07.05.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 103 / Tagesordnungspunkt 5 + 19a

Barbara WoltmannCDU/CSU - Asylpolitik, finanzielle Verantwortungsteilung

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Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Jeder, der politisch verfolgt ist und in Deutschland nach Schutz sucht, soll und muss ihn auch bekommen. Arti- kel 16 a unseres Grundgesetzes zum Asylrecht ist schon einzigartig in dieser Welt, in unserer Welt. Daran möchte hier bei uns auch niemand rütteln.

Wir wissen, wie viele Menschen weltweit auf der Flucht sind. Viele machen sich nach Europa auf, auch nach Deutschland. Deutschland verschließt sich diesen Entwicklungen auch gar nicht. Bei allem Verständnis für die Emotionalität, Frau Haßelmann oder Frau Jelpke – ich habe Verständnis dafür; es geht schließlich um Menschen –: Wir müssen immer zu einer Ausgewogenheit kommen.

Was können wir hier in Deutschland leisten? Wir können eine Menge leisten. Wir sind ein wohlhabendes Land. Aber wir müssen hier maßvoll sein, damit die Menschen in unserem Land, unsere Kommunen – ich komme noch dazu – das letzten Endes bewältigen können.

(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Da haben wir ja gerade Vorschläge gemacht!)

– Ja, Sie haben Vorschläge gemacht. Einiges davon ist schon umgesetzt, anderes ist vielleicht nicht so praktikabel. – Die Zahlen hat Kollegin Lindholz schon genannt: Wir rechnen in diesem Jahr mit 400 000 Asylbewerbern. Das wird eine große Herausforderung werden.

Wenn ich Ihre Anträge lese, dann habe ich manchmal das Gefühl, als hätten wir hier in Deutschland noch gar nichts für diese Menschen getan. Das ist falsch. Wir haben schon eine ganze Menge getan. Ich möchte an dieser Stelle den Kommunen einen großen Dank aussprechen. Die Hilfs- und Aufnahmebereitschaft der Kommunen gegenüber Flüchtlingen ist groß; es ist von den Vorrednern schon angesprochen worden. Überall gibt es jetzt schon bürgerschaftliches Engagement in vielfältigster Weise. Die Kommunen, die Kirchen unterstützen das. Mein Landkreis stellt Geld für Integrationskurse, Sprachkurse zur Verfügung. Integrationslotsen werden ausgebildet. All das sind sehr positive Beispiele, die es zu Hunderten gibt.

(Beifall des Abg. Bernhard Kaster [CDU/CSU])

Dazu entnehme ich Ihren Anträgen nicht so viel.

Wir können – auch das muss ich an dieser Stelle sagen – nicht immer nur mit der Forderung nach mehr Geld vom Bund kommen. Damit machen wir es uns wirklich zu einfach.

(Beifall bei der CDU/CSU)

In einem Punkt bin ich ganz bei Ihnen – Vorredner haben es auch schon gesagt –: Wenn der Bund wirklich mehr Geld in die Hand nimmt – ich weiß nicht, was morgen beim Gipfel herauskommen wird –,

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein Gipfel ist das nicht! Das ist maximal ein Treffen!)

dann müssen wir aber auch über die Strukturen insgesamt sprechen, dann müssen wir überlegen: Was können wir ändern? Was muss besser gemacht werden?

Auch ich möchte zunächst einmal auf ein Grundproblem bei der Aufnahme und der Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern zu sprechen kommen – auch das findet in Ihrem Antrag keine Erwähnung –, nämlich die Frage der Schutzbedürftigkeit. Die Zahlen, auch die Zahl der Anträge, die es in diesem Jahr schon gab, will ich gar nicht mehr erwähnen; aber immerhin kommen 50 Prozent der Antragsteller aus dem Westbalkan. Die Anerkennungsquote liegt bei ihnen bei weit unter 1 Prozent. Ich bin der festen Überzeugung: Wir müssen weitere sichere Herkunftsländer festlegen – das, was wir da haben, reicht noch nicht – oder andere Strukturen schaffen, die so gut und sicher sind, dass dies nicht nötig ist, um zu gewährleisten, dass Menschen, die nicht politisch verfolgt sind – ich beziehe mich auf Artikel 16 a des Grundgesetzes –, nicht mit der Begründung, hier Asyl zu beantragen, zu uns kommen können. Hier geht es um ganz andere Fluchtgründe.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir müssen natürlich insbesondere an die Kommunen denken, weil sie das letzte Glied in der Kette sind und die Last zu tragen haben: die Last der Unterbringung und den dadurch entstehenden Kostendruck. Eines muss ich an dieser Stelle aber auch einmal sagen: Wir haben einen Dreiklang der Verantwortung. Das ist unserem föderalen System geschuldet, und es ist auch richtig so. Trotz aller gesamtstaatlichen Verpflichtungen, die angesprochen worden sind, würde ich nicht von diesem Dreiklang abweichen wollen. Da muss man auch die Länder ganz stark in die Pflicht nehmen. Wir müssen leider feststellen, dass viele Länder ihren Verpflichtungen nicht nachkommen. Sie sind für die Unterbringung in einer Erstaufnahmeeinrichtung zuständig. Da von „Lagerhaltung“ zu sprechen, Frau Jelpke, finde ich ganz schlimm.

(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: „Lagerhaltung“ habe ich nicht gesagt! Lagerunterbringung!)

– Oder „Lagerunterbringung“. Das finde ich von der Begrifflichkeit her schon sehr bedenklich;

(Rüdiger Veit [SPD]: Noch bedenklicher ist, dass das so ist!)

denn da reden wir von Menschen.

Die Länder müssen dafür sorgen, dass die Flüchtlinge, die dort untergebracht werden, wenigstens diejenigen, deren Anträge offensichtlich unbegründet sind, gar nicht erst auf die Kommunen verteilt werden. Das Gleiche gilt aus meiner Sicht auch für die Menschen, die unter die Dublin-Verordnung fallen. Es ist auch richtig, dass die Menschen erst einmal in eine Erstaufnahmeeinrichtung kommen, weil es dort Außenstellen des BAMF gibt, in denen die Anträge gestellt werden können. Da kann sofort die Bearbeitung stattfinden. Offensichtlich unbegründete Anträge könnten gleich bei der Erstaufnahme bearbeitet werden; das ist meine Idealvorstellung. Die Antragsteller würden erst dann auf die Kommunen verteilt werden, wenn wir wissen, dass sie wahrscheinlich anerkannt und dauerhaft bei uns bleiben werden. Das würde schon etliche Probleme lösen.

Für die Abschiebung sind die Länder zuständig. Wir dürfen es nicht so weit kommen lassen, dass die bisher wirklich positive Grundstimmung in der Bevölkerung kippt. Die Menschen haben ein ganz feines Gespür für Gerechtigkeit, und Sie sprechen doch immer von Gerechtigkeit. Wir haben Gesetze, und diese sollten wir einhalten und nicht brechen. Die Menschen, die kein Bleiberecht haben, weil kein Asylgrund vorliegt und deren Antrag daher abgelehnt wurde, müssen konsequent in ihre Herkunftsländer zurückkehren, und dafür sind die Länder verantwortlich.

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie reden über Verhindern und Abschieben, aber nicht darüber, wer kommen soll und warum!)

Ich kann nicht immer nur vom Bund fordern: Gib mir mehr Geld! Ich will die vielen Milliarden, die der Bund bereits zur Unterstützung der Länder und Kommunen in die Hand genommen hat, gar nicht erwähnen. Die Opposition sagt: 1 Milliarde, das ist nichts. 1 Milliarde – 500 Millionen Euro in diesem Jahr und 500 Millionen Euro im nächsten Jahr – ist nichts? Das ist doch eine ganze Menge! Die vielen anderen Maßnahmen, die wir bereits ergriffen haben, will ich auch nicht erwähnen. Frau Kollegin Lindholz hat die neu geschaffenen Stellen schon angesprochen.

Ein Wort zum Antrag der Linken. Er enthält viele Punkte, die bereits umgesetzt sind: die Lockerung der Residenzpflicht nach 3 Monaten,

(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Wir wollen sie ganz abschaffen!)

die Erleichterung bei der Arbeitsaufnahme: nach 3 Monaten mit Vorrangprüfung, nach 15 Monaten ohne Vorrangprüfung. Das sind doch alles positive Regelungen. Ich weiß gar nicht, warum Sie das alles immer so schlechtreden oder überhaupt nicht anerkennen, dass wir diese guten positiven Regelungen haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Für eine gesamtstaatliche Lösung, für die wir alle offen sind, brauchen wir letzten Endes den bereits angesprochenen Dreiklang der Verantwortung. Hier sind der Bund, die Länder und die Kommunen in der Pflicht. Der morgige Flüchtlingsgipfel mit Vertretern von Bund und Ländern wurde schon angesprochen. Frau Haßelmann, Sie haben in diesem Zusammenhang bemängelt, dass die Kommunen nicht dabei sind. Ja, das stimmt, aber für eine Beschwerde sind wir, der Bund, nicht der richtige Ansprechpartner.

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein Skandal! – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie laden doch ein!)

– Nein, da müssen Sie die Länder ansprechen. Die Länder können die Kommunen mitnehmen. Die Länder sind für die Kommunen zuständig. Sie wollen doch nicht in Abrede stellen, dass die Länder für die Kommunen verantwortlich sind? Das ist ein wichtiger Punkt; wir können nachher gerne noch einmal darüber sprechen. Unsere Fraktion führt ständig Gespräche mit Vertretern der kommunalen Spitzenverbände.

(Rüdiger Veit [SPD]: Verfassungsrechtlich richtig, aber manchmal nicht der Realität angemessen!)

Ich bin froh – damit komme ich zum Schluss –, dass in der nächsten Woche auf europäischer Ebene über dieses Thema gesprochen wird. Ich bin der Meinung, dass wir auf europäischer Ebene ein Quotensystem brauchen. In Europa muss die Last auf mehrere Schultern verteilt werden. Wir in Deutschland können die Probleme allein nicht lösen. Vielmehr ist das eine europäische Herausforderung, der wir uns alle stellen müssen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das Wort zu einer Kurzintervention hat jetzt die Kollegin Haßelmann.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5039513
Wahlperiode 18
Sitzung 103
Tagesordnungspunkt Asylpolitik, finanzielle Verantwortungsteilung
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