07.05.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 103 / Tagesordnungspunkt 4 + ZP 2

Johann WadephulCDU/CSU - 50 Jahre diplomatische Beziehungen zu Israel

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Redner aller Fraktionen haben die große Bedeutung der diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel hervorgehoben. Herr Kollege Nouripour, Sie haben Bezug genommen auf den Antrag der Koalitionsfraktionen, den Sie unterstützen wollen, wofür wir jetzt schon „Herzlichen Dank“ sagen, und haben bedauert, dass es kein gemeinsamer Antrag mit der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen geworden ist. Herr Kollege Nouripour, es war nicht beabsichtigt, die Grünen dort auszuschließen, und wir sollten uns für die nächste Beratung vornehmen, so etwas gemeinsam zu formulieren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Das ist doch nicht das gesamte Haus! Es gibt hier vier Fraktionen! Uns auch!)

Ich habe festgestellt, dass es eine große Übereinstimmung zwischen dem, was seitens Ihrer Fraktion hier gesagt worden ist, und den Erklärungen von Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und der sozialdemokratischen Fraktion gegeben hat. Insofern: Wenn wir in diesem Punkt gemeinsam an einem Strang ziehen, dann ist das, glaube ich, insgesamt gut für das Hohe Haus und auch für die deutsch-israelischen Beziehungen, und darum geht es uns ja vor allen Dingen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dagmar Ziegler [SPD])

Frau Kollegin Sitte, ich komme jetzt zu Ihrem Zwischenruf und auch zu der in der Tat bemerkenswerten Rede Ihres Fraktionsvorsitzenden, die gute Ansätze enthalten und auch eine große Annäherung an Positionen der Koalitionsfraktionen gebracht hat. Sie haben aber – aus meiner Sicht: untertreibend – bedauert, Herr Kollege Dr. Gysi, dass es zwischen der DDR und Israel keine diplomatischen Beziehungen gegeben hat. Es war schon noch weniger: Die DDR hatte geradezu ein Nicht- Verhältnis zu Israel.

Während sie ihre politische Legitimation immer darin zu finden meinte, ein antifaschistischer Staat und auch irgendwie das bessere Deutschland zu sein, war gerade die Ansicht der SED und der DDR zu Israel und zum Völkermord, der durch deutsche Hand an den Juden in Europa verübt worden ist, eine ganz große Lebenslüge des Kommunismus. Ich glaube, das muss man heutzutage feststellen.

(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Wo hat es denn überall Kommunismus gegeben?)

Die SED-Führung hat im Grunde jede moralische Schuld und jegliches Bemühen um Wiedergutmachung für den Völkermord an den Juden abgelehnt. Gerda Hasselfeldt hat vorhin betont, wie wichtig es als Voraussetzung natürlich war, dass Israel ein anderes, ein neues Deutschland, vertreten durch Konrad Adenauer, Willy Brandt und viele andere – auf Ollenhauer ist ja auch zu Recht hingewiesen worden –, gegenüberstand, welches in großer Dankbarkeit die Offenheit von David Ben- Gurion und vielen anderen erfahren konnte. Hier muss man sagen und feststellen: Auch an dieser Stelle hat die SED-Führung vor der Geschichte Deutschlands vollständig versagt.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: 25 Jahre nach der Einheit!)

Ich finde, wenn wir hier 50 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Israel miteinander feiern und uns darüber freuen, dann gehört es schon zur Ehrlichkeit, dies auch zu sagen.

(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Globke haben Sie zum Staatssekretär gemacht! – Zuruf des Abg. Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE])

– Na gut. Herr Kollege Dr. Gysi, Sie versuchen hier jetzt in dieser Art und Weise, mit kleiner Münze aufzurechnen. Ich will schon festhalten, dass das völlige Missverhältnis der DDR zu dem, was in der Zeit zwischen 1939 und 1945 geschehen ist, in der Debatte aus meiner Sicht zu wenig gewürdigt wurde.

Herr Nouripour hat sich hier hingestellt, auf seine iranische Herkunft hingewiesen und gesagt – ich versuche, Sie sinngemäß zu zitieren; ich habe es mitgeschrieben –: Wer sich zu Deutschland bekennt, der bekennt sich auch zur deutschen Verantwortung. – Dazu kann ich nur sagen: Das imponiert mir, und so muss es sein. Das kann man nur als das Ideal hinstellen. Das ist in der DDR eben völlig gescheitert. Deswegen bleibe ich dabei: Das, was Sie dazu gesagt haben, war bestenfalls eine Untertreibung.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])

– Das trifft Sie an einem empfindlichen Punkt. Wir können den Antizionismus in der kommunistischen Bewegung an anderer Stelle gerne noch einmal vertieft aufarbeiten. Das ist ein wichtiger Punkt, und ich wäre schon froh, wenn Herr Dr. Gysi in der Zukunft innerhalb seiner Fraktion die notwendige Kraft hätte, alle Veranstaltungen zu untersagen, die auch nur den Anschein eines antiisraelischen Zungenschlages haben. So war das kürzlich bei dem sogenannten Fachgespräch, bei dem sich die unwürdige Verfolgung des Herrn Vorsitzenden der Linksfraktion in die Toilettenräume des Deutschen Bundestages ereignete. Ich wünsche mir im Deutschen Bundestag keine einzige antiisraelische Veranstaltung, auch bei den Linken nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Kollege Nouripour hat richtigerweise gesagt, dass wir das Ganze nicht ritualisieren dürfen. Eine wichtige Aufgabe in der Zukunft ist, dass wir – neben den Beschlüssen und all dem Guten, das es gegeben hat – darauf achten, dass die Veranstaltungen und die Austauschprogramme und das, was es an kulturellem und gesellschaftspolitischem Austausch gibt, nicht irgendwie rituell ablaufen, sondern in die Tiefe gehen und die Menschen erreichen. Das ist sicherlich leichter gesagt als getan.

Ich sage israelischen Politikern immer wieder – auch in aktuellen Debatten –, wenn sie sich beklagen und – vollkommen zu Recht – auf die geopolitische Situation hinweisen, in der sie sich befinden, dass es in verschiedenen Parlamenten in Europa Beschlüsse gibt, die eine einseitige Anerkennung Palästinas vorsehen – das wird im Deutschen Bundestag auf Initiative der Linksfraktion wieder diskutiert; das ist ja politisch legitim –: Es ist auch eine Aufgabe israelischer Politik, in Europa präsent zu sein und dafür zu sorgen, dass Deutschland – aufgrund seiner besonderen Situation – nicht sozusagen zum letzten Verteidiger israelischer Positionen in Europa wird. Wir müssen mehr Verständnis für die Situation erreichen, in der sich Israel befindet. Das ist auch – das kann man unter Freunden, glaube ich, durchaus formulieren – eine Bringschuld der israelischen Politik. Israelische Politiker müssen spätestens jetzt das gesamte Wahlkampfgetöse hinter sich lassen und aktiver in Europa auftreten, um ihre Position und Situation zu erläutern.

Das Zweite ist – das wurde in dieser Debatte schon erwähnt; auch das ist leichter gesagt als getan –: Die Besuche vor Ort sind – da folge ich Ihnen, Herr Gysi – durch nichts zu ersetzen, sowohl in Israel als auch in der Westbank und im Gazastreifen. Da sollte man gewesen sein, um das einmal selber zu erleben. Aber man muss die besondere geopolitische Situation Israels im Unterschied zur deutschen sehen. Es ist unser Glück, dass wir nach dem Fall des Eisernen Vorhangs von Freunden umzingelt sind, wie man so schön sagt. Israels geopolitische Situation ist, dass es, wenn auch nicht überall, ein kleines Staatsgebiet in einer sehr feindlichen Umgebung zu verteidigen hat. Die Situation auf dem Sinai und in Ägypten wurde von Philipp Mißfelder schon angesprochen; sie ist außerordentlich schwierig. Dort gibt es Al-Qaida- Verbände. Bedrohungen gehen aber auch vom libanesischen und vom syrischen Staatsgebiet aus. Daher gilt in der Tat das, was praktisch alle Redner dazu gesagt haben: Das israelische, das jüdische Volk hat nur diesen Staat bzw. das Staatsgebiet, auf dem es in Frieden und Freiheit leben kann. Es ist unsere besondere Verantwortung, dafür zu sorgen, dass das auch in Zukunft möglich ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Kerstin Griese [SPD])

Vielen Dank, Johann Wadephul. – Letzte Rednerin in der Debatte ist Gitta Connemann für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5039035
Wahlperiode 18
Sitzung 103
Tagesordnungspunkt 50 Jahre diplomatische Beziehungen zu Israel
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