Astrid FreudensteinCDU/CSU - Geschichte des Bundeskanzleramtes
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Es gibt Dinge, die dulden keinen Aufschub, die muss man jetzt und sofort anpacken, es gibt Dinge, die für Gerechtigkeit sorgen oder die revolutionär sind, und es gibt Dinge, die einfach die Situation vieler Menschen in unserem Land verbessern. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linksfraktion, ich muss Sie enttäuschen: Ihr Antrag gehört nicht zu all diesen Dingen.
Verstehen Sie mich nicht falsch. Ihr Anliegen ist ja grundsätzlich nicht unbedeutend: Eine Aufarbeitung der deutschen Geschichte, auch der demokratischen Institutionen nach 1945, in besonderer Weise auch des Bundeskanzleramtes, kann in vielerlei Hinsicht wichtig sein, und sie kann vor allem aus wissenschaftlicher Sicht hochinteressant sein. Das haben die bisherigen Untersuchungen schon gezeigt; in allen Bundesministerien mit Vorgängern in der NS-Zeit und in vielen nachgeordneten Bundesbehörden fand ja oder findet eine historische Aufarbeitung statt.
Vermutlich hat kein Land der Welt seine Geschichte und die seiner Institutionen so intensiv wissenschaftlich aufarbeiten lassen wie wir Deutsche. Das war und ist nach den Verbrechen und Verirrungen des 20. Jahrhunderts auch unsere Pflicht. Ich meine deshalb, dass man uns mangelndes Bewusstsein oder gar Untätigkeit nicht vorwerfen kann.
Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie haben eine Anfrage gestellt und erst kürzlich eine Antwort erhalten. Sie wissen also sehr gut, dass die beiden größten und bedeutendsten deutschen Forschungsinstitute auf diesem Gebiet bereits mit einer Bestandsaufnahme beauftragt worden sind; sie werden die Quellenlage, den Forschungsstand und die Forschungsdesiderate bei den einzelnen Ressorts benennen. Sie wissen, dass Ergebnisse bis Ende dieses Jahres vorliegen sollen. Trotzdem stellen Sie heute diesen Antrag. Warum tun Sie das? Ich will es Ihnen sagen: Es geht Ihnen vermutlich nicht wirklich um die Aufarbeitung selbst, sondern es geht Ihnen vermutlich darum, sich selbst als etwas darzustellen, nämlich als Speerspitze der historischen Aufklärung.
(Jan Korte [DIE LINKE]: Mann, ist das blöde!)
Sie haben zu diesem Zweck ja auch eine ganz eigene „Historische Kommission“ in Ihrer Partei. Deren Ergebnisse habe ich mir einmal angeschaut. Die Historische Kommission der Linkspartei schreibt zum Beispiel im Jahre 2011 zum 50. Jahrestag des Mauerbaus – ich zitiere –:
Die Mauer als ein Werk des Friedens – so dargestellt von einer Historikerkommission im Jahre 2011.
Es gibt noch mehr zu lesen in dieser historischen Aufarbeitung, was mit ehrlichem Willen zur Aufklärung wenig zu tun hat. So hat Ihre Historische Kommission im Jahre 2011 auch geschrieben – ich zitiere –: „Für Millionen Menschen in unserem Land“ – also in der Bundesrepublik – gibt es wegen des geringen Einkommens „die Reisefreiheit nur auf dem Papier“. Ihre Historikerkommission schreckt also nicht davor zurück, eine Parallele zu ziehen zwischen dem staatlichen Freiheitsentzug durch den Unrechtsstaat DDR und dem heutigen Leben in der freien Bundesrepublik. Das ist nicht nur Geschichtsklitterung, das ist Revisionismus.
(Jan Korte [DIE LINKE]: Ja, genau!)
Aber es geht noch weiter: Zum 60. Jahrestag des 17. Juni 1953, also im Jahre 2013, schreibt die Historische Kommission der Linkspartei wörtlich – ich zitiere –:
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie ist denn Ihre historische Auffassung in der CDU? Und bei der CSU?)
Das läuft bei Ihnen unter historischer Aufarbeitung! Ich möchte daran erinnern: Es wurden am 17. Juni 1953 mindestens 40 Demonstranten erschossen. Die Rote Armee ist mit Panzern gegen die Menschen angefahren. Meine Damen und Herren von der linken Aufarbeitungsfraktion, das ist ein „blutiges Niederwalzen“ und war keineswegs „maßvoll“. Ich kann nur sagen: Sie haben da eine ziemlich tolle Historische Kommission.
Warum erzähle ich das alles? Es hat ja wirklich nichts mit dem Kanzleramt zu tun. Aber wenn Sie ehrlich sind, hat Ihr Antrag mit dem Kanzleramt auch nicht viel zu tun. Es geht Ihnen keineswegs um eine ordentliche wissenschaftliche Aufarbeitung; sonst würde Ihnen ja die Antwort der Bundesregierung genügen, in der klar festgehalten ist, wie alles nun seinen Lauf nehmen wird und dass es eine wissenschaftliche und eben keine politische Frage ist.
Frau Dr. Freudenstein, lassen Sie eine Zwischenfrage von Herrn Korte zu?
Nein, ich bin gleich fertig.
(Jan Korte [DIE LINKE]: Dann haben Sie ein paar Minuten länger!)
Der Antrag entlarvt nur Ihr Verständnis von Geschichtsschreibung. Sie fassen Geschichtsschreibung als Instrument des Politischen auf, und das gehört eigentlich ins 19. Jahrhundert. Wir sind da weiter. Die Bundesregierung geht den Weg, den die Geschichtsschreibung in einer demokratischen und freien Gesellschaft im 21. Jahrhundert geht, und zwar wissenschaftlich fundiert und nicht politisch motiviert.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5040860 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 103 |
Tagesordnungspunkt | Geschichte des Bundeskanzleramtes |