07.05.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 103 / Tagesordnungspunkt 10

Simone RaatzSPD - Arbeit in der Wissenschaft

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Gehring, Sie haben recht: Es ist nun fast ein Jahr her, dass die SPD-Bundestagsfraktion ein Eckpunktepapier mit Forderungen zur Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes vorgelegt hat. Aber wie hat die Opposition – abgesehen von heute, mit Falten auf der Stirn und mit Nörgeln – darauf reagiert?

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Antwort der Grünen war ein von der SPD-Fraktion abgeschriebener Gesetzentwurf aus der vergangenen Legislatur.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den haben wir zusammen gemacht! Ihre Vorgänger wissen das noch!)

Wir haben hier vor ein paar Monaten darüber debattiert.

Nun, fast ein Jahr später, liegt ein Antrag der Linken zum Thema „Gute Arbeit in der Wissenschaft“ vor. Prima! Sehr schön, dass auch Sie jetzt die große Relevanz des Themas für sich entdeckt haben. Daher freue ich mich, dass wir heute einen Antrag beraten, über den wir in der Sache parteiübergreifend – unserem Koalitionspartner müssen wir noch ein bisschen unter die Arme greifen – nahezu einer Meinung sind. Ich denke, das Thema ist es wert.

(Beifall bei der SPD – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann kommt denn die Koalitionsinitiative?)

– Ich bin am Anfang meiner Rede. Das wird schon alles noch.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Beifall des Abg. Dr. Stefan Kaufmann [CDU/CSU])

Wir sind uns darin einig, dass unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler planbare und verlässliche Karriereperspektiven sowie attraktive Arbeitsbedingungen benötigen; das wurde heute schon von mehreren Rednern betont. Nur so gelingt es, dass wir die besten Köpfe in unserem Land halten und auch wettbewerbsfähig bleiben.

Wir sind uns sicher darin einig, dass es nicht sein kann, dass über 80 Prozent der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an unseren Hochschulen befristete Verträge haben, Frau Gohlke, noch dazu mit einer Laufzeit von unter einem Jahr bei über der Hälfte der Verträge. Das ist keine gute Situation.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie können das ändern!)

Wir sind uns auch darin einig, dass es nicht zielführend ist, dass selbst in unseren außeruniversitären Forschungseinrichtungen – das verstehe ich noch weniger als bei den Hochschulen – noch 2012 fast 60 Prozent aller Wissenschaftler befristet beschäftigt waren, davon viele sogar über Stipendien.

Es ist gut und wichtig, dass sich diese Große Koalition endlich des Problems der prekären Arbeitsbedingungen in unserem Wissenschaftssystem annimmt und dies noch in dieser Legislatur mit entsprechenden Ergebnissen untermauern wird. Es freut mich, dass wir, die SPD-Bundestagsfraktion, mit unserem Eckpunktepapier die Debatte über den Umgang mit unserem wissenschaftlichen Nachwuchs maßgeblich angestoßen haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Was steht nun in unserem Eckpunktepapier? Für uns sind insbesondere drei Punkte bei der Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes wesentlich. Das ist erstens die Befristungsdauer eines Arbeitsvertrages, die sich am Qualifizierungsziel orientieren muss.

(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Sehr richtig!)

Das heißt, wenn für eine Promotion üblicherweise drei Jahre benötigt werden, dann erwarten wir, dass der Vertrag eine Laufzeit von drei Jahren hat.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Das betrifft zweitens die Drittmittelbefristungen, die an die Dauer der Drittmittelförderung bzw. der Projektlaufzeit zu koppeln sind.

(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])

Drittens sind wir der Auffassung – Frau Gohlke, hören Sie bitte genau hin –, dass das nicht wissenschaftliche bzw. das wissenschaftsunterstützende Personal, welches in der Regel Daueraufgaben übernimmt, im Wissenschaftszeitvertragsgesetz fehl am Platz ist.

(Beifall bei der SPD)

Hier sollten üblicherweise unbefristete Verträge abgeschlossen werden. Herr Gehring hat es schon gesagt: Zu Daueraufgaben gehören Dauerstellen. Ich denke, da sind wir uns einig.

(Beifall bei der SPD)

Wir können als Koalition stolz sein, dass seit der Veröffentlichung des SPD-Eckpunktepapiers in unseren wissenschaftlichen Einrichtungen viel in Bewegung geraten ist. Ich freue mich, dass das auch den Grünen und der Linken aufgefallen ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Boah! Unglaublich! Seit Jahren beantragen wir, und Sie lehnen es ab!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, ich hoffe, Sie merken, dass die Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes bei der Großen Koalition ganz oben auf der Agenda steht,

(Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Wie konnten wir das übersehen?)

und das nicht erst seit heute, auch nicht erst seit der Vorlage des abgeschriebenen Antrags bzw. des vorgelegten Antrags, über den wir heute debattieren. An den Details wird derzeit gearbeitet. Ich gehe davon aus, dass das geänderte Wissenschaftszeitvertragsgesetz zum 1. Januar 2016 in Kraft tritt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Zu Protokoll: Keiner klatscht bei der Union! – Gegenruf des Abg. Dr. Stefan Kaufmann [CDU/CSU]: Vereinzelten Applaus gibt es!)

– Ich spüre viel Zustimmung, auch von meinem Koalitionspartner; das freut mich.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber wo und wann?)

Im vorliegenden Antrag heißt es treffend: Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz ist nicht die alleinige Ursache für die prekären Beschäftigungsverhältnisse in unserem Wissenschaftssystem. Ja, das stimmt. Mit der Novellierung stellen wir insbesondere die Befristungspraxis wieder vom Kopf auf die Füße. Das alleine kann es aber nicht sein. Das ist nur ein Baustein, wenn es um das übergreifende Thema „Gute Arbeit in der Wissenschaft“ geht.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Ein zweiter Baustein ist zum Beispiel der vierte Pakt für den wissenschaftlichen Nachwuchs und akademischen Mittelbau – meine Kollegin Frau Dinges-Dierig ist schon kurz darauf eingegangen –, den wir bereits im Herbst vergangenen Jahres thematisiert und gefordert haben. Das äußerst Erfreuliche ist doch – und darauf sind Sie, Herr Gehring und Frau Gohlke, überhaupt nicht eingegangen; das hätte mich aber gefreut –, dass unsere Forderung erhört wurde. So konnten wir unsere geschäftsführenden Fraktionsvorstände davon überzeugen, über einen Zeitraum von zehn Jahren zusätzlich – ich betone: zusätzlich – 1 Milliarde Euro für unseren wissenschaftlichen Nachwuchs und akademischen Mittelbau zur Verfügung zu stellen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Wir haben gerade vorgerechnet, was das bedeutet! Dann machen Sie eine andere Rechnung, wo Sie sagen, dass es mehr als 2 000 Stellen sind!)

– Dass Sie sich nicht freuen! 1 Milliarde Euro für unseren wissenschaftlichen Nachwuchs, das ist doch toll. Das ist doch was.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Dafür auch von dieser Stelle noch einmal einen ganz herzlichen Dank, insbesondere an Hubertus Heil und Michael Kretschmer, die sich ganz intensiv dafür eingesetzt haben. Ich finde, das ist ein tolles Ergebnis.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Unsere Vorstellungen zur Ausgestaltung des vierten Paktes haben wir vor zwei Wochen präsentiert. Im Wesentlichen geht es darum, dass sich unsere Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen endlich als gute Arbeitgeber verstehen, das Potenzial ihrer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler frühzeitig erkennen und fördern sowie klare Perspektiven aufzeigen. Ich denke, Personalentwicklungskonzepte und attraktive Personalkategorien mit Tenure-Track-Option auch unterhalb der Professur sollten zukünftig selbstverständlich sein.

Ich komme zum Schluss. Sie sehen, das Ergebnis von anderthalb Jahren Großer Koalition im Bereich „guter Arbeit in der Wissenschaft“ ist erstens eine anstehende Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes und zweitens 1 Milliarde Euro zusätzlich für den wissenschaftlichen Nachwuchs und akademischen Mittelbau. In den nächsten Monaten geht es nun um die konkrete Ausgestaltung des Paktes und um die Abstimmung zwischen Bund und Ländern. Sie alle sind herzlich eingeladen, sich an der Diskussion zu beteiligen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Für die CDU/CSU-Fraktion spricht nun die Kollegin Dr. Claudia Lücking-Michel.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5040377
Wahlperiode 18
Sitzung 103
Tagesordnungspunkt Arbeit in der Wissenschaft
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