsam tun, um zu einem Gesetzentwurf zu kommen, sodass die zurzeit unhaltbare Situation verbessert wird. Ich bin sicher, wir werden zu einem guten Ergebnis kommen und am Ende des Prozesses sagen können: Unser Wasser wird weiterhin trinkbar sein und von uns geschützt werden.

Zum Wohl.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5038796
Wahlperiode 18
Sitzung 103
Tagesordnungspunkt Fracking, Bergschadenshaftung, Bergbaurecht
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