Claudia Lücking-MichelCDU/CSU - Arbeit in der Wissenschaft
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Tatsächlich, wir diskutieren heute schon zum zweiten Mal im Plenum über ein ganz wichtiges Thema der aktuellen Wissenschaftspolitik.
(Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Auf Initiative der Opposition!)
Es geht um die Zukunftsperspektiven für Nachwuchswissenschaftler und – das haben wir schon gehört – auch um die Zukunft Deutschlands als Forschungsstandort.
Ich möchte auf vier Punkte Ihres Antrags eingehen, nachdem wir vieles bereits angesprochen haben:
Erstens. Das heikle und große Thema Befristungen. Ich will einmal sagen: Befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft sind für mich nicht per se Teufelszeug, sondern bringen eine Dynamik in das Wissenschaftssystem, die notwendig ist. Da hat Frau Ministerin Wanka recht.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ein Wechsel von Personal und Veränderungen sind nötig, um Innovationen und einen kontinuierlichen Austausch von Ideen sicherzustellen. Diese Dynamik sollten wir nicht mehr als nötig beschneiden.
(Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Die Menschen können trotzdem wechseln; das steht ihnen frei! Da muss man sie nicht schlecht beschäftigen!)
Ein Zweites kommt hinzu; auch das unterscheidet sich sehr von Ihrem Ansatz. Ich sehe die Arbeitgeber im Wissenschaftsbetrieb eher als verantwortliche Vorgesetzte denn als moderne Sklaventreiber. Ich denke, dass die Forderung im Antrag, feste Mindestvertragslaufzeiten per Gesetz zu definieren, in die falsche Richtung geht. Frau Kollegin Dinges-Dierig hat gerade schon viele Fälle dargestellt. Wir sollten uns nicht anmaßen, für all die vielfältigen Wege, auf denen wissenschaftliche Qualifizierung verläuft, von Berlin aus arbeitsrechtliche Vorgaben zu machen. Es ist vielmehr die Aufgabe jedes Arbeitgebers, optimale Arbeits- und Forschungsmöglichkeiten zu schaffen und auf die Vielfalt von Karrierewegen und Lebenssituationen flexibel zu reagieren.
Aber natürlich – ich bin ja nicht blauäugig – stimmt es: Diese Verantwortung nehmen nicht alle Vorgesetzten gleichermaßen wahr. Es stimmt: Die Befristung der Verträge von wissenschaftlichem Personal sollte nicht zu oft hintereinander und zu kleinteilig über kurze Zeiträume erfolgen.
(Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Aber bei 90 Prozent kann man nicht von Verantwortlichkeit reden! Wie kommen denn die 90 Prozent zustande?)
In der Union setzen wir auf ein anderes Konzept statt auf Regelungswahn. Wir setzen auf positive Anreize und auf die Verantwortung der Vorgesetzten.
(Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Das hat doch nicht geklappt!)
Das kann man unterstützen und fördern, zum Beispiel durch ein Audit oder ein Siegel und durch positive Anreize. Solch ein Audit sollte festhalten, welche Auswahlprozesse und welche Aufstiegsmöglichkeiten gelten und welche Anforderungen es an Dauerstellen gibt. Es sollte auch transparente Pläne für eine Gesamtpersonalentwicklung einfordern.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das Konzept kann man auch durch Anreize unterstützen, zum Beispiel durch die Milliarde Euro – sie wurde schon genannt – für die Etablierung neuer Karrierewege, für ein großes Tenure-Track-Programm, aber auch für Karrierewege unterhalb der Professur, für unbefristete Stellen im Mittelbau. Aber dafür muss auch von der Länderseite Verantwortung übernommen werden.
Damit bin ich beim zweiten Punkt Ihres Antrages.
(Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Beim zweiten erst? Oje!)
Die Fraktion Die Linke will wieder einmal das System der Wissenschaftsfinanzierung grundlegend ändern und fordert schon wieder eine verstetigte Finanzierung durch den Bund. Wir haben es heute Nachmittag schon einmal gehört, und wir haben es gerade gehört – aber anscheinend muss man es immer wieder betonen, damit es auch bei den Letzten ankommt –: Der Bund hat mit der BAföG-Entlastung dauerhaft rund 1,2 Milliarden Euro pro Jahr zur Verfügung gestellt.
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und offengehalten, was die Länder damit finanzieren sollen!)
Das ist Geld, mit dem die Länder Stellen schaffen können.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es ging darum, die Grundfinanzierung der Hochschulen wirklich zu verbessern. Die Möglichkeiten dazu haben sie jetzt. Ab 2016 kommt hinzu, dass der Bund auch den Haushaltsaufwuchs der außeruniversitären Forschungseinrichtungen komplett übernehmen wird – noch mehr Geld, mit dem die Länder dann neue finanzielle Spielräume haben, um die Hochschulen zu finanzieren.
Drittens. Ein ganz wichtiger Punkt kommt auch in Ihrem Antrag vor: Frauen sind in wissenschaftlichen Führungspositionen unterrepräsentiert. Ja, das darf nicht so bleiben. Wir müssen Rahmenbedingungen schaffen, die einer ausgewogenen Besetzung der Stellen mit Frauen und Männern zuträglich sind.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Der Weg dahin liegt aber aus meiner Sicht nicht in einer festen Quote von 50 Prozent weiblicher Neubesetzungen all dieser Stellen, wie Sie es in Ihrem Antrag vorschlagen haben.
(Dr. Daniela De Ridder [SPD]: Das Prinzip ist richtig!)
Ich frage Sie, wie Sie sich das vorstellen: Was ist die Bezugsgröße für diese Quote?
(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Es geht ja um eine Zielgröße!)
Gilt sie hochschulweit oder nach Fachbereichen? Dabei haben wir längst eine, wie ich finde, sehr sinnvolle Methode und Vorgabe für die Verbesserung des Verhältnisses von Männern und Frauen, und zwar sowohl in den Forschungseinrichtungen als auch an den Universitäten. Ich meine das Kaskadenmodell. Das ist etwas anderes als eine feste Quote. Es trägt nämlich den Gegebenheiten in den jeweiligen Institutionen bzw. den Fachkulturen Rechnung. Es setzt das Prinzip der Bestenauslese gerade nicht außer Kraft und nutzt die Potenziale aus, die die jeweils vorherige Karrierestufe bietet.
Ich bin mit den Veränderungen, die das Kaskadenmodell bisher gebracht hat, nicht zufrieden.
(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Da stimmen wir Ihnen zu!)
An vielen Stellen ist es zu langsam,
(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Da haben Sie recht!)
wenn es darum geht, mehr Frauen in Führungspositionen zu etablieren.
(Beifall der Abg. Dr. Daniela De Ridder [SPD])
Das heißt, wir sind nicht davon entbunden, die Ursachen noch einmal genauer in den Blick zu nehmen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Was die Ursachen angeht, sind mehrere zu nennen, zum Beispiel nach wie vor das Thema „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“. Dafür braucht es bessere Lösungen; da stimme ich Ihnen zu. Familienfreundliche Arbeitsbedingungen sind die Voraussetzung dafür, dass junge Eltern gleiche Chancen auf Karriere haben. Das würde Frauen entschieden helfen, aber auch jungen Vätern, den Männern.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Wer aber meint, damit sei die Frauenfrage schon angemessen adressiert, dem muss ich sagen: Wir müssen darüber hinaus weiterhin die Berufungspolitik in den einzelnen Einrichtungen in den Blick nehmen und schauen, wie sie im Hinblick auf Frauen betrieben wird: Welche Verfahrensstandards werden vorgegeben? Mentoringprogramme sind hilfreich. Es geht darum, die Sichtbarkeit von Wissenschaftlerinnen insgesamt zu erhöhen und die Leistung zu verbessern.
Ich will einen vierten und letzten Punkt nennen, der in Ihrem Antrag vorkommt. Seit es die Exzellenzinitiative gibt, fordert die Linke deren Abschaffung. Damit zeigen Sie, dass Sie aus Erfahrung offensichtlich nicht klug werden wollen. Die Exzellenzinitiative hat wissenschaftliche Leistung aus Deutschland international verstärkt sichtbar gemacht.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Sie hat es ermöglicht, Spitzenkräfte aus aller Welt nach Deutschland zu holen. Sie finden hier attraktive Forschungs- und Arbeitsbedingungen. Die internationale Seite kommt in Ihrem Antrag mit keinem Wort vor. Das ist eine sträfliche Vernachlässigung;
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
denn Wissenschaft hört nicht an Ländergrenzen auf. Nur durch die Honorierung exzellenter Forschungsleistungen auf internationalem Niveau halten wir beim großen Wettbewerb um beste Talente und innovative Ideen wirklich mit.
Zum Schluss lege ich Ihnen Konrad Adenauer ans Herz – nicht nur, weil ich aus seinem Wahlkreis kom- me –: Niemand hindert Sie daran, über Nacht klüger zu werden. Machen Sie was draus!
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Der Kollege Martin Rabanus hat für die SPD-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5040388 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 103 |
Tagesordnungspunkt | Arbeit in der Wissenschaft |