07.05.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 103 / Tagesordnungspunkt 6

Daniela De RidderSPD - Europäische Hochschulbildung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Studierende! 1786 reiste Johann Wolfgang von Goethe von Weimar nach Italien. Für den damals 37-Jährigen waren es beschwerliche 956 Kilometer, bis er endlich Bologna erreichte. Was trieb den Juristen und Schriftsteller Goethe um, dass er diese Strapazen auf sich nahm?

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Der Bachelor! – Heiterkeit)

– Richtig, Herr Kollege, es waren in der Tat Studien. – Er interessierte sich für Flora und Fauna; Kunstgeschichte und Architektur gehörten auch dazu. Dies alles kann man im Übrigen in seinen Tagebuchaufzeichnungen nachlesen, die er später unter dem Titel Italienische Reise veröffentlicht hat.

Hatten die europäischen Wissenschaftsministerinnen und -minister, die vor 16 Jahren den Bologna-Prozess angestoßen haben, Goethe gelesen? Ich weiß es nicht. Überliefert ist es nicht. Wohl aber ist die Idee überliefert, die sie seinerzeit hatten. Es ging und geht um die Öffnung des Europäischen Hochschulraumes. Das umfasst die Stärkung der Mobilität von Studierenden, von Lehrenden und von Forschenden, aber auch von Beschäftigten im Hochschulwesen. Zu dieser Idee gehören das Voneinander- und das Miteinander-Lernen, das Anerkennen von Studienleistungen sowie die Stärkung der Berufsbefähigung. Darum geht es, um die sogenannte Employability. Reisen bildet, und Auslandsaufenthalte helfen, Fremdheit zu überwinden. Das ist doch immer ein inspirierender Lernprozess.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Heute gehören – man höre und staune – 47 Länder zum Bologna-Hochschulraum. Dazu gehören neben den bekannten und erwarteten vor allem auch solche Länder wie Albanien, Aserbaidschan, der Vatikanstaat, Kasachstan und die Ukraine. Weißrussland – darüber, finde ich, könnten wir auch noch einmal nachdenken – führt gerade Beitrittsverhandlungen.

Zunächst – das will ich gerne zugeben, Frau Gohlke – war der Bologna-Prozess sehr sperrig. Magister- und Diplomstudiengänge wurden auf Bachelor und Master umgestellt. Kritisiert wurde der Prozess auch aufgrund der Verdichtung der Studieninhalte. Man sprach von Bulimielernen. Aber das ist eine Diskreditierung des Bologna-Prozesses; denn Probleme an den Hochschulen gab es auch schon vor dem Bologna-Prozess. Die gilt es und galt es, zu verringern.

(Beifall des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN] – Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Aber Reformen sollen die Dinge besser und nicht schlechter machen!)

In den vergangenen 16 Jahren haben wir deshalb – lassen Sie mich das noch einmal betonen – viel erreicht und noch mehr getan, um diesen Prozess zu unterstützen und zum Erfolg zu machen. Wir haben Studienleistungen anerkannt. Ich erinnere an das ECTS-System. Wir haben das Stipendienprogramm Erasmus+ ausgebaut. Wir haben das Aktionsprogramm „Bologna macht mobil“ beim DAAD angesiedelt, mit dem Hochschulkooperationen zwischen deutschen und europäischen Hochschulen ausgebaut werden. Wir haben – darauf bin ich besonders stolz – das Auslands-BAföG ausgebaut. Hier kann man nämlich die Übernahme von Reisekosten und eine flankierende Finanzierung der besonders teuren Studiengebühren beantragen. Wir haben Gott sei Dank keine mehr in der Bundesrepublik.

(Beifall bei der SPD – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Abgeschafft!)

Wir haben aber noch mehr gemacht. Ich bin ganz dankbar, dass wir über den europäischen Raum hinausgegangen sind. Jungen Menschen aus Drittstaaten, die bei uns studiert haben, haben wir jetzt ermöglicht, dass sie noch 18 Monate nach ihrem Studienabschluss hierbleiben können, um einen Job zu finden. Das zeigt doch, dass wir die Internationalisierung deutlich ausgebaut haben und uns sicher sein dürfen, dass es auch noch weitergehen kann.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, ich bin SPD-Bundestagsabgeordnete. Ich glaube, meine Partei steht keineswegs in dem Verdacht, sich mit dem Erreichten zufriedenzugeben, im Gegenteil.

(Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Na ja!)

Daher nehmen wir die Herausforderungen, die sich auch in der Zukunft stellen, gerne an. Ich will einige wenige Beispiele nennen. Der Hochschulpakt ist schon genannt worden. 10 Prozent der Landes- und Bundesmittel sollen für die Stärkung des Studienerfolgs zur Verfügung gestellt werden.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie soll das gehen?)

Allein die Bundesfinanzierung – ich habe etwas andere Zahlen als Herr Rachel – bis 2023 beträgt 20,3 Milliarden Euro. Hiermit flankieren wir die Universitäten und vor allem die Fachhochschulen sehr deutlich.

(Beifall bei der SPD)

Wir stärken die Qualität von Lehre durch den entsprechenden Pakt und verbessern noch einmal deutlich die Betreuung von Studierenden; denn um die geht es. Da haben Sie recht, aber das machen wir schon. Wir wollen Studienabbrüche vermeiden und den Studienerfolg ausbauen. Im Bund-Länder-Programm sind dafür bis 2020 weitere 2 Milliarden Euro veranschlagt. Sagen Sie doch bitte nicht, das sei nichts.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Wir werden auch die Doppelabschlüsse von deutschen und europäischen Hochschulen fördern und dabei – da dürfen Sie sicher sein – auch auf die Qualitätssicherung der Dual Degrees achten. Wir fördern einerseits Berufsorientierung und andererseits Berufsbefähigung durch Kompetenzlernen. Auch mit dem Projekt „nexus“ – Herr Rachel hat es nicht erwähnt – sowie der Programmlinie „Aufstieg durch Bildung: offene Hochschulen“ unterstützen wir die vielfältigen Studierendengruppen und ihre Lernerverschiedenheit. Diversity Management heißt hier das Gebot der Stunde.

Die Qualitätsoffensive Lehrerbildung fördert dezidiert solche Konzepte, die einen Auslandsaufenthalt von Lehramtsstudierenden, Lehrenden und Forschenden ermöglichen. Unser Ziel ist es – auch darauf bin ich stolz –, dass jeder zweite Studierende während des Studiums im Ausland war. Bisher sind es 30 Prozent; wir wollen, dass es 50 Prozent werden. Das ist ein ehrgeiziges Ziel, aber das, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart, und darauf dürfen wir stolz sein.

Mit dem Bologna-Prozess unterstützen wir auch das Demokratielernen; denn durch den Blick über den Tellerrand können Erkenntnisse gewonnen werden, die für mehr Offenheit und Toleranz stehen, gerade durch den Vergleich mit dem Ausland.

(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])

Reisen bildet – das wusste nicht nur Goethe. Lieber Herr Rachel, bitte richten Sie eine kleine Botschaft an Frau Ministerin Wanka aus: Ich würde mir wünschen, dass Frau Wanka in der Tat nach Eriwan in Armenien fährt und persönlich an der Bologna-Konferenz teilnimmt. Bitte machen Sie auch deutlich, dass es eine Mission gibt, die sie dort vertreten sollte, nämlich dass Bildung insbesondere für junge Menschen, aber auch für den Bereich des lebenslangen Lernens immer auch Zukunftschancen beinhaltet.

Es ist wichtig, dass wir Armenien nicht nur mit dem Genozid in Verbindung bringen, sondern auch mit Klugheit, Innovation und Wissensdurst. Anders als Goethe kann Frau Wanka die Distanz von Berlin nach Eriwan leicht überwinden, auch wenn es 3 306 Kilometer sind. Mehr als die Überwindung von geografischen Distanzen gilt es, die Distanzen zwischen Menschen zu überwinden und abzubauen. Seien wir also optimistisch und zukunftsorientiert, und stecken wir damit bitte, lieber Herr Rachel, auch unsere europäischen Nachbarn an.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Das Wort hat jetzt Kai Gehring, Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5039692
Wahlperiode 18
Sitzung 103
Tagesordnungspunkt Europäische Hochschulbildung
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