07.05.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 103 / Tagesordnungspunkt 12

Petra Pau - Tierhaltungskennzeichnung für Fleisch

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, es ist richtig: Wir müssen wirklich transparent machen, wie Fleisch erzeugt wird, wie die Nutztiere tatsächlich gehalten werden. Da stammen Abbildungen auf den Wurst- oder Fleischverpackungen doch eher aus einer Traumwelt als aus dem wirklichen Leben eines Schweins oder eines Mastrindes. Teilweise sind sie gar absurd; man denke nur an das Schwein aus der Werbung mit der Grillzange in der Hand und der Schürze um den Bauch!

(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und dem Ringelschwänzchen!)

Hier wünsche ich mir deutlich mehr Ehrlichkeit von der Fleischindustrie.

Aus diesem Grund begrüße ich den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Elvira Drobinski-Weiß [SPD])

Er greift ein wichtiges Thema auf: die Tierhaltungskennzeichnung. Wir als SPD-Bundestagsfraktion haben uns bereits mehrfach für eine transparente, klare und verbindliche Kennzeichnung ausgesprochen, die zum einen natürlich dem Tierschutz bzw. der artgerechten Haltung Rechnung trägt und zum anderen die Landwirte bei ihren Bemühungen um mehr Tierschutz im Stall auch adäquat unterstützt.

Leider leistet die Branchenlösung, initiiert vom Bauernverband und vom Einzelhandel, dies genau nicht. Hier vermisse ich die Verlässlichkeit für die Landwirte und die Klarheit für die Konsumenten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Landwirte müssen beispielsweise mit mehreren Zehntausend Euro in Vorleistung gehen und ihre Ställe umbauen. Vor Ort, in persönlichen Gesprächen in den Landkreisen – bei mir zu Hause in Osterholz und Verden – erzählen sie mir natürlich von ihren Sorgen, ihren Existenzängsten, von der Ungewissheit. Sie wissen nicht, ob die Investitionen, die sie tätigen, tatsächlich gedeckt werden, ob ihr Engagement aus dem Fonds gefördert wird. Leider sieht die Realität zurzeit nicht gut aus.

Natürlich kann man sich funktionärsseitig freuen, dass die Nachfrage so groß ist. Doch was hilft es, wenn den Anträgen nicht Rechnung getragen werden kann?

(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)

Nach aktuellen Berichterstattungen wird nicht einmal die Hälfte der Antragsteller berücksichtigt. Hier werden wertvolles Vertrauen, so finde ich, und Engagement verspielt.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie der Abg. Karin Binder [DIE LINKE])

Zudem kann der Kunde an der Fleischtheke nicht erkennen, ob er nun Fleisch von Tieren aus artgerechter Haltung kauft oder nicht.

(Zustimmung der Abg. Elvira Drobinski-Weiß [SPD])

Aber genau dies fordert er, meine Damen und Herren.

Das Beispiel der erfolgreichen Kennzeichnung von Eiern zeigt, dass eine klare, verbindliche Kennzeichnung funktioniert. Sie entfaltet die gewünschte Wirkung, und der Handel kann seiner Verantwortung tatsächlich gerecht werden. Leider ist diese Kennzeichnung nicht verbindlich bei Lebensmitteln und Produkten, die Eier als Zutat enthalten. Ich finde, hier haben wir absolut noch Nachbesserungsbedarf.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, in seinem Gutachten „Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung“ präsentiert der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft seine Ergebnisse, und sie sprechen eine klare Sprache. Die Gesellschaft, die Bevölkerung erwartet umfassende Verbesserungen der Haltungsbedingungen, mehr Transparenz bei der Lebensmittelkennzeichnung und die Einführung eines staatlichen Labels. Ich bin davon überzeugt, dass nur eine verbindliche, unabhängige Kennzeichnung dazu führen kann, dass das Vertrauen in Labels gestärkt wird und dass die Landwirte wirtschaftlichen Erfolg und artgerechte Tierhaltung miteinander verbinden können.

(Beifall des Abg. Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Zurzeit sind die Erzeugerpreise leider so niedrig, dass den Landwirten oftmals die Hände gebunden sind; sie müssen die Tiere teilweise unter unsäglichen Bedingungen halten. Es bestehen keine Spielräume für eine tiergerechtere Haltung. Eine differenzierte Kennzeichnung kann hier nur positive Effekte haben. Durch Label können Tierschutzmaßnahmen konkret entlohnt werden.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als Sozialdemokratin ist mir zudem wichtig, dass wir das Thema differenziert betrachten, dass wir Tierschutz nicht ohne Landwirte und nicht ohne Konsumenten denken; denn nur dann, wenn wir die Interessen zusammenführen, kommen wir zu tragfähigen Lösungen und hin zu mehr Tierschutz. Genau diese Betrachtung allerdings vermisse ich in Ihrem Antrag; insbesondere vermisse ich den sozialen Aspekt. Zwar sehe auch ich die erfreuliche Bereitschaft in der Bevölkerung, für gute Lebensmittel mehr zu zahlen; jedoch muss eine Balance in der Preisgestaltung gefunden werden. Tierschutz und der Kauf von Fleischprodukten von Tieren aus artgerechter Haltung dürfen kein Luxusgut sein.

(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das will auch keiner!)

Gutes Essen aus artgerechter Tierhaltung darf nicht nur den Besserverdienenden vorbehalten sein.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht in unserem Antrag auch nicht drin!)

Wir brauchen ein System, das diese Aspekte berücksichtigt und den Standard insgesamt anhebt.

Das Nutztiergutachten skizziert einen Weg, den wir aufgreifen und entwickeln müssen. Zudem sollten wir auf die Erfahrungen des Deutschen Tierschutzbundes mit seinem Label zurückgreifen. Ich erwarte die Unterstützung aus dem Landwirtschaftsministerium – ich freue mich darauf –, wenn wir uns als Parlament, als Fachpolitiker nun auf den Weg machen, das Nutztiergutachten konkret aufgreifen und versuchen, in die Umsetzung zu gehen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die SPD wird auch weiterhin daran arbeiten, ein verbindliches Label zur klaren, transparenten Kennzeichnung von artgerecht produziertem Fleisch zu entwickeln. Von ihm müssen die Landwirte und selbstverständlich auch die Tiere profitieren, und durch moderate Preise muss es den Rückhalt bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern genießen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Johannes Röring das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5040572
Wahlperiode 18
Sitzung 103
Tagesordnungspunkt Tierhaltungskennzeichnung für Fleisch
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