07.05.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 103 / Tagesordnungspunkt 7

Matthias IlgenSPD - Informationsweiterverwendungsgesetz

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man den Rednern von Linken und Grünen zuhört, kann man das Gefühl haben, dass bald die schöne neue Welt kommt. Was soll in Zukunft nicht alles open sein! Auch wir nehmen zur Kenntnis, dass der Datenmarkt durch Big Data, Linked Data und Open Data derzeit im Umbruch, in Bewegung ist.

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Bei der Bundesregierung ist Closed Data!)

Nicht zuletzt die Regierungen der USA und Großbritanniens – Herr Janecek, Sie haben das gerade angesprochen –, aber auch die Europäische Kommission tragen derzeit viel dazu bei. Wir haben eine spürbare Dynamik im Markt, die den Lebenszyklus von Datenprodukten völlig neu definiert.

Sowohl in der öffentlichen Verwaltung und in privaten Unternehmen als auch beim Verbraucher ergeben sich neue Verortungen entlang dieser Wertschöpfungsketten. Wir stellen das alleine an den vielen Apps – dieses Wort ist ja allein in den vorangegangenen vier Reden etwa 30-mal gefallen – und neuen Anwendungen für Smartphones und andere Geräte fest, die wir im Internet finden und die uns das Leben erleichtern sollen. Ich glaube, dieser Prozess wird weitergehen, und wir müssen uns überlegen, welche weiteren Erfolge durch Open Data in Deutschland noch möglich sind.

Insbesondere die Kombination aus Open Data und mobilen Anwendungen wird dadurch erleichtert, dass wir öffentliche Daten, die von den Verwaltungen des Bundes, der Länder, der Gemeinden und vielen anderen staatlichen Stellen zur Verfügung gestellt werden, jetzt zur Weiterverwendung freigeben. Das ist Ziel und Kern dieses Gesetzes, und das ist auch richtig.

(Beifall bei der SPD)

Der Markt für mobile Apps hängt zugleich aber wesentlich vom eigentlichen Kundenpotenzial ab. In den sogenannten App-Stores werden, wie wir alle wissen, die entsprechenden Produkte gehandelt, und eine App wird im Durchschnitt für 1,80 Euro, glaube ich, verkauft. Schauen wir uns einmal die Segmente an: Eben wurde eine App für Rollstuhlfahrer angesprochen. In meiner Heimatstadt, die 22 000 Einwohner hat, ist das Kundenpotenzial für diese App, glaube ich, relativ klein, selbst wenn eine staatliche Internetseite wie www.meinestadt.de diese App öffentlich machen würde.

Wir müssen also für einheitliche Regelungen in Deutschland sorgen. Dafür ist die Plattform GovData der Bundesregierung der erste Ansatz. Nehmen wir als Beispiel die Rollstuhlfahrer-App, bei der es um Barrierefreiheit geht: Alle staatlichen Stellen müssen einen Markt schaffen, der groß genug ist, damit eine solche App auch wirtschaftlich funktionieren kann; denn ansonsten bleibt das Programmierspielkram für den einen oder anderen. Das mag im Einzelfall vor Ort sinnvoll sein. Die Frage ist aber, wie wir die wirtschaftlichen Potenziale nutzen können. Deswegen müssen wir dafür sorgen, dass hier in Deutschland ein einheitlicher Weg beschritten wird.

Ich möchte ein Beispiel vorbringen, das über die Anwendungen, von denen wir schon gehört haben, hinausgeht und deutlich macht, dass man über den Tellerrand schauen muss. Es geht um eine App aus Israel, die mir besonders ins Auge gesprungen ist. Der Entwickler Ari Sprung hat die App „Red Alert“ entwickelt. Das klingt ein bisschen martialisch, und so ist es in diesem Fall auch. Diese App warnt Nutzer in Israel vor Raketeneinschlägen. Diese App schlug im letzten Jahr aufgrund des Konflikts zwischen Palästinensern und Israelis in dieser Region Tausende Male Alarm. Diese App ist in der Lage, in Echtzeit, sozusagen im Zwei-Sekunden- Takt, jede einzelne Rakete, die aus Gaza auf Israel abgeschossen wird, zu erfassen und zu melden. Sogar während eines Live-Interviews mit dem israelischen Botschafter in Washington war der Ton dieser App in der Fernsehübertragung zu hören, weil der Diplomat vergessen hatte, sie stumm zu schalten. 1 Million Israelis haben „Red Alert“ mittlerweile heruntergeladen. Das heißt, jeder achte Israeli besitzt diese Anwendung. Sie könnte aber auch für andere Länder interessant werden.

(Zuruf des Abg. Herbert Behrens [DIE LINKE])

Ich hoffe, dass wir für eine solche App – das ist natürlich ein Extrembeispiel – in Deutschland künftig keine Verwendung haben werden, weil es hier friedlicher zugeht.

Die Frage ist aber, meine Damen und Herren, woher diese Daten kamen. Auf die Frage: „Wo hast du die Daten her?“, hat der Programmierer gesagt: Ich habe sie von einer Webseite; die Daten sind im Internet zugänglich. – Die Daten sind dort tatsächlich öffentlich zugänglich; die eigentliche Frage war aber, wo der Ersteller der Webseite die Daten herhatte. Diese Daten kommen natürlich von einer staatlichen Stelle, aber bisher hat keiner die Frage beantwortet, woher die Daten genau kommen. Wir bewegen uns hier also – ich würde es freundlich ausdrücken – in einem rechtlichen Graubereich. Das Land Israel hat sicherlich ein Interesse daran, dass diese App funktioniert. Die Daten werden aber vermutlich kaum von einer Behörde frei zugänglich eingestellt.

An diesem Extrembeispiel sieht man, in welchen Bereichen wir uns in Zukunft mit diesem Gesetz bewegen könnten. Wir müssen also auch über Einzelfälle nachdenken. Deswegen finde ich es gut, dass man beim Melderegister und bei anderen Dingen Ausnahmen macht. Die Frage ist also: Wozu sind Daten verwendbar? Was bringen Sie uns zum Beispiel in der Sicherheitstechnik? Was bringen sie uns in der Medizintechnik? Was bringen sie uns künftig in anderen Bereichen der Wirtschaft?

Ich stimme allen bisherigen Rednern zu – das haben nämlich wirklich alle gesagt –, dass die Novellierung des IWG ein erster Schritt ist und wir noch weitere Schritte auf dem Weg zu Open Data gehen müssen, damit künftig weitere kommerzielle und nichtkommerzielle Anwendungen entwickelt werden können.

Wir wollen sehen, wie wir diese Open-Data-Strategie weiterführen. Auch müssen wir fragen: Wie steht es am Ende um die Rechtsansprüche? Denn die Frage ist natürlich, welchen Erfüllungsaufwand wir unseren Behörden aufgeben, wenn sie jetzt sozusagen alle Informationen, die sie für veröffentlichungswert halten, einstellen sollen. Auf der anderen Seite ist zu überlegen: Welche Interaktion gibt es dabei mit Blick auf Bürger und Unternehmen, die diese Daten nutzen wollen und können?

Ich glaube – das sage ich abschließend –, dass wir ein riesiges Marktpotenzial in der Bundesrepublik Deutschland, aber auch in Europa haben werden. Ich würde mich freuen, wenn alle Fraktionen das Vorhaben weiterhin unterstützen würden.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Zum Schluss dieser Beratung hat der Kollege Andreas Lämmel, CDU/CSU, das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5039869
Wahlperiode 18
Sitzung 103
Tagesordnungspunkt Informationsweiterverwendungsgesetz
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