07.05.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 103 / Tagesordnungspunkt 5 + 19a

Andrea LindholzCDU/CSU - Asylpolitik, finanzielle Verantwortungsteilung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst sind wir uns, liebe Ulla Jelpke, offensichtlich in einem Punkt einig: dass nämlich die vielen ehrenamtlichen Helfer, die unser Asylsystem mittragen, deutlich machen, wie groß das Verantwortungsbewusstsein für Flüchtlinge in ganz Deutschland ist. Bei ihnen sollten wir uns heute wieder einmal ganz besonders bedanken.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Eine Allensbach-Studie im Auftrag der Robert Bosch Stiftung von 2014 zeigt, dass die deutliche Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland für die Aufnahme von Menschen ist, die persönlich verfolgt werden. Gleichzeitig spricht sich aber eine klare Mehrheit für strenge Asylregeln aus. In der Studie wird diese Forderung folgendermaßen erläutert – ich darf sie zitieren –:

Ich halte diese Forderung grundsätzlich für berechtigt. Es ist daher sehr wohl gerechtfertigt, zwischen unterschiedlichen Asylbewerbern zu unterscheiden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die vorliegenden Anträge unterstellen wieder einmal, dass Deutschland seiner Verantwortung gegenüber Flüchtlingen nicht gerecht werde. Es wird wieder einmal davon gesprochen, wir würden Flüchtlinge nicht willkommen heißen. Dieser Vorwurf ist komplett absurd. Wenn die Bedingungen für Flüchtlinge in Deutschland so schlecht wären, wenn wir keine Willkommenskultur hätten, dann würde wohl nicht jeder dritte Asylantrag in Europa in Deutschland gestellt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

In beiden Anträgen wird davon gesprochen, dass die Bewältigung der Flüchtlingskrise eine gesamtstaatliche Aufgabe sei. Dem kann man uneingeschränkt zustimmen. Gleichzeitig wird aber gefordert, der Bund alleine solle sämtliche Kosten für die Verfahren, für die Unterbringung und für die Versorgung der Asylbewerber übernehmen. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist ein Widerspruch in sich. Die Verantwortung einseitig auf den Bund abzuwälzen, ist gerade keine Verteilung der gesamtstaatlichen Aufgabe, sondern das ist ein Wegschieben von Verantwortung auf den Bund. Unser föderaler Staat besteht aus Bund, Ländern und Kommunen. Sie tragen gemeinsam Verantwortung, und das ist auch gut so.

Die Bundesregierung engagiert sich längst massiv in der Flüchtlingshilfe. Allein für Syrien haben wir 1,5 Milliarden Euro bereitgestellt und leisten damit einen wichtigen Beitrag, um die Flüchtlingskrise vor Ort einzudämmen; denn 3,8 Millionen Syrer befinden sich außerhalb ihres Landes auf der Flucht und 7,5 Millionen in Syrien. Da frage ich mich, wo diese Menschen in Ihren Anträgen berücksichtigt werden.

Der Bund unterstützt aber auch die Länder und Kommunen bei ihren Aufgaben. In Bundesimmobilien wurden bis heute weit über 22 000 Unterbringungsplätze geschaffen. Der Bund stellt den Kommunen seine Immobilien mietzinsfrei zur Verfügung und entlastet sie damit um etwa 25 Millionen Euro pro Jahr. Über das novellierte Asylbewerberleistungsgesetz übernimmt der Bund jährlich Kosten von 43 Millionen Euro. Weitere 10 Millionen Euro nimmt der Bund den Kommunen dauerhaft bei den Impfkosten ab. Für dieses und nächstes Jahr wird 1 Milliarde Euro als zusätzliche Unterstützung bei der Flüchtlingsversorgung bereitgestellt. Wir haben auch das Baurecht geändert und Flüchtlingsunterkünfte in Gewerbegebieten ermöglicht, um die Unterbringung vor Ort zu erleichtern.

Auch die Bundesländer könnten ihre Kommunen entlasten. Der Freistaat Bayern zum Beispiel übernimmt vollständig die Kosten für die Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern. Die meisten Bundesländer speisen ihre Kommunen aber mit viel zu niedrigen Pauschalen ab und rufen stattdessen nach neuem Geld vom Bund. Beim Flüchtlingsgipfel Ende April in Erfurt war eine der Hauptforderungen an die rot-rot-grüne Landesregierung, die 13,5 Millionen Euro, die der Bund für die Flüchtlinge in Thüringen bereitgestellt hat, doch bitte vollständig an die Kommunen weiterzureichen. Das zeigt mir, dass mehr Geld vom Bund alleine keine Lösung ist.

(Beifall bei der CDU/CSU – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Das ist in Sachsen noch schlimmer!)

– Na, dann ist es noch schlimmer, wenn es in Sachsen noch schlimmer ist. – Niemand bestreitet, dass die Bewältigung der Flüchtlingskrise eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Sie kann aber nicht mit immer neuen Forderungen nach mehr Geld oder dem Verschieben von Verantwortung auf den Bund gelöst werden.

Das zeigt uns auch die aktuelle Asylstatistik – diese Zahlen müsste man einmal zur Kenntnis nehmen –: Im ersten Quartal dieses Jahres wurden über 85 000 Asylanträge in Deutschland gestellt. Mehr als die Hälfte der Antragsteller stammt aus den Balkanstaaten, obwohl ihre Anträge seit Jahren zu fast 100 Prozent abgelehnt werden. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat in diesem Jahr bei 8 324 geprüften Asylanträgen von Serben in keinem einzigen Fall einen Schutzgrund festgestellt. Bei 11 250 Entscheidungen über Asylanträge von Kosovaren wurde in nur einem einzigen Fall ein subsidiärer Schutzgrund festgestellt. Hier müssen wir gegensteuern; denn diese vielen offensichtlich unbegründeten Asylanträge binden wichtige Ressourcen. Nur wenn wir auch in den Herkunftsländern Fluchtursachen bekämpfen und wenn wir Fehlanreize in Deutschland beseitigen, dann werden wir unsere Kommunen dauerhaft und nachhaltig entlasten.

Ein wesentlicher Fehlanreiz ist die Vermischung von Asyl- und Arbeitsmigration. Das belegen auch die Anhörungen der Menschen vom Westbalkan, die ganz offen sagen, sie wollen zum Arbeiten zu uns kommen. Das ist auch gut so. Aber wir haben andere Instrumentarien, um dafür nach Deutschland in zulässiger Weise einreisen zu können. Asyl dient ausschließlich dem Schutz verfolgter Menschen und nicht der Fachkräfteanwerbung.

(Beifall bei der CDU/CSU – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Ach!)

Die Union will anerkannten Flüchtlingen zügig helfen und sie integrieren. Natürlich haben wir im letzten Jahr auch den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert. Aber, liebe Ulla Jelpke, wir sind natürlich dagegen, dass jeder Flüchtling ab dem ersten Tag bei uns arbeiten kann; das ist so. Angesichts der steigenden Gesamtschutzquote, die aktuell bei 37 Prozent liegt, und der immer noch zu langen Verfahrensdauer müssen wir die Asylbewerber, bei denen Schutzgründe offensichtlich sind, schneller integrieren und ihnen schneller Integrations- und Sprachkurse zur Verfügung stellen. Insofern begrüße auch ich, dass der Bundesinnenminister jetzt angekündigt hat, dass dies erfolgen soll. Aber – auch das gehört dazu – bei aussichtslosen Asylanträgen müssen wir für eine schnelle und zügige Rückführung und dem vorgeschaltet auch für schnelle Verfahren Sorge tragen. Um die Asylverfahren zu beschleunigen, hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im letzten Jahr 650 zusätzliche Stellen bekommen. Die Besetzung dieser Stellen braucht seine Zeit. Angesichts der steigenden Antragszahlen –

(Zuruf des Abg. Rüdiger Veit [SPD])

– ich weiß es – und auch angesichts des Rückstandes müssen wir sicherlich über eine weitere Stellenausweisung nachdenken. Das wird auch erfolgen. Ich hoffe, dass der morgige Flüchtlingsgipfel hier Ergebnisse bringt.

(Beifall des Abg. Rüdiger Veit [SPD])

Ich will an dieser Stelle aber sagen: Wenn wir mehr Bescheide haben, müssen wir auch dafür sorgen, dass diese Bescheide entsprechend vollzogen werden, egal in welche Richtung sie gehen.

Wir haben im letzten Jahr drei Westbalkanstaaten zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt, und die entsprechenden Anträge können jetzt schneller bearbeitet werden. Bayern hat im Bundesrat ein Gesetz vorgelegt, um drei weitere Balkanstaaten ebenfalls als sicher einzustufen. Leider verweigern sich hier die rot- und grüngeführten Länder, dieser Erleichterung zuzustimmen, obwohl auch der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge dies erst kürzlich ausdrücklich empfohlen hat. Mit diesen Maßnahmen und auch mit den Schnellverfahren bei den Kosovo-Anträgen konnten wir trotz steigender Antragszahlen die durchschnittliche Verfahrensdauer von sieben auf fünfeinhalb Monate reduzieren. Unser Ziel bleibt eine Verfahrensdauer von drei Monaten.

Aber Personal und Geld alleine lösen die Krise nicht. Die globale Flüchtlingskrise – ich will daran erinnern: über 50 Millionen Menschen befinden sich auf der Flucht – kann man nicht mit kleinteiligen Maßnahmen auf nationaler Ebene lösen. Deutschland schottet sich auch nicht ab. 420 Millionen Europäer können bei uns problemlos einreisen. Der Flüchtlingsschutz genießt bei uns Verfassungsrang. Die Menschen in Deutschland übernehmen Verantwortung für die Flüchtlinge, und auch die Bundesregierung tut dies. Wir versuchen nicht mit Polemik, sondern mit rechtsstaatlichen Mitteln, den vielfältigen Anforderungen gerecht zu werden und die Flüchtlingsproblematik zu lösen, obgleich uns das nie vollständig gelingen kann. Die Flüchtlingsproblematik wird uns auch in diesem Jahr noch intensiv beschäftigen. Wir sollten gemeinsam auf allen Ebenen dafür Sorge tragen, dass wir nicht nur die Symptome bekämpfen, dass wir nicht nur mehr Geld fordern, dass wir uns nicht auf Sprachkurse beschränken, sondern dass wir auch das Globale im Auge behalten, dass wir auch Europa noch mehr mit in die Verantwortung nehmen und die vielfältigen Ursachen anpacken.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Das Wort hat jetzt die Kollegin Britta Haßelmann, Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5039435
Wahlperiode 18
Sitzung 103
Tagesordnungspunkt Asylpolitik, finanzielle Verantwortungsteilung
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